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Streit um Flüchtlinge und "Brexit"

17. Dezember 2015

Von Weihnachtsfrieden keine Spur: Beim EU-Gipfel in Brüssel werden einmal mehr die Gegensätze in der Flüchtlingspolitik deutlich. Streit gibt es auch um die britischen Reformforderungen.

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Der britische Premier Cameron (l.) und Bundeskanzlerin Merkel (r.) beim Auftakt des Gipfels (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/Y. Herman

Der Ton in der europäischen Flüchtlingskrise wird rauer: Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann droht beim EU-Gipfel in Brüssel mit der Kürzung der EU-Beiträge seines Landes, wenn sich osteuropäische Länder nicht an der Aufnahme von Flüchtlingen beteiligten "So geht's nicht", sagte der Sozialdemokrat zum Gipfelauftakt zur Verweigerungshaltung mehrerer osteuropäischer Länder bei der Flüchtlingsaufnahme. Alle 28 EU-Länder müssten sich beteiligen, "da kann sich niemand wegdrücken", betonte Faymann.

Die meisten osteuropäischen Staaten bekommen mehr Geld von der EU als sie an Beiträgen zahlen - etwa weil Brüssel massiv den Aufbau von Infrastruktur fördert. Größte Nettoempfänger waren zuletzt Polen und Ungarn. Doch gerade diese Länder sperren sich vehement gegen die Umverteilung von 160.000 Flüchtlingen in der EU, um die Hauptankunftsländer Italien und Griechenland zu entlasten.

Merkel legt Fokus auf Schutz der Außengrenzen

Bundeskanzlerin Angela Merkel fordert eine rasche Umsetzung der Kommissionsvorschläge für einen gemeinsamen Schutz der EU-Außengrenzen. Sie werde den Vorstoß zum Aufbau einer europäischen Küstenwache und Grenzschutzpolizei auf dem Gipfel "sehr stark unterstützten", sagte die Kanzlerin bei ihrem Eintreffen in Brüssel. Auch wenn auf dem Treffen noch nichts entschieden werde, hoffe sie auf eine Empfehlung des Gipfels zu "sehr schnellen" Beratungen.

Die EU-Kommission hat den Aufbau einer neuen Grenz- und Küstenschutzbehörde vorgeschlagen. Demnach soll eine Art schnelle Eingreiftruppe auch gegen den Willen eines Mitgliedsstaates an dessen Außengrenze geschickt werden, wenn das betroffene Land seine Verpflichtungen zur Grenzsicherung nicht erfüllt. Das wäre ein Eingriff in die Souveränität der Mitgliedsstaaten, weshalb es in einigen Hauptstädten Vorbehalte gibt.

Der türkische Ministerpräsident Davutoglu, Österreichs Regierungschef Faymann und Bundeskanzlerin Merkel (von links) (Foto: dpa)
Der türkische Ministerpräsident Davutoglu, Österreichs Regierungschef Faymann und Bundeskanzlerin Merkel (von links)Bild: picture alliance/Kernmayer/Bundeskanzleramt

Vor Beginn des EU-Gipfels hatten sich Merkel, Faymann und mehrere andere Staats- und Regierungschefs des sogenannten Clubs der Willigen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu getroffen. Die Türkei ist das Haupttransitland syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge auf dem Weg nach Europa.

Freiwillige Kontingente

Die Bundeskanzlerin nannte das Treffen sehr gut. Gemeinsames Ziel sei es, die Migration "stark und deutlich zu reduzieren", sagte sie. Danach könne man auch darüber sprechen, aus der Türkei direkt Kontingente von Flüchtlingen aufzunehmen. Innerhalb der EU solle dies freiwillig sein. "Deshalb muss sich nicht jeder beteiligen", betonte Merkel angesichts des Widerstands einiger EU-Staaten. In der Türkei haben rund zwei Millionen Flüchtlinge aus Syrien Zuflucht gefunden. Um ihre Situation zu verbessern, will die EU Ankara mit drei Milliarden Euro helfen.

Nach Informationen der Deutschen Presseagentur kündigte Davutoglu bei dem Treffen an, sein Land wolle den Zustrom von Flüchtlingen aus Syrien mit der Einführung einer Visumspflicht bremsen. Sie solle vom 8. Januar an gelten. Dies meldet auch die "Bild"-Zeitung. Postwendend erklärte die syrische Regierung, türkische Staatsbürger würden künftig mit einer Visumspflicht zu belegt.

Umstrittene Forderungen Camerons

Beim zweiten Gipfelthema, den britischen Forderungen nach einer Reform der EU, bekommt Premier David Cameron erheblichen Gegenwind. Besonders umstritten ist das Ansinnen Camerons, dass zugewanderte EU-Bürger mindestens vier Jahre in Großbritannien gearbeitet haben müssen, bevor sie einen Anspruch auf bestimmte Sozialleistungen bekommen.

"Wir können nicht hinnehmen, dass unsere Bevölkerung diskriminiert wird", betonte Litauens Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite. Viele EU-Zuwanderer in Großbritannien kommen aus Osteuropa, aber auch aus dem Süden des Kontinents.

Merkel sagte, sie erwarte zu Großbritannien eine offene Aussprache. "Es sollte Möglichkeiten geben, hier Lösungen zu finden, wenn alle Seiten aufeinander zugehen. Deutschland ist dazu jedenfalls bereit. Wir wünschen uns Großbritannien weiter in der Europäischen Union", erklärte die Kanzlerin. Cameron will die Briten spätestens bis Ende 2017 über den Verbleib in der oder dem Austritt aus der EU, den sogenannten Brexit, abstimmen lassen.

wl/cw (dpa, afp, rtr)