EU umwirbt ASEAN-Staaten mit Handelsabkommen
14. Dezember 2022Die Europäische Union will trotz Differenzen bei Themen wie Menschenrechten und Handel enger mit dem südostasiatischen Staatenbund ASEAN zusammenarbeiten und damit auch den Einfluss von China und Russland begrenzen. Bei einem Gipfeltreffen der beiden Organisationen in Brüssel kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Investitionen in Höhe von zehn Milliarden Euro an. Das Geld soll die Wirtschaft und die Unabhängigkeit von Ländern wie Indonesien und Thailand stärken, Arbeitsplätze schaffen und den Kampf gegen den Klimawandel fördern.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte, auf der geopolitischen Bühne finde ein Kampf der Angebote statt. Wenn man nicht von anderen Akteuren überholt werden wolle, müsse man sich mehr engagieren und mehr investieren. Die ASEAN-Region habe eine pulsierende Wirtschaft und werde in den kommenden Jahren "wachsen und wachsen".
Partnerschaft nicht nur reibungslos
Indonesiens Präsident Joko Widodo betonte, dass die Partnerschaft zwischen der EU und ASEAN nicht ohne Probleme ablaufe. Es träten immer wieder Schwierigkeiten auf. "Wenn wir daher eine bessere Partnerschaft aufbauen möchten, dann muss diese auf Gleichheit beruhen", sagte er. Es könne nicht sein, dass Meinungen aufgezwungen würden oder dass ein Partner dem anderen etwas vorschreibe und glaube, dass seine Standards besser seien. Was genau damit gemeint war, ließ Widodo indes offen.
Der Gipfel der Staats- und Regierungschefs wurde zum 45-jährigen Bestehen der diplomatischen Beziehungen zwischen der Europäischen Union und ASEAN organisiert. Es war nach Angaben der EU der allererste in diesem großen Format. Bislang wurde in der Regel auf Ministerebene getagt.
Zum Verband südostasiatischer Nationen gehören derzeit Laos, Brunei, Kambodscha, Indonesien, Malaysia, Myanmar, die Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam. Die Führung Myanmars ist nach dem Militärputsch 2021 jedoch nicht eingeladen.
Noch keine Einigung auf Freihandelsabkommen
Für Deutschland nahm Bundeskanzler Olaf Scholz teil, der auch den französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron vertrat, der zum Halbfinalspiel der Fußballweltmeisterschaft in Katar gereist war.
Von der Leyen sicherte bei dem Gipfel auch zu, dass die EU weiter das Projekt eines Freihandelsabkommens mit dem Staatenbund vorantreiben werde. "Ich glaube, wir müssen jetzt die Gelegenheit ergreifen", sagte sie. Verhandlungen zu einem EU-ASEAN-Handelsvertrag waren in der Vergangenheit nicht vorangekommen und pausiert worden.
Der philippinische Präsident Ferdinand Marcos Junior rief die EU beim Gipfel dazu auf, ihre Vorschläge für das Abkommen anzupassen. "Wir fordern die EU auf, den Umfang und den Geltungsbereich ihres vorgeschlagenen Freihandelsabkommens auf das abzustimmen, worauf sich die ASEAN-Staaten derzeit gemeinsam einigen können", sagte er. Dann könne man bei den Verhandlungen konkrete Fortschritte erzielen.
Wichtiges Bündnis, um Multilateralismus zu stärken
Die zehn ASEAN-Länder zusammen sind nach Angaben der EU-Kommission einer der wichtigsten Handelspartner der EU. Sie stehen nach China und den USA direkt auf Platz drei. Das gilt auch umgekehrt: Für den ASEAN ist die EU ebenfalls der drittwichtigste Handelspartner.
2021 betrug das Volumen des Warenhandels zwischen der Europäischen Union und ASEAN knapp 216 Milliarden Euro. Die EU exportiert unter anderem Chemikalien und Maschinen in die Länder, die ASEAN-Länder zum Beispiel landwirtschaftliche Erzeugnisse, Textilien und Bekleidung. Hinzu kommt der Dienstleistungssektor: 2019 lag das Volumen der EU-Kommission zufolge bei 93,5 Milliarden Euro. Bislang gibt es aber nur zwei bilaterale Handelsabkommen zwischen der EU und den ASEAN-Ländern Vietnam und Singapur.
Kambodschas Ministerpräsident Hun Sen - der in diesem Jahr auch den ASEAN-Vorsitz innehat - hatte den Gipfel zum Auftakt als wichtigen Meilenstein in den Beziehungen der beiden Organisationen bezeichnet. Der Multilateralismus stehe unter hohem Druck. Daher müssten ASEAN und die EU künftig Hand in Hand agieren, um zu gewährleisten, dass die regelbasierte internationale Ordnung inklusiv, offen, transparent und von Vorteil für beide Seiten sein werde, sagte er.
los/sti (dpa, ap, afp, rtr)