Krisentreffen im Zeichen des Coronavirus
10. Februar 2020Janez Lenarcic, der EU-Kommissar für Krisen-Management, hat sich vor einer Monitorwand im Lagezentrum der EU in Brüssel aufgebaut. Hier werden normalerweiser Waldbrände, Überschwemmungen und andere Naturkatastrophen in Europa beobachtet. Jetzt sind hier auch Karten mit den bekannten Coronavirus-Erkrankungen in der EU zu sehen.
Die absolute Zahl der Fälle ist relativ niedrig. 37 Infektionen in acht EU-Staaten wurden bislang gemeldet. Mit 14 hat Deutschland die meisten Fälle zu verzeichnen, gefolgt von Frankreich mit elf. Das Risiko für die allgemeine Bevölkerung in Europa sich anzustecken, wird von der europäischen Seuchenkontrollbehörde (ECDC) in Stockholm als "sehr gering" eingeschätzt.
Höhepunkt noch nicht erreicht
Krisen-Kommissar Lenarcic warnte aber, "bevor es eine Besserung gibt, könnte es noch schlimmer werden." Mit anderen Worten, die EU-Krisenzentrale sieht den Höhepunkt der Epidemie noch nicht erreicht. Rund 500 EU-Bürger sind bislang aus China ausgeflogen worden und zurzeit in ihren Heimatländern in Quarantäne. Die Flüge werden von der EU-Krisenzentrale in Brüssel koordiniert und sollen weiter starten, falls das nötig ist.
Bei der Frage, ob die Flüge von und nach China oder Südostasien weiter eingeschränkt werden, verwies EU-Kommissar Janez Lenarcic auf die Zuständigkeit der einzelnen 27 Mitgliedsstaaten und kündigte an, dass sich die EU-Gesundheitsminister Ende der Woche zu einer Krisensitzung treffen werden. Welche konkreten Maßnahmen da besprochen werden sollen, konnte Lenarcic auf eine Frage der DW nicht sagen. Bislang haben die Lufthansa, British Airways, Air France, KLM, Swiss, Austrian Airlines, Finnair, SAS und Iberia ihre Flüge nach China bis in den März hinein eingeschränkt oder ausgesetzt. In Italien hat die Regierung sämtliche Flüge von und nach China verboten.
Christian Iacob ist einer der diensthabenden Beamten im Krisenzentrum. Er und seine Kollegen beobachten 24 Stunden am Tag den Verlauf der Infektionsraten weltweit.
"Bislang ist die Corona-Ausbreitung exponentiell angestiegen. Doch jetzt sehen wir seit kurzem eine Stabilisierung", erklärte Iacob und zeigte auf seinen Bildschirm. "Die grüne Zahl hier oben in den Ecke des Monitors zeigt an, wie viele Menschen sich nach einer Corona-Infektion erholen. Und die steigt eben auch an." Der EU-Beamte schreibt Lageberichte für die Mitgliedsstaaten und steht auch mit den chinesischen Behörden in Kontakt. "Bisher lief die Zusammenarbeit mit China gut. Sie sagen uns, was sie brauchen und wir schauen, welches Mitgliedsland etwas bereitstellen kann."
Gute Zusammenarbeit mit China
China hat weitere Hilfsgüter bei der EU angefordert. Atemmasken, Handschuhe und Schutzkleidung sollen demnächst geliefert werden, kündigte die EU-Kommission. Aus Deutschland und Frankreich waren bereits zwölf Tonnen Schutzausrüstung nach China geschickt worden.
Nach Einschätzung des EU-Kommissars für Krisenmanagement könnte der Ausbruch der Corona-Epidemie die Produktion in China negativ beeinflussen und die weltweilten Lieferketten unterbrechen mit entsprechenden Auswirkungen auf die globale Konjunktur. "Wichtiger als die wirtschaftlichen Folgen, die nicht zu unterschätzen sind, ist jetzt erst einmal die öffentliche Gesundheit", sagte der slowenische EU-Kommissar Janez Lenarcic. Mit 10 Millionen Euro will die EU-Kommission die schnelle Entwicklung eines Impfstoffes gegen den neuartigen Coronavirus fördern.
Der EU-Krisenmechanismus ist nach Angaben der EU-Kommission jetzt vollständig aktiviert. Alle europäischen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus sollen in Brüssel koordiniert werden. Im Falle eines Falles könnte jedes Teilnehmerland am Mechanismus, das sich überfordert sieht, Hilfe von anderen Mitgliedsländern anfordern. Dem Krisenzentrum sind neben Island und Norwegen auch die Beitrittskandidaten Nordmazedonien, Serbien, Montenegro, Türkei angeschlossen.
Zweifel an den Zahlen zu Todesfällen und Infektionen, die auch China gemeldet werden, hat der EU-Krisenkommissar nicht. "Wir haben keinen Grund daran zu zweifeln. Seit der internationalen Gemeinschaft der Ausbruch des Virus bekannt ist, war die Zusammenarbeit zwischen der EU-Kommission und China gut", meinte Janez Lenarcic in Brüssel.