EU: Sanktionen gegen staatliche Nötigung
8. Dezember 2021China hat in der vergangenen Woche einen Importstopp für Waren aus dem EU-Land Litauen verhängt. Dabei geht es nicht um einen Handelskonflikt; China will erreichen, dass Vilnius seine freundliche Politik gegenüber Taiwan ändert. Litauen hat Taiwan die Eröffnung einer Art Botschaft erlaubt. Taiwan aber wird von China als abtrünnige Provinz betrachtet. Dieses jüngste Beispiel einer "wirtschaftlichen Nötigung", um politische Willfährigkeit zu erreichen, will der EU-Kommissar für Wirtschaft und Handel, Valdis Dombrovskis, demnächst mit einem neuen Instrument im Sanktions-Werkzeugkasten der EU unterbinden.
Dombrovskis stellte am Mittwoch nach zehn Monaten Vorbereitung einen Plan vor, wie die Gängelung einzelner Mitgliedsstaaten oder der gesamten EU verhindert werden soll. Diese "Anti-Nötigungs-Werkzeuge", so der Vizepräsident der EU-Kommission, sollen Importverbote, den Entzug von Zulassungen für bestimmte Warengruppen in der EU, die Sperrung von EU-Zuschüssen oder die Verweigerung von Forschungsgeldern umfassen. Die neuen Werkzeuge sollten hauptsächlich abschreckend wirken, wünscht sich Valdis Dombroviskis. Zunächst solle mit dem Staat verhandelt werden, erst danach sollten Taten folgen. "Das hat einiges Potenzial", lobt der Finanzexperte der konservativen EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, Markus Ferber. "Allerdings muss man dann auch gewillt sein, die Instrumente wirklich einzusetzen."
"Bereit zurückzuschlagen"
Im Vorfeld der Präsentation hatten EU-Beamte von einem "Hammer" gesprochen, den die EU-Kommission demnächst im geopolitischen Ringen mit China und anderen Staaten schwingen könne. Valdis Dombrovskis, der EU-Kommissar, gab sich etwas bescheidener und sprach lediglich von einem "kraftvollen Werkzeug". "Wir sind bereit, uns zu verteidigen. Wenn nötig, werden wir nicht zögern zurückzuschlagen", sagte der Kommissar aus Lettland.
Die EU-Kommission will die Gegenmaßnahmen gegen "Nötigung" schnell anwenden können. Anders als bei den heute üblichen politischen Sanktionen soll nicht mehr die einstimmige Zustimmung der EU-Mitgliedsstaaten notwendig sein. Eine qualifizierte Mehrheit würde reichen.
Dass die Mitgliedsstaaten dieses Verfahren tatsächlich billigen werden, hält der EU-Parlamentarier Markus Ferber allerdings für zweifelhaft. Schon bevor der Vorschlag publik wurde, hatten sich Staaten wie Schweden oder Tschechien gegen die neuen Werkzeuge ausgesprochen. Sie befürchten mehr eskalierende Handelskriege und eine Zunahme des Protektionismus. Valdis Dombrovskis versprach, dass die Maßnahmen gegen "Nötigung" natürlich nach internationalem Recht, also den Regeln der Welthandelsorganisation folgend, eingesetzt würden. Außerdem habe sich die Kommission monatelang mit Wirtschaftsverbänden und Lobbygruppen beraten, um die Folgen der Gegenmaßnahmen auf die eigene Wirtschaftstätigkeit abzuschätzen.
Nicht nur China im Visier
Der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europäischen Parlament, Bernd Lange (SPD), begrüßte den Vorschlag der EU-Kommission. Genau das brauche man in "einer rauen geopolitischen Landschaft". EU-Kommissar Dombrovskis wollte keine konkreten Staaten nennen, gegen die sich das neue "Anti-Nötigungs-Instrument" richten solle. Auch konkrete Fallbeispiele nannte er nicht. Nur so viel: Es gehe nicht nur um China.
In Brüssel wird spekuliert, dass die Kommission auch Großbritannien im Auge haben könnte, das durch Verstöße gegen Zollvorschriften und einen Streit um Fischfangrechte mit Frankreich neue Verhandlungen über das Brexit-Abkommen mit der EU erzwingen will. Auch gegen die erratische Handelspolitik des früheren US-Präsidenten Donald Trump hätte man diese Werkzeuge vielleicht in Stellung bringen können. Aber Trumps Handelskriege hat die neue Biden-Administration fast gänzlich beendet oder eingefroren.
Das Europäische Parlament und die Mitgliedsstaaten müssen die neuen Werkzeuge noch billigen. Das kann erfahrungsgemäß noch viele Monate dauern. "Ich hoffe auf eine zügige Einigung", meinte Valdis Dombrovskis. Litauen wird der "Hammer" im aktuellen Konflikt mit China wohl noch nicht helfen können.