Eskalation in Nahost: Debatte um Bundeswehr-Hilfe für Israel
7. August 2024Ende Juli hielt sich Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) auf Hawaii auf. Dort, auf der Insel Oahu, nahmen zwei deutsche Kriegsschiffe, darunter die Fregatte "Baden-Württemberg", an einem Seemanöver teil. Aber auch weit entfernt vom Nahen Osten ließ die Zuspitzung der Lage zwischen Israel, der Hamas und dem Iran den deutschen Verteidigungsminister nicht los.
Fast flehentlich äußerte er sich im Gespräch mit der Deutschen Welle über den befürchteten Militärschlag des Iran auf Israel. "Wir wollen das nicht, und wir müssen unseren Einfluss geltend machen, auf alle Akteure dort, die Lage nicht eskalieren zu lassen. Alle dort müssen alles dafür tun, um so schnell wie möglich zum Frieden zurückzukehren", so Pistorius.
Erste Stimmen für Bundeswehreinsatz
In Deutschland ist derweil längst ein Parteienstreit darüber entbrannt, ob im Falle eines iranischen Angriffs auch die Bundeswehr aktiv werden sollte, um Israel zu schützen. Deutschland liefert bereits Waffen an Israel und unterstützt die dortige Regierung auch in vielen anderen Bereichen.
Ein Einsatz deutscher Soldaten war und ist bisher eigentlich unvorstellbar. Und so von israelischen Regierungen auch noch nie angefordert worden.
Dennoch sagte der Außen- und Sicherheitsexperte der CDU-Bundestagsfraktion, Roderich Kiesewetter, gegenüber dem Sender Deutschlandfunk, die deutsche Regierung müsse angesichts der sich zuspitzenden Lage "endlich aufwachen."
Denkbar sei die Betankung von Kampfflugzeugen befreundeter Nationen, aber auch der Einsatz von Eurofighter-Flugzeugen, um iranische Drohnen abzuwehren. Kiesewetter stellte aber klar: Ziele im Iran selbst dürften durch deutsche Soldaten nicht angegriffen werden.
Zustimmung vom Zentralrat der Juden
Ähnlich äußerte sich der Zentralrat der Juden in Deutschland. "Die historische Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels ist zwar nicht rechtlich bindend. Aber aus meiner Sicht bedeutet das natürlich, dass Deutschland im Falle eines Angriffes in der Größenordnung, wie er aktuell droht, auch militärisch an der Seite des jüdischen Staates steht", sagte Josef Schuster, Präsident des Zentralrates der Juden, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Mit der "historischen Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels" nach dem Holocaust, dem Mord an Millionen von europäischen Juden während des Zweiten Weltkrieges, ist der Begriff der "Staatsräson" gemeint.
Darunter wird häufig eine freiwilligen Verpflichtung Deutschlands verstanden, für die Sicherheit und Existenz Israels einzustehen. Gesetzesform hat die "Staatsräson" zwar tatsächlich nicht, wurde dennoch stets von bisherigen Bundesregierungen immer wieder betont.
Zur gegenwärtigen Zuspitzung im Nahen Osten war es nach dem tödlichen Angriff auf den politischen Chef der Hamas, Ismail Hanija, in Teheran gekommen. Die Hamas ist eine militante, islamistische, palästinensische Gruppe. Die Europäische Union, ebenso wie die USA, Deutschland und weitere Länder stufen die Hamas als Terrororganisation ein.
"Bundeswehr wurde nicht angefragt"
Bedeutet die "Staatsräson" auch, im Fall der Fälle deutsche Soldaten zum Schutz Israels abzustellen? So weit wie Kiesewetter mag noch kein weiterer deutscher Politiker gehen, nicht von der Opposition, und schon gar nicht aus der Regierung.
Ausweichend äußert sich etwa der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Johann Wadephul. Er sagte dem RND: "Szenarien wie eine militärische Unterstützung stehen nach unserer Kenntnis nicht auf der Tagesordnung. Dafür wäre ohnehin ein Bundestagsmandat vonnöten."
Ebenso formal antwortet der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marcus Faber (FDP): "Israel hat deutlich kommuniziert, wie wir helfen können", erklärte er. "Das sollten wir tun - etwa mit der schnellen Bewilligung von Rüstungsexporten. Die Bundeswehr in Israel wurde nicht angefragt und könnte wenig helfen."
Kampf gegen den IS in Jordanien und im Irak
Tatsächlich wäre die Bundeswehr kaum in der Lage, den Israelis wirklich zu helfen. Ähnlich wie Kiesewetter hält aber der FDP-Außenpolitiker Ulrich Lechte die Betankung von Kampfjets Verbündeter durch die Bundeswehr für möglich.
Und für die Grünen, wie die FDP einer der Regierungspartner in der Bundesregierung, sagte der Abgeordnete Sergey Lagodinsky in der Zeitung Tagesspiegel aus Berlin, dass die Präsenz der Bundeswehr in der Nahost-Region durch den Militäreinsatz gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) bereits gegeben sei. "Die Bundeswehr setzt seit 2015 im Irak und Jordanien bis zu 500 Soldaten ein, um etwa Flugzeuge der USA zu betanken".
Weitgehend bedeckt hielt sich die Bundesregierung auch am Mittwoch dieser Woche auf der Routine-Pressekonferenz in Berlin. Der Sprecher von Verteidigungsminister Pistorius, Arne Collatz, sagte: "Das ist kein Debattenthema für die Bundeswehr. Und wir wissen, was da politisch unternommen werden müsste, bevor überhaupt die Frage an die Bundeswehr gerichtet wird."
Mit anderen Worten: Einen Einsatz deutscher Soldaten an Israels Seite müsste der Bundestag mit Mehrheit beschließen, und diese Mehrheit gibt es im Moment nicht.