Ein "brutales" Abkommen?
19. Juli 2019In der EU mehren sich die Bedenken gegen das Freihandelsabkommen mit dem südamerikanischen Handelsbündnis Mercosur, dem die Länder Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay angehören. Das Abkommen von Ende Juni könnte, so die Kritiker, die Normen zum Schutz europäischer Produzenten und Verbraucher verwässern. Die Sorgen werden den Ratifizierungsprozess nicht einfacher machen.
Spanische Zitrusfruchtbauern fordern besondere Kontrollen beim Import südamerikanischer Früchte, weil diese von bestimmten Schädlingen befallen sein könnten. Französische Landwirte verlangen Sicherheiten, dass die rund 100.000 Tonnen südamerikanischen Rindfleisches, die jährlich auf den europäischen Markt gelangen sollen, garantiert ohne Hormonzusätze produziert wurden.
Umweltorganisationen fordern einen verbindlichen Mechanismus, der sicherstellt, dass keine Produkte auf den europäischen Markt kommen, die aus dem Amazonasgebiet stammen und deren Produktion dort zur Umweltzerstörung beiträgt. Die Liste der Bedenken und Forderungen ließe sich noch endlos weiterführen.
Die Europäische Kommission ist optimistisch
Die EU-Kommission in Brüssel bekräftigt, dass es keine Aufweichung der strengen EU-Vorschriften zur Lebensmittelsicherheit geben werde. Weder die EU noch die Mercosur-Staaten würden ihre Arbeits- und Umweltstandards senken, so Brüssel. Auch das Vorsorgeprinzip solle eingehalten werden - es regelt, dass die beiden Parteien die Einfuhr von Produkten des jeweiligen Vertragspartners verbieten können, wenn deren schädliche Wirkung nicht ausgeschlossen werden kann. Dieses Prinzip ist besonders relevant, da gentechnisch verändertes Soja in der EU verboten ist. In den Ländern des Mercosur ist es nicht nur erlaubt, sondern in Form von Tierfutter auch weit verbreitet. Wie sollen nun die hohen EU-Standards im Handel mit dem Mercosur eingehalten werden?
"Das geht nur, wenn vor Ort in Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay strenge Kontrollen durch nationale Behörden durchgeführt werden", erklärt der deutsche EU-Abgeordnete Helmut Scholz gegenüber der DW. Scholz ist Mitglied des Parlamentsausschusses für Internationalen Handel. Für die Sicherstellung dieser Kontrolle könne man keine EU-Mittel zur Verfügung stellen, so Scholz. "Dies wäre sehr fragwürdig." Seiner Ansicht nach müssten die produzierenden Länder selbst für die flächendeckenden Kontrollen aufkommen. EU-Hilfen könnten höchstens dazu verwendet werden, um beispielsweise "kleineren Produzenten bei der Einhaltung der Normen zu helfen".
Aufgrund der vielen offenen Fragen drängen die Kritiker des Abkommens auf konkretere Aussagen seitens der EU-Kommission. "Inwieweit kann Brüssel garantieren, dass die Lateinamerikaner dasselbe von ihren Produzenten verlangen werden, was hier von uns verlangt wird?", fragt Andoni García Arriola vom Dachverband der spanischen Landwirte. "Wir wollen, dass die Rückverfolgbarkeit für die gesamte Produktionskette gewährleistet ist", so Garcia gegenüber der DW. "Die Kontrollen müssen in der Produktion selbst ansetzen, um sicherzustellen, dass Gentechnik und Hormone nicht in der Tierhaltung eingesetzt werden."
"Brutales Abkommen"
Die Zusicherungen, dass sich an den EU-Standards nichts ändern werde, sind seiner Ansicht nach pure Heuchelei. "Dieser massive Import von Fleisch aus den Mercosur-Ländern ist eine große Gefahr für die nachhaltige Tierhaltung in Europa", beklagt García und verweist dabei auch auf das Pariser Klimaabkommen, das eigentlich auf eine Verringerung der Massentierhaltung drängt. "Aufgrund des hier favorisierten Geschäftsmodells ist dieses Abkommen brutal", betont García. Der Europaabgeordnete Helmut Scholz äußert sich zurückhaltender: "Wir müssen zuerst den vollständigen Text des Abkommens studieren. Ich bin aber schon etwas skeptisch, ob es tatsächlich effiziente Sanktionsmechanismen bei Verstößen gegen die Lebensmittelsicherheit und die Umweltstandards vorsieht."