EU hält an Sanktionen gegen Usbekistan fest
16. November 2006Nach der blutigen Niederschlagung der Demonstration in Andischan im Mai vergangenen Jahres hatte die Europäische Union Sanktionen gegen das Regime von Präsident Islam Karimow verhängt, die vorerst noch nicht aufgehoben werden. Das Waffenembargo gegen Usbekistan wurde um 12 Monate verlängert. Diejenigen Staatsvertreter, die an der Niederschlagung des Aufstands in Andischan beteiligt waren, dürfen für mindestens weitere sechs Monate nicht in die EU einreisen. Dennoch signalisiert die EU, zu einem Dialog mit Usbekistan bereit zu sein. So begrüßte die EU den Vorschlag von usbekischer Seite, noch in diesem Jahr Gespräche über die Ereignisse von Andischan und deren Folgen zu führen. Außerdem bewertet die EU die Bereitschaft Usbekistans zu einem Dialog über Menschenrechtsverletzungen als positiv. Über die Sanktionen gegen Usbekistan möchte die EU in drei Monaten wieder beraten. Wenn sich bis dahin die Lage im Lande ändere, könnten sie gelockert werden.
Warnung vor usbekischer Führung
Viele Experten sind der Ansicht, die Politik gegenüber dem Karimow-Regime dürfe nicht geändert werden. Der Grünen-Abgeordnete im Deutschen Bundestag, Volker Beck, meint, man könne nicht davon ausgehen, dass sich die Lage in Usbekistan verbessern werde. Er sagte, für "bloße Zusagen" der usbekischen Führung dürfe man die Sanktionen gegen Taschkent nicht aufheben. Beck wörtlich: "Die usbekische Regierung ist von ihrem Stil her dazu geneigt, alle möglichen Erklärungen zu unterschreiben und dann für die Verbesserung der Menschenrechtslage nichts zu tun. Mein Eindruck von meinem Besuch letzten Monat in Usbekistan ist, dass die Menschenrechtslage dramatisch schlecht ist, dass sie sich eben seit dem Aufstand in Andischan weiter verschlechtert hat. Gesprächspartner von uns wurden nach unserer Rückreise verhaftet und von den usbekischen Sicherheitsbehörden unter Druck gesetzt." Das sei kein Signal, auf dessen Grundlage man die Sanktionen lockern könne, so Beck. Er betonte ferner, es gebe bis heute keine internationale Untersuchung der Vorgänge in Andischan. Das Internationale Rote Kreuz habe immer noch keinen freien und ungehinderten Zugang zu den Gefängnissen.
Menschenrechtler: Entwicklung negativ
Die Reaktion der europäischen Menschenrechtler ist eindeutig: Die Sanktionen, auch wenn sie nur symbolisch seien, dürften nicht aufgehoben werden. Imke Dierßen von Amnesty International nannte folgende Gründe: "Die Menschenrechtssituation in Usbekistan ist sehr schlecht und sie hat sich in den letzten anderthalb Jahren, seit den Ereignissen von Andischan im Mai 2005, erheblich verschlechtert. Wir müssen leider erfahren, dass sich Menschen, die sich für Menschenrechte und für Demokratie einsetzen, kaum noch äußern können, ohne Gefahr zu laufen, verhaftet und in unfairen Verfahren zu langjährigen Haftstrafen verurteilt zu werden."
Kritik an EU-Sanktionen
Der im Exil lebende bekannte usbekische Oppositionelle Muhammad Salich befürwortet Sanktionen gegen Usbekistan. Er betonte gegenüber der Deutschen Welle: "Wir waren immer für einen harten Kurs der EU gegenüber Usbekistan, weil wir das Regime kennen." Salich meint aber, die Sanktionen seien zu schwach: "Sie waren unzureichend, aber sie schufen Karimow dennoch gewisse Unannehmlichkeiten. Er war gezwungen, sich auf Russland und China, aber auch auf ‚zweitrangige‘ Staaten zu konzentrieren. Er verlor das Gleichgewicht, könnte man sagen." Der Politologe Zaschpulat Juldaschew geht noch weiter und meint, die Sanktionen seien völlig sinnlos: "Die Sanktionen gegen Usbekistan sind nicht mehr als ein Mückenstich. Sie haben von Anfang an keinen Sinn gemacht." In Usbekistan selbst wird im Zusammenhang mit den EU-Sanktionen behauptet, im Lande seien russische Waffenstandards üblich. Was das Einreiseverbot in die EU für 12 usbekische Staatsvertreter betreffe, so dürften zwei von ihnen das Land nicht verlassen, da sie Träger von Staatsgeheimnissen seien. Die restlichen zehn hätten kein einziges Mal den Wunsch geäußert, nach Europa reisen zu wollen.
Kapitalfluss aus Europa
Unterdessen sind europäische Unternehmen, darunter auch deutsche, an Investitionen in Usbekistan beteiligt. Die deutsche MAN TAKRAF saniert die usbekische Kohleindustrie, was die Förderung des Rohstoffes verdoppeln soll. Besonders bezeichnend ist das "goldene Projekt". Mit deutscher Hilfe will Usbekistan die Goldproduktion von 84 auf mehr als 100 Tonnen jährlich steigern. Das dürfte Usbekistan den fünften oder sechsten Platz unter den größten Goldproduzenten der Welt sichern. Das mit dem Gold verdiente Geld steckt die usbekische Führung schon heute unter anderem in den Bau des modernsten Gefängnisses in Zentralasien.
DW-RADIO/Russisch, 13.11.2006, Fokus Ost-Südost