Polizeigewalt in Kiew
30. November 2013"Die Ukraine hat so etwas noch nicht erlebt", so beschrieb der ukrainische Oppositionspolitiker Andrej Schewtschenko den Polizeieinsatz über den Kurznachrichtendienst Twitter. Schewtschenko gehört ebenso wie die inhaftierte Oppositionsführerin Julia Timoschenko der Vaterlandspartei an.
Nach Angaben der Opposition waren die Sicherheitskräfte mit Schlagstöcken gegen die Demonstranten vorgegangen. Dutzende Protestteilnehmer sollen festgenommen worden sein. Die Polizei nannte bislang weder die Zahlen von Verletzten noch von Festgenommenen.
Die Demonstranten hatten den Rücktritt von Staatschef Viktor Janukowitsch gefordert, weil dieser auf dem Osteuropa-Gipfel im litauischen Vilnius ein Assoziierungsabkommen mit der EU hatte scheitern lassen. Sie riefen Parolen wie "Revolution".
Die Kundgebung gegen den Regierungskurs hatte bereits am Abend begonnen. Rund 10.000 Menschen waren zusammengekommen und forderten eine Annäherung der Ukraine an die EU.
“Unser Recht ist uns gestohlen worden“
Staatschef, Regierung und Parlament hätten bei der Realisierung eines strategischen, geopolitischen Kurses der Ukraine versagt, hieß es in einer unter Applaus verabschiedeten Resolution. Und weiter: "Wir fordern Janukowitschs Rücktritt". Die Regierungsgegner machten ferner deutlich, ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten anstreben zu wollen. Der Politiker und Boxweltmeister Vitali Klitschko rief: “Unser Recht, in einem europäischen Land zu leben, ist gestohlen worden.“ "Nach Vilnius erinnert die Ukraine an Weißrussland", sagte der Fraktionschef der Vaterlandspartei, Arseni Jazenjuk mit Blick auf das autoritär regierte Nachbarland.
Die Kundgebung auf dem Maidan, dem Unabhängigkeitsplatz, verlief weitgehend ruhig. Nach ihrem Ende hatten noch Hunderte trotz klirrender Kälte auf dem zentralen Platz in Kiew aus, bis die Sondereinheiten die Versammlung gewaltsam auflöste.
Doch die Regierungsgegner lassen sich von der Polizei offenbar nicht abschrecken: Für Sonntag sind neue Massenproteste geplant.
Annäherung gegen Wirtschaftshilfe
Unter politischem Druck aus Moskau hatte Janukowitsch bereits vergangene Woche angekündigt, er werde ein schon ausgehandeltes Freihandelsabkommen mit der EU doch nicht unterzeichnen und stattdessen eine engere Bindung an Russland anstreben. Das Abkommen hätte am Freitag auf dem Osteuropa-Gipfel unterschrieben werden sollen.
Stattdessen hatte Janukowitsch klargestellt, dass er zwar grundsätzlich weiter am Ziel eines Abkommens mit der Europäischen Union festhalte. "Ich bestätige die Absicht der Ukraine, das Assoziierungsabkommen in naher Zukunft zu unterzeichnen", sagte er vor Journalisten in Vilnius. Vorher aber müsse die EU seinem Land Wirtschaftshilfe gewähren.
Bundeskanzlerin Angela Merkel, die während des Gipfels mit Janukowitsch gesprochen hatte, lehnte seine Forderungen nach erleichterten Bedingungen, etwa für einen Kredit des Internationalen Währungsfonds (IWF), allerdings ab.
cw/sti (dpa, afp)