EU vs. Google: Verfahren Nummer Drei
14. Juli 2016Die Wettbewerbshüterin in der EU-Kommission bläst zum Großangriff auf den Internet-Konzern Google. Margrethe Vestager nimmt jetzt die Werbeanzeigen ins Visier, die Google für seine Kunden auf den Seiten von anderen Verkaufsplattformen platziert. Dieses Werbegeschäft macht etwa 90 Prozent der 74,5 Milliarden US-Dollar Umsatz von Google aus.
Die EU-Kommission wirft Google vor, unfair Konkurrenten aus dem Feld zu schlagen. Nach den Angaben von EU-Kommissarin Vestager hat Google in den letzten zehn Jahre exklusive Verträge abgeschlossen, um sich Wettbewerber vom Hals zu halten und die Werbung seiner Kunden auf dritten Seiten besser platzieren zu können. "Das alles geschah, um die beherrschende Marktstellung in diesem Online-Werbemarkt von 80 Prozent zu sichern", sagte Vestager vor der Presse in Brüssel.
Google habe erst in jüngster Zeit damit begonnen, diese Knebelverträge etwas zu lockern, nachdem die EU-Kommission mit ihren Ermittlungen begonnen habe. "Die Beherrschung eines Marktes, Größe allein, ist für uns noch kein Problem", sagte die Wettbewerbs-Kommissarin. "Das Problem beginnt, wenn die Dominanz missbraucht wird."
Google sieht kein Fehlverhalten
Der Google-Konzern hat jetzt einige Monate Zeit, um auf die neuen Vorwürfe der EU-Kommission in Brüssel zu reagieren. In einer ersten Stellungnahme wies das Unternehmen, das Teil der Holding-Gesellschaft Alphabet ist, zurück.
Man habe sich nicht wettbewerbswidrig verhalten. "Wir glauben, dass unser Innovationen und Produkt-Verbesserungen die Auswahl für europäische Verbraucher vergrößert und den Wettbewerb vorangebracht haben", schreibt Google.
EU-Kommissarin Vestager räumte ein, dass Google großartige Produkte auf den Markt gebraucht habe. "Die Suchmaschine hat unser aller Leben verändert." Aber gute Ideen gäben der Firma nicht das Recht, Wettbewerb zu verhindern und am Ende Verbrauchern zu schaden, weil sie weniger Auswahlmöglichkeiten hätten, argumentiert die Wettbewerbs-Kommissarin.
Mit der Attacke auf das Werbegeschäft hat das amerikanische Unternehmen Google bereits das dritte Verfahren am Hals.
Im April hatte die EU-Kommission dem Unternehmen vorgeworfen, sein Betriebssystem Android auf mobilen Telefonen dazu zu nutzen, auch andere Google-Produkte wie den Webbrowser Chrome oder die Google-Suchmaschine exklusiv auf diesen Telefonen zu platzieren. Schon seit sechs Jahren läuft ein Verfahren gegen Google, weil es eigene Produkte bei der Internetsuche von Verbrauchern immer in die oberen Plätze schiebt, egal ob diese relevanter sind als andere Ergebnisse.
Gegen diese Wettbewerbsverzerrung könnte die EU-Kommission mit empflindlichen Geldstrafen vorgehen. Bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes können als Strafe verhängt werden.
Noch mehr in der Pipeline?
Seit 2010 sind bereits drei Versuche gescheitert, den Streit zwischen der EU-Kommission und Google zu schlichten. "Je mehr wir uns mit den Google-Produkten und den Google-Märkten beschäftigen, desto mehr Beschwerden bekommen wir auch von möglichen Mitbewerbern und desto mehr finden wir auch", meinte ein EU-Beamter, der mit den Verfahren vertraut ist.
Tatsächlich kündigte EU-Kommissarin Vestager an, dass man derzeit auch die Beschwerden von Zeitungsverlagen, Medienhäusern und Fotoagenturen ernsthaft prüfe, die Google vorwerfen, ihre Inhalte so zu verwenden, dass massiv Urheberrechte verletzt würden.
Amerikanische Agenturen zitieren Quellen, laut denen die EU-Kommission in diesem Jahr erste Strafen gegen Google verhängen werde. Der amerikanische Finanzminister Jacob Lew hatte Margrethe Vestager am Mittwoch in Brüssel besucht und sie offenbar überzeugt, Google in dem zweiten Verfahren wegen des Android-Betriebssystem mehr Zeit für eine Reaktion einzuräumen. Die Frist läuft nun statt im Juli erst im September aus. Die US-Regierung sieht die vielen wettbewerbsrechtlichen und steuerrechtlichen Verfahren gegen US-Unternehmen wie Google, Apple, Amazon, Starbucks, McDonald's und andere sehr kritisch.
Aussitzen oder Einlenken?
Die EU-Kommission hatte 2012 nach zehn Jahren zähem Streit und einem Prozess vor dem Europäischen Gerichtshof von der Firma Microsoft insgesamt 2,2 Milliarden Euro an Strafen kassiert. Microsoft hatte sein Monopol beim Betriebssystem Windows ausgenutzt, um Mitbewerber klein zu halten.
Die Strategie von Google könnte sein, die Verfahren ebenfalls in die Länge zu ziehen. "Wenn man das nur nach Rentabilität beurteilt, ist es besser die Sache auszusitzen", sagte Thomas Vinje, der als Wirtschaftsanwalt Google-Konkurrenten berät, der Nachrichtenagentur Reuters. "Am Ende zahlt man dann vielleicht eine Strafe, aber die ist geringer als der Gewinn, den man über viele Jahre mit dem strafwürdigen Verhalten erzielen konnte."