Kommission gegen Google
20. April 2016Die Google-Software Android steckt in über 80 Prozent der weltweit verkauften Smartphones, in Europa ist der Anteil mit gut zwei Dritteln kaum geringer. Doch die Kommission stört sich nicht an der Marktmacht als solcher. "In Europa kann man dominant sein, aber man darf seine beherrschende Stellung nicht missbrauchen", sagt EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager.
Genau dies vermutet aber die Kommission. Sie sei "besorgt, dass Googles Verhalten Verbrauchern geschadet hat, indem Wettbewerb und Innovationen behindert wurden", so die Dänin. Google lege den Herstellern von Android-Geräten und Mobilfunkbetreibern Beschränkungen bei der freien Wahl von Internet-Diensten auf.
Zwar ist kein Hersteller gezwungen, für seine Android-Smartphones oder -Tablets Google-Dienste zu installieren. Bietet er sie aber an, etwa Karten oder E-mail-Programme, muss er ein ganzes Paket von elf Apps vorinstallieren; Löschen ist nicht möglich. Den Ausschluss abgewandelter Android-Versionen nennt Google eine "Antifragmentierungsvereinbarung", die freiwillig sei. Google sagt, das sei notwendig, damit die verschiedenen Google-Dienste untereinander Daten austauschen könnten.
Der Kommission geht es darum, dass Gerätehersteller frei entscheiden können, welche Anwendungen sie auf ihren Smartphones oder Tablets vorinstallieren.
Google zeigt sich gelassen
FairSearch, ein Verband, in dem sich Kläger gegen Google wie Nokia oder Tripadvisor zusammengeschlossen haben, jubelt über die Eröffnung des Verfahrens: "Praktisch jeder Smartphone-Hersteller in der EU, der Google-Android benutzt, hat sich Googles Forderungen gebeugt. Das hat den Wettbewerb durch andere App-Anbieter unterdrückt und die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher verhindert", sagt Thomas Vinje, der als Rechtsberater für FairSearch arbeitet. Auch die Allianz deutscher Internetfirmen (IEF) begrüßt den Schritt der Kommission.
Für den CSU-Europapolitiker Markus Ferber, der auch Vorsitzender der Arbeitsgruppe Wettbewerbspolitik im Parlament ist, zeigt das Verfahren schon jetzt, "dass Google mit seiner dominanten Marktstellung nicht umzugehen weiß".
Google-Chefjustitiar Kent Walker dagegen kontert sehr freundlich: "Wir freuen uns, mit der Kommission zusammenzuarbeiten und zeigen zu können, dass Android gut für den Wettbewerb und gut für die Verbraucher ist." Unterstützung für Google kommt auch von James Waterworth, dem Vizepräsidenten des Verbandes der Computer- und Kommunikationsindustrie, CCIA: "Der Markt für Apps zeigt einen sehr hohen Grad an Wettbewerb", stellt er fest. Die Vorwürfe der Kommission seien "merkwürdig angesichts der Einfachheit, mit der Verbraucher Apps von Wettbewerbern herunterladen können". Waterworth verteidigt auch die Antifragmentierungsvereinbarungen, weil Entwickler damit leichter Apps anbieten könnten, die mit verschiedenen Geräten kompatibel seien.
Es geht um viel Geld
Schon vor einem Jahr hatte die Kommission Ermittlungen gegen Google bei Android eingeleitet. Doch der Streit mit Google ist noch älter. Schon seit 2010 warfen die EU-Wettbewerbshüter dem Internet-Konzern vor, durch gezielte Platzierung von Werbung in seiner Suchmaschine eigene Angebote zu bevorzugen.
Das Prozedere sieht jetzt so aus: Bisher spricht die Kommission nur von "Ermittlungen, die darauf schließen lassen", dass Google seine Marktmacht missbraucht. Sie hat ihre Beschwerdepunkte an Google geschickt. Das Unternehmen kann jetzt innerhalb von zwölf Wochen zu den Klagen Stellung nehmen.
Manchen dauert der Rechtsstreit bereits viel zu lange. Der Europaabgeordnete Markus Ferber drängt die Kommission, das Wettbewerbsverfahren voranzutreiben und bald zu einem Abschluss zu kommen. "Keinesfalls darf sich das Verfahren so lange hinziehen, dass reihenweise Wettbewerber vom Markt gedrängt werden. Gerade kleinere App-Hersteller können gegen Google nur dann bestehen, wenn es tatsächlich faire Wettbewerbsbedingungen gibt."
Es geht um eine Menge Geld. Nimmt man beide Wettbewerbsverfahren gegen Google zusammen und wird das Unternehmen verurteilt, droht ihm theoretisch eine Strafe von bis zu zehn Prozent der Verkaufserlöse. Das sind rund sieben Milliarden Euro.
Vestager trat auch dem Vorwurf entgegen, die Kommission habe es besonders auf amerikanische Firmen abgesehen; sie hat sich auch mit Apple, Amazon und McDonald's angelegt. "Wenn Marktbeherrschung zu einem Machtmissbrauch führt, haben wir ein Problem, darum geht's, egal, welche Flagge die Firma trägt", sagt sie.
Wie die Sache ausgeht, ist schwer abzusehen. Denn die Kommission will sich nicht mit halben Sachen zufriedengeben. Für sie kann eine Lösung nur "ganz einfach" so aussehen, dass die Vorinstallation von Google-Suche und Chrome-Browser keine Bedingung für die Integration von Google-Diensten mehr sind. Bisher weist Google die Vorwürfe des Marktmissbrauchs aber komplett zurück. Nach einem Kompromiss sieht es also bisher nicht aus.