Gemeinsamer Kniefall vor dem EM-Achtelfinale
29. Juni 2021Gegner auf dem Platz, vereint im Kampf gegen Diskriminierung und Rassismus. Die Mannschaften von England und Deutschland werden vor dem Anpfiff ihres Achtelfinal-Duells im Londoner Wembleystadion gemeinsam auf die Knie gehen, um ein Zeichen gegen Rassismus zu setzen. Das haben die Kapitäne Harry Kane und Manuel Neuer abgesprochen: "Wir stehen für Toleranz und gegen jegliche Art von Diskriminierung und wollen uns solidarisch zeigen mit der Nationalmannschaft von England", sagte Torhüter Neuer über den ersten Kniefall der DFB-Auswahl überhaupt: "Wir ziehen da gerne mit und mussten nicht lange darüber nachdenken."
Neuer wird außerdem erneut seine mittlerweile bekannte Kapitänsbinde in Regenbogenfarben tragen, Symbol der LGBTQ-Bewegung. Er diente damit auch Kane als Inspiration: Der Engländer will sich den bunten Stoff ebenfalls über den Oberarm ziehen. "Das ist ein starkes Zeichen", sagte Neuer. Die Botschaft: Bei aller Rivalität gibt es gemeinsame Werte, die eine enorme Bedeutung für die Gesellschaft haben.
Der Kniefall hat seinen Ursprung in der Football-Liga NFL. Dort protestierte der schwarze Quarterback Colin Kaepernick Ende 2016 beim Abspielen der amerikanischen Nationalhymne auf diese Art. Er wollte aufmerksam machen auf die Diskriminierung Schwarzer, auf Polizeigewalt und Rassismus. Sein Kniefall ging um die Welt, er inspirierte Tausende Nachahmer in unterschiedlichsten Sportarten.
Interne Kontroversen
Englands Fußball-Nationalmannschaft geht schon seit Wochen vor Spielbeginn auf die Knie. Anfangs gab es dafür viele Pfiffe für die "Three Lions", mittlerweile erfahren sie meist Zuspruch von ihren Fans. Das deutsche Team solidarisiert sich nun mit den Engländern, auch wenn intern kontrovers diskutiert wurde, ob diese Art des Protests aus Sicht eines deutschen Teams glaubwürdig erscheint.
Andererseits hätten die Bilder von stehenden Deutschen vor knienden Engländern wahrscheinlich eine fatale Außenwirkung gehabt. Das wollten der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und die Spieler unbedingt vermeiden. "Wir stehen für all diese Werte und finden es richtig, dass man sich für solche Werte stark macht", sagte Bundestrainer Joachim Löw: "Die Mannschaft hat besprochen, was zu tun ist und uns gesagt, dass sie auch den Kniefall machen wird. Das ist ein tolles Zeichen."
Nach Ansicht von Rassismus-Experte Gerd Wagner können solche öffentlichkeitswirksamen Aktionen nur der Anfang sein. "Es ist wichtig, dass da nachhaltig etwas passiert", sagte der Mitarbeiter der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) in Frankfurt am Main. "Nutzen die Verbände nur die internationale Bühne - oder wird das Anliegen bis auf die unteren Ligen im Amateurfußball runtergebrochen?"
to/sn (sid, dpa)