EU und China: Aufholjagd in der Entwicklungspolitik
25. Oktober 2023Vor zwei Jahren hat die Europäische Union mit der Initiative "Global Gateway" das Tor zur Welt aufgestoßen, um Investitionen in Entwicklungsländer und Schwellenländer zu lenken. Nun gab es dazu ein erstes Gipfeltreffen in Brüssel. Es war eine Bestandsaufnahme und eine Art Motivationsseminar, um die Kooperation zu verstärken und Ideen für neue Projekte zu diskutieren.
Erfunden hatte die EU "Global Gateway", um China Konkurrenz zu machen. Die kommunistische Wirtschaftsmacht ist bereits seit zehn Jahren dabei, mit ihrer "Belt-and-Road"-Kampagne (auf Deutsch etwas malerischer "Neue Seidenstraße" genannt) weltweit rund 900 Milliarden Euro Investitionen und Infrastrukturprojekte zu verteilen. Die EU will dagegen bis zum Jahr 2027 nur 300 Milliarden Euro an Investitionen auslösen. Die Zahl der teilnehmenden Länder ist ebenfalls kleiner. Die EU hat knapp 60 Partnerländer angeworben. Bei den Chinesen machen 151 Staaten mit.
"Bei 'Global Gateway' geht es darum, den Ländern eine Wahl zu geben - die bessere Wahl", warb Ursula von der Leyen, die Präsidentin der EU-Kommission, für ihr Kooperationsmodell. Sie spielte darauf an, dass die Teilnehmer an der chinesischen "Belt-and-Road"-Initiative oft teure Kredite in China aufnehmen müssen und chinesische Firmen die Projekte ausführen.
Ist "Global Gateway" die bessere Wahl?
"Für viele Länder der Erde sind die Investitionsmöglichkeiten nicht nur begrenzt, sie gehen einher mit viel Kleingedrucktem und einem hohen Preis", betonte von der Leyen mit Blick auf das chinesische Modell. Die Europäische Union arbeite hingegen mit den Partnerländern auf Augenhöhe zu fairen Bedingungen, behauptete die Kommissionspräsidentin. "Unsere Widerstandskraft wird stärker, wenn Sie, unsere Freunde, stärker werden. Da gewinnen wir alle. Deshalb haben wir uns entschieden, enger mit Ihnen zusammenzuarbeiten."
Grüner Wandel soll gefördert werden
Die Europäische Union konzentriert sich mit ihrem Wirtschafts- und Investitionsprogramm nicht so sehr auf Verkehr und Infrastruktur, wie das China bislang getan hat. Die Geldgeber aus Peking haben Transportwege, Eisenbahntrassen, Häfen und Straßen ausgebaut, die auch dazu dienen, Container mit Waren aus China schneller verschiffen zu können. Die EU will nach eigenen Angaben mit ihrem globalen Tor vor allem umweltfreundliche, nachhaltige und grüne Projekte in Bereichen wie Energie, Medizin und Erziehung fördern.
Das erste große Projekt war denn auch der Aufbau einer Impfstoffproduktion in Ghana, Ruanda, Senegal and Südafrika im Jahr 2022. Inzwischen gibt es 90 große "Global-Gateway"-Unternehmungen weltweit mit einem Wert von rund 66 Milliarden Euro. In Brüssel wurden während des Gipfeltreffens, zu dem allerdings nur einige Regierungschefs persönlich angereist waren, weitere Abkommen unterzeichnet.
Die Premierministerin von Bangladesch, Sheikh Hasina, unterschrieb eine Vereinbarung zum Ausbau erneuerbarer Energie in ihrem Land mit EU-Mitteln. Der stellvertretende Ministerpräsident von Vietnam, Tran Hong Ha, sicherte sich Zusagen für den grünen Umbau der Energiewirtschaft. Mit weiteren Abkommen will sich die EU den Zugang zu Mineralien und seltenen Erden in Afrika sichern.
Private Investoren sollen eingebunden werden
Anträge für Projekte aus den Partnerstaaten prüfen die EU-Kommission und die Europäische Investitionsbank (EIB) in Luxemburg, die bei der Finanzierung eine wichtige Rolle spielt. Ein großer Teil der nötigen Investitionen soll aber von privaten europäischen Unternehmen kommen, die anders - als bei der chinesischen Initiative - stärker beteiligt werden sollen. Kommissionspräsidentin von der Leyen will "die Feuerkraft führender Unternehmen mobilisieren". Das Zauberwort sei "öffentlich-private-Partnerschaft".
Die deutschen Maschinenbau-Unternehmen zum Beispiel, führend in Europa, begrüßen den "Global Gateway" der Europäer grundsätzlich und wollen sich beteiligen. Ulrich Ackermann vom deutschen Industrieverband VDMA fordert eine schnelle Umsetzung der Projekte. "Dabei sollte die EU auf ihre Prinzipien setzen: eine transparente und an Nachhaltigkeitskriterien orientierte Ausschreibung der Projekte, eine Vorab-Berechnung der Rentabilität der Investitionen sowie Maßnahmen zur Verhinderung von Korruption. Vor allem sollten die international anerkannten technischen Standards gelten. Damit würde ein Gegengewicht zu den zurecht kritisierten Schwächen der chinesischen 'Belt-and-Road'-Initiative gesetzt", sagte Industrie-Lobbyist Ulrich Ackermann.
Chinesischer Einfluss auf europäische Initiative?
Die Zeitung "South China Morning Post" aus Hongkong hatte in einem Artikel zum "Global Gateway" nahegelegt, China könne über seine Beteiligung an europäischen Firma indirekt Einfluss auf Entscheidungen nehmen. Die EU lässt sich seit September im "Global Gateway" von einer Gruppe großer Unternehmen beraten. Dazu gehören etwa Siemens, Volvo, Alstom oder Maersk, die selbst Geschäftsinteressen in China haben. Chinesische Firmen wiederum halten große Anteile am portugiesischen Versorgungsunternehmen EDP oder dem Hafen von Antwerpen, die ebenfalls im Beratungsgremium vertreten sind.
Beamte der EU-Kommission, die mit dem "Global Gateway" befasst sind, weisen darauf hin, dass die EU-Initiative nicht exklusiv sei. Man wolle sich von Risiken im China-Geschäft befreien, sich aber nicht von China abkoppeln. So steht es jedem Partnerland frei, sich sowohl am "Global Gateway" als auch gleichzeitig an der chinesischen "Belt-and-Road"-Initiative zu beteiligen. Das machen auch zahlreiche Staaten, wie zum Beispiel Serbien oder Bangladesch.
Der chinesische Außenminister Wang Yi sagte beim Gipfeltreffen der "Belt-and-Road"-Initiative vergangene Woche in Peking, er könne sich vorstellen, dass man mit der Initiative der Europäischen Union auf irgendeine Art zusammenarbeite. Man müsse Konkurrenz auch von ihrer positiven Seite sehen. "Vorteile Chinas und des Westens" ließen sich kombinieren. Am Treffen in China nahmen 10.000 Delegierte teil.
"Keine Unterschiede bei Standards"
Jean Saldanha, Direktorin des Netzwerkes für Schulden und Entwicklung, einer entwicklungspolitischen Lobbygruppe in Brüssel, bemängelt am europäischen Fördermodell, dass auf Standards wie Menschenrechte oder gute Regierungsführung kein besonderer Wert gelegt werde. "Im Grunde läuft es darauf hinaus, dass Europa versucht mit China zu konkurrieren. Nicht weniger und nicht mehr", sagte Saldanha der DW am Rande des Wirtschaftsgipfels. "Wir werden erst in einigen Jahren sehen, ob das funktioniert. Im Moment gibt es keine großen Unterschiede."