EU von South-Stream-Aus unbeeindruckt
2. Dezember 2014Die Europäische Union will nach der Ankündigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, die Gaspipeline South Stream nicht weiter bauen zu lassen, ihre angestrebte Neuorientierung in der Energiepolitik strikt weiterverfolgen. Die Entscheidung zum Stopp der Gasleitung beweise die Wichtigkeit, Europas Energieversorgung auf viele verschiedene Quellen zu stützen, erklärte die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Kristalina Georgieva, in Brüssel. Durch die insgesamt 2380 Kilometer lange Pipeline wollte Russland pro Jahr bis zu 63 Milliarden Kubikmeter Gas durch das Schwarze Meer nach Bulgarien und von dort über Serbien bis nach Westeuropa pumpen.
"Energieversorgung muss unabhängiger von Moskau werden"
Die EU-Kommission will die neue Entwicklung auf dem nächsten Treffen zu South Stream zwischen der EU, Bulgarien und den weiteren betroffenen EU-Staaten erörtern, wie Georgievas Kollege, der für Energie zuständige Vizekommissionspräsident Maros Sefcovic, ergänzte. Dieses Gespräch soll "ungeachtet der jetzt von Putin gemachten Aussage" wie geplant am Dienstag kommender Woche stattfinden. Auch Sefcovic machte deutlich, dass der neuerliche Streit mit Russland die EU darin bestärke, sich in ihrer Energieversorgung unabhängiger von Moskau zu machen.
Der Kremlchef hatte am Montagabend bei seinem Besuch in der Türkei überraschend bekanntgegeben, dass Russland seine Pläne für den milliardenschweren Bau der Erdgasleitung zur Versorgung Europas aufgibt. Das Projekt sei durch die "Blockadehaltung" der EU sinnlos geworden, sagte er. "Das war's. Das Projekt ist geschlossen", betonte auch Gazprom-Chef Alexej Miller in Ankara. Putin kritisierte scharf, dass sich vor allem Bulgarien auf Geheiß der EU querstelle. "Die Position der EU-Kommission ist nicht konstruktiv und entspricht nicht den Wirtschaftsinteressen Europas", erklärte Putin.
Bulgarien rechtfertigt Position
Die bulgarische Regierung hat bislang keine offizielle Stellungnahme aus Moskau über die Aufgabe des Projekts erhalten, wie Vize-Ministerpräsidentin Meglena Kunewa in Sofia mitteilte. Zugleich machte die frühere EU-Kommissarin deutlich, dass ihre Regierung ein "wirtschaftlich günstiges Projekt" anstrebe und dass "das EU-Recht dabei eingehalten wird".
Sofia hatte nach massiven Bedenken aus Brüssel und Washington die Vorbereitung für den Bau des bulgarischen Abschnitts der South-Stream-Pipeline im Juni auf Eis gelegt, "bis das Projekt im Einklang mit den EU-Regeln" gebracht werde. Nach Auffassung der EU wird in den Vereinbarungen zu South Stream dem russischen Gas-Monopolisten Gazprom zu viel Kontrolle eingeräumt. Das einst kommunistische Balkanland Bulgarien hängt allerdings auch fast acht Jahre nach dem EU-Beitritt weitgehend von russischen Gaslieferungen ab.
Nach Informationen Moskauer Medien hat Russland bisher umgerechnet rund 4,66 Milliarden US-Dollar (etwa 3,74 Mrd. Euro) in das Projekt investiert. Der Energiegroßmacht macht derzeit der Sturz des Ölpreises schwer zu schaffen. Geschwächt wird die Konjunktur zudem durch die Sanktionen des Westens wegen der Ukraine-Krise. Westliche Experten schließen nicht aus, dass die wirtschaftliche Talfahrt zu der Entscheidung beigetragen haben könnte. Insbesondere vor dem Hintergrund des Ukraine-Konflikts ist das Milliardenprojekt zum umkämpften Faustpfand zwischen Moskau und der EU geworden.
South-Stream-Partner überrascht
Das in den Niederlanden ansässige Unternehmen South Stream Transport äußerte sich bislang nicht zu der neuen Entwicklung. Der niederländische Offshore-Betrieb Allseas, der die Pipeline durch das Schwarze Meer anlegen sollte, wurde von der Ankündigung Putins überrascht. "Wir beraten zur Zeit über unser weiteres Vorgehen", sagte Unternehmenssprecher Kris Hall der Deutschen Presse-Agentur in Delft. Auch die BASF-Tochter Wintershall, die mit 15 Prozent an South Stream Transport beteiligt ist, gab sich wortkarg.
Österreich forderte von Russland Erklärungen. "Wir wissen das nur über die Medien und weder Bulgarien noch andere Partner, die an dem Projekt mitwirken, haben offizielle Informationen. Im Endeffekt glauben wir, dass das eine noch zu klärende Angelegenheit ist", meinte Vizekanzler Reinhold Mitterlehner in Wien. Nach seinen Worten gibt es bislang keine Bestätigung dafür, dass Aufträge an österreichische Unternehmen für den Bau der Röhre storniert seien. Unter anderem sind der Stahlkonzern Voestalpine und der Energiekonzern OMV in das Projekt eingebunden.
se/cr (afp, rtr, dpa)