1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

EU-Mammutprogramm vor Weihnachten

Barbara Wesel14. Dezember 2015

Ob Grenzschutzagentur Frontex, Griechenlandhilfe oder "Brexit" - in dieser Woche kommt in der Europäischen Union alles auf den Tisch, was vor den Feiertagen noch angeschoben werden soll. Aus Brüssel Barbara Wesel.

https://p.dw.com/p/1HNAQ
Ungarn errichtet Zaun an der Grenze zu Serbien (Foto: Getty Images/AFP)
Bild: Getty Images/A. Kurucz

An Themen mangelt es dem EU-Gipfel an diesem Donnerstag und Freitag nicht. Und auch abseits des Gipfels steht noch einiges auf dem Programm der EU. In der Außenpolitik könnte es gelingen, mit einem Abkommen für eine Einheitsregierung in Libyen wenigstens eine der vielen offenen Baustellen zu schließen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hofft darauf, selbst wenn das Land danach viel Hilfe brauchen werde. In Syrien allerdings liegen Verhandlungsfortschritte noch fern. Und die EU appelliert weiterhin an die Türkei, im Nachbarland Syrien und in der Flüchtlingsfrage Europa zu unterstützen.

Neue Truppe für Außengrenzen

Am Dienstag stellt die EU-Kommission ihren Plan für eine Europäische Grenzschutztruppe vor. Sie soll ein stehendes Korps von rund 1500 Polizisten umfassen, kurzfristig einsatzbereit sein und eigene Schiffe und Hubschrauber bekommen. Bisher war die Grenzschutzagentur Frontex auf die Hilfe der Mitgliedsländer angewiesen und hatte kein ausreichendes Mandat. Künftig soll Brüssel die neu formierte Truppe auch gegen den Willen eines Mitgliedslandes einsetzen können, um Außengrenzen zu bewachen. Griechenland etwa hatte sich nachhaltig geweigert, dabei europäische Hilfe anzunehmen.

"Unsere Außengrenzen sind gemeinsame Grenzen. Und wir waren jüngst nicht in der Lage, sie im Notfall zu schützen", erklärt der Vizepräsident der EU-Kommission Frans Timmermans. Darüber hinaus soll Frontex künftig auch für die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber einsetzbar sein. Der Vorstoß der EU-Kommission geht auf eine deutsch-französische Initiative Anfang des Monats zurück. Bundesinnenminister Thomas de Maizière: "Wir haben in Europa fest verabredet, dass Staaten mit einer EU-Außengrenze für einen sicheren Schutz Sorgen." Das sei Grundlage für den Wegfall der Binnengrenzen im Schengenraum gewesen. Und Bundesaußenminister Steinmeier bekräftigt in Brüssel, dass eine Stärkung von Frontex helfen könne, die Außengrenzen besser zu kontrollieren.

Flüchtlinge in Griechenland warten auf Decken und Regenjacken (Foto: Getty Images/AFP)
Flüchtlinge in Griechenland warten auf Decken und RegenjackenBild: Getty Images/AFP/L. Gouliamaki

Willige für Flüchtlingsverteilung

Angeregt von Angela Merkel findet am Donnerstagvormittag eine Art Nebengipfel über die Verteilung von Flüchtlingen in Europa statt. Sie hat eine "Koalition der Willigen" versammelt, die aus den Hauptaufnahmeländern besteht, darunter Österreich, Schweden und Griechenland, und inzwischen zusätzlich von Frankreich unterstützt wird. Nach der Regionalwahl sieht die französische Regierung für sich hier wieder mehr Spielraum. Auch die Türkei wird teilnehmen, von der sich die EU vor allem erhofft, dass sie die Zuwanderung von Flüchtlingen bremsen wird.

In der Flüchtlingsfrage ist das Klima zwischen einem Teil der West- und der Osteuropäer vollends vergiftet, seit die Slowakei und Ungarn vor rund einer Woche Klage beim Europäischen Gerichtshof gegen die bereits geplante Umverteilung von nur 140.000 Flüchtlingen innerhalb der EU eingereicht haben. Deswegen suchen die deutsche und andere westeuropäische Regierungen verstärkt von Osteuropa unabhängige Lösungen.

Dieser Plan könne nur funktionieren, sagt Ska Keller, Europaabgeordnete der Grünen, wenn es zu einer "langfristigen und dauerhaften Einigung über ein Resettlement von Flüchtlingen in Europa" käme. Nötig seien 300.000 bis 500.000 Zusagen pro Jahr, damit ein solches Programm ein wirksames Signal gegen ungeregelte Migration setzen könne. Die Flüchtlinge müssten eine reale Chance zur Umsiedlung bekommen, damit "sie lieber zwei, drei Jahre warten, statt ins Boot zu steigen". Allerdings sieht sie für eine solche Lösung kurzfristig wenig Signale.

Brexit: Symbolbild aus EU-Flagge und Union Jack (Foto: picture alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/R.Peters

Debatte um Brexit

Die Sonderwünsche Großbritanniens, das seine Beziehungen zur EU reformieren will, wollen die Regierungschefs auf dem Gipfel ausführlich debattieren. Eine schnelle Lösung aber wird es nicht geben, nachdem Premierminister David Cameron erst im November mit halbwegs konkreten Forderungen herausgerückt war. Allerdings will der Premier seine Volksabstimmung über die EU-Mitgliedschaft schon im Sommer 2016 abhalten. Beschlüsse müssten also spätestens beim Frühjahrsgipfel gefasst werden, sagt der Europaabgeordnete David McAllister. Er gilt in dieser Frage als deutscher Kontaktmann hinter den Kulissen und erklärt, dass eine schnelle Einigung vor allem von der juristischen Feinarbeit der EU-Experten abhängen werde.

McAllister teilt die britischen Wünsche in drei Bereiche: Ziemlich leicht sei es, die Forderung nach mehr Wettbewerbsfähigkeit, Freihandel und Bürokratieabbau zu erfüllen. Da stimmen quasi alle EU Länder zu. Nicht einfach sei es, den nationalen Parlamenten mehr Rechte einzuräumen. Das aber könne man mit politischem Willen lösen. Schwieriger werde es dann, wenn es um den Schutz des britischen Finanzmarktes vor Entscheidungen in der Eurozone geht. "Alle verstehen das Anliegen der Briten", sagt McAllister. Aber es gebe einen europäischen Binnenmarkt mit Regeln für alle und die Eurozone mit 19 Mitgliedern, die gemeinsam vorankommen wollten. Da könne es ein Vetorecht der Briten kaum geben.

Nicht denkbar dagegen ist die gewünschte Ausnahme für EU-Arbeitsmigranten von britischen Sozialleistungen. "Das Prinzip der Nichtdiskriminierung ist wichtig", sagt der Europaparlamentarier dazu. Vor allem hier sei die Kreativität der Juristen gefragt, die eine Lösung finden müssen, die auch vor dem Europäischen Gerichtshof Bestand habe. Im Prinzip aber wolle kein Land in der EU einen Brexit, einen Austritt Großbritanniens, so betont McAllister, und es gebe den Willen, dem Staat entgegenzukommen: "Es geht um den schmalen Grat zwischen mehr Flexibilität und einem Europa à la carte". Solche Rosinenpickerei, von den Briten "Cherry Picking" genannt, wird die Runde der Regierungschefs ihrem Kollegen David Cameron nicht erlauben.