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EU-Flüchtlingspolitik: Bedauern und Mauern

Christoph Hasselbach25. Oktober 2013

Jeden Tag erreichen neue Flüchtlingsboote Italien. Die Italiener wollen nicht mit dem Problem alleingelassen werden. Doch mehr als Abwehr fiel den anderen europäischen Staaten auf dem EU-Gipfel nicht ein.

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überfülltes Flüchtlingsboot Foto: picture-alliance/dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Passend zum EU-Gipfel war extra die Bürgermeisterin der italienischen Insel Lampedusa, Giusi Nicolini, nach Brüssel gekommen, um den versammelten Staats- und Regierungschefs ins Gewissen zu reden. "Sie haben alle diese Särge gesehen. Wir erwarten, dass sich etwas ändert." In Lampedusa kommen praktisch jeden Tag überfüllte Boote mit Flüchtlingen an, Anfang Oktober waren mehrere hundert von ihnen ums Leben gekommen. Die italienische Regierung fühlt sich von Flüchtlingen völlig überwältigt und will, dass die anderen Mitgliedsländern einen Teil der Menschen aufnimmt. "Wir brauchen eine europäische Strategie", so der italienische Ministerpräsident Enrico Letta, der das Thema extra auf die Tagesordnung gesetzt hatte.

Dublin soll bleiben

Bisher ist es in der EU so, dass Flüchtlinge nur in dem Land einen Asylantrag stellen können, wo sie europäischen Boden betreten. Dublin-II-Verordnung nennt sich das im Brüsseler Jargon. Flüchtlinge, die sich von Italien etwa nach Deutschland durchschlagen, können also von den deutschen Behörden nach Italien zurückgeschickt werden.

Kriegsschiff im Hafen Foto: Desiree Martin/AFP/Getty Images
Mission zur Abwehr von Flüchtlingen: Frontex-BootBild: Desiree Martin/AFP/Getty Images

Letta will sich mit dieser Situation nicht abfinden. Und er findet zum Teil auch Gehör. Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann fordert eine "Quote, an sich alle Länder halten". Das bedeutet, dass Flüchtlinge unabhängig davon, wo sie europäischen Boden betreten, auf die einzelnen EU-Länder je nach deren Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft aufgeteilt werden. Auch die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite, deren Land im Moment die Ratspräsidentschaft hat, sieht in der Flüchtlingsfrage "nicht nur ein südeuropäisches Problem, das ist ein gesamteuropäisches Problem." Sie räumt aber freimütig ein: "Heute ist Europa nicht bereit, so viele Flüchtlinge aufzunehmen, wie es wahrscheinlich aufnehmen könnte."

Flucht von vornherein verhindern

Denn darum geht es eigentlich: Die meisten Mitgliedsstaaten sind insgeheim froh, dass es die bestehende Regelung gibt. Sie wollen möglichst wenige Flüchtlinge aufnehmen. Am liebsten hätten sie, sie kämen gar nicht erst nach Europa.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte: "Es ist ganz wichtig, dass die Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländern gestärkt wird." Die sollen möglichst verhindern, dass die Boote überhaupt in See stechen. Auch die europäische Grenzschutzagentur Frontex soll gestärkt werden. Und der finnische Ministerpräsident Jyrki Katainen nannte als "größtes Problem den illegalen Menschenhandel", also die Schleuser, die die Flüchtlinge für viel Geld übers Meer bringen.

Einzelmaßnahmen soll eine Arbeitsgruppe bis Ende des Jahres ausarbeiten. Auch Merkel will aber am bestehenden Dublin-II-System festhalten. Und sie vergisst nicht zu betonen, dass Deutschland schon jetzt besonders viele Menschen aufgenommen hat.

Angst vor Spannungen

Es war der französische Präsident Francois Hollande, der am deutlichsten sagte, was er auf keinen Fall will: "Es geht nicht darum, alle aufzunehmen, die nach Europa kommen. Das wäre eine Illusion. Das würde Spannungen erzeugen, die es jetzt schon in unseren Ländern gibt." Hollande weiß, wovon er spricht. Er fühlt sich von der rechtsextremen Nationalen Front herausgefordert, deren ausländerfeindliche Parolen in weiten Teilen der französischen Gesellschaft ankommen.

Nationale-Front-Chefin Le Pen feiert Wahlsieg mit Anhängern und Trikoloren Foto: AFP/Getty Images
Die französische Nationale Front unter Marine Le Pen setzt auf AusländerfeindlichkeitBild: AFP/Getty Images

Doch auch in anderen europäischen Ländern wächst der Widerstand gegen Immigranten. So dürfte sich an der europäischen Flüchtlingspolitik grundsätzlich wenig ändern. Man äußert Bedauern über die Tragödie im Mittelmeer, aber alle Maßnahmen dürften eher auf die Abwehr von Flüchtlingen ausgerichtet sein.