1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

EU-Verfassung - "Wir haben noch keine Lösung"

Bernd Riegert, Brüssel9. Mai 2006

Am Europatag, der an die Vorstellung der Montan-Union durch den Franzosen Robert Schumann im Jahr 1950 erinnert, wurde in Brüssel diskutiert, in welcher Verfassung Europa sich befindet.

https://p.dw.com/p/8S7y
Jose Manuel Barroso (links) und Wolfgang Schüssel am Europatag in BrüsselBild: AP

Die Brüssler EU-Beamten konnten jubeln, sie hatten nämlich am Europafeiertag (9.5.2006) frei. Die Parlamentarier hingegen arbeiteten, besser gesagt sie dachten über einen Weg nach, die Verfassung der EU doch noch in Kraft zu setzen. Der Vorsitzende des Parlaments, Josep Borrell, mahnte: "Es wäre nicht vernünftig, die Phase des Nachdenkens immer weiter und weiter auszudehnen. Wir haben noch keine Lösung, also denken wir einfach weiter nach."

Merkel auf Europaforum
Angela Merkel warnte vor einem SchnellschussBild: AP

Die Staats- und Regierungschef der EU sollten im Juni 2006 einen Plan vorlegen, wie man denn nun konkret handeln solle, verlangte Borrell. Bundeskanzlerin Angela Merkel widersprach in Berlin und sagte, die Zeit zum Handeln sei noch nicht reif. Die Wahlen in Frankreich und den Niederlanden im Mai 2007 müssen wohl abgewartet werden.

Keine Aufspaltung

Auch der österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel wußte als EU-Ratsvorsitzender keinen Ausweg aus der Krise. Er will aber am Text der Verfassung als solchem festhalten, es solle keine Aufspaltung in einzelne Pakete geben: "Es soll mir einer ein besseres Modell oder bessere Ideen auf den Tisch legen, dann lasse ich mich natürlich gerne davon überzeugen. Aber bis jetzt kenne ich kein besseres Modell."

Schüssel plädierte dafür, die Bürger vom Nutzen der EU zu überzeugen. Dann könnten auch die Franzosen und Niederländer der Verfassung zustimmen: "Wenn wir die Menschen nicht gewinnen für dieses Projekt, dann ist Europa am Ende."

"Sonst werden wir irrelevant"

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso regte Reformen der EU-Institutionen und der Gesetzgebung an - ob mit oder ohne Verfassungstext. Auch die heutigen Verträge böten noch nicht ausgeschöpfte Möglichkeiten. Die EU müsse ihre Interesse in der Welt besser vertreten und ihre Bürger vor den negativen Folgen der globalen Wirtschaft schützen, warnte Barroso: "Wir brauchen eine europäische Antwort auf die Globalisierung, sonst werden wir langsam aber sicher irrelevant in der Welt."

Am Europatag ratifizierte das Parlament in Estland die Verfassung. Damit haben 15 Staaten, darunter Deutschland, die Verfassung angenommen. Finnland wird in Kürze diesen Schritt ebenfalls machen. Zwei Staaten haben die Verfassung abgelehnt und weitere sieben haben den Ratifizierungprozess ausgesetzt.

Barroso erinnerte daran, dass es den Bürgern nicht so sehr um Verfahrensfragen bei der Verfassung gehe, sondern um Resultate, die Europa produziere. Deshalb müsse es mehr konkrete Projekte, wie zum Beispiel bessere Zusammenarbeit bei der grenzüberschreitenden Verbrechensbekämpfung, geben.

Fragen an Vergangenheit und Zukunft

Europa Tag - Eifelturm blau angestrahlt
Der Eifelturm erstrahlte am Europatag in blauem LichtBild: AP

Der österreichische Parlamentspräsident Andreas Khol riet dazu, den Kopf trotz aller Rückschläge nicht in den Sand zu stecken. Man müsse sich ab und zu einmal selbst an die Größe der europäischen Einigungsidee erinnern. Zu Zeiten Robert Schumanns in den 1950er Jahren habe niemand an eine europäische Verfassung zu denken gewagt: "Meine Eltern hätten sich nie vorstellen können, dass wir heute ein Europäisches Parlament haben - unter spanischem Vorsitz mit einer internationalen Pressekonferenz. Sie hätten sich nicht vorstellen können, dass wir soweit gehen, wie wir schon gegangen sind."

Eine Antwort auf die Frage, wo die EU enden soll, ist auch noch nicht gefunden. Der Ratsvorsitzende Schüssel sagte, Bulgarien und Rumänien würden natürlich aufgenommen. Mit Kroatien und der Türkei werde bereits verhandelt und auch der Balkan habe eine klare Beitrittsperspektive: "Zugleich weiß ich, dass es Grenzen für die Aufnahmefähigkeit und für die Ausdehnung der Union gibt." Den anderen Nachbarn, zum Beispiel der Ukraine, müsse siganalisiert werden, dass ihr Beitritt auf absehbare Zeit nicht auf der Tagesordnung stehen wird. Ihnen werde aber eine möglichst enge Parternschaft angeboten.