Katholische Kirche
18. Januar 2007DW-WORLD: Sie waren jetzt vier Tage in Israel und in den Palästinensergebieten. Ziel der Reise war es, die Christen dort zu unterstützten und den interreligiösen Dialog zu fördern. Wie genau sieht so etwas in der Praxis aus?
Ulrich Pöhner: Wir machen das ja jetzt schon zum siebten Mal. Es hat also mittlerweile eine gewisse Tradition erlangt. Es ist uns immer wichtig, nicht nur mit den Bischöfen hier vor Ort zu sprechen, sondern auch in die christlichen Gemeinden hineinzugehen. Die Besuche der Christen in Israel und Palästina machen etwa die Hälfte des gesamten Programms aus. Wir sprechen mit ihnen, um ihre Wahrnehmung der Situation kennenzulernen. Das ist für uns ein ganz entscheidender Punkt, damit wir nicht abheben und quasi politische Gespräche führen, sondern möglichst nah an den Gläubigen im Heiligen Land dran sind.
Wie ist denn die Stimmung unter den Christen dort zurzeit?
Da muss man unterscheiden. In Galiläa, also in Israel, ist die Stimmung gemischt. Einerseits gibt es Probleme, andererseits aber auch ein wachsendes Selbstbewusstsein. In den zurückliegenden Jahren haben wir dort durchaus eine unsicherere christliche Minderheit erlebt. Nun ist die Bereitschaft da, sich in Auseinandersetzung mit dem Staat Israel und im Kampf um die eigenen Rechte mit dem Bewusstsein "wir gehören hier" zu agieren. Das ist eine positive Entwicklung.
Sie haben mit dem Palästinenserpräsidenten Abbas und dem israelischen Vizepräsidenten Peres gesprochen. Geht es in diesem Gesprächen eher um Politik oder um Religion?
Da ging es in der Tat um politische Fragen und zwar in zweierlei Hinsicht: Zum einen mit Bezug auf den Friedensprozess, der im Wesentlichen zum Erliegen gekommen ist, der aber auch durch die neue Initiative der US-Außenministerin Condoleezza Rice zusammen mit Präsident Abbas und Ministerpräsident Olmert belebt werden soll. Wir haben also über Perspektiven für die Erneuerung des Friedensprozesses gesprochen.
Zum anderen ging es um die Belange der christlichen Kirchen und zwar sowohl auf palästinensischer Seite als auch auf israelischer Seite. Auf israelischer Seite haben wir sowohl im Außenministerium als auch im Gespräch mit Schimon Peres deutlich gemacht, dass wir es für inakzeptabel erachten, dass die Verhandlungen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Staat Israel über ein Grundlagenabkommen und bilaterale Fragen nicht wirklich zu einem Abschluss gebracht werden konnten - entweder weil bereits vorhandene Abkommen in der Knesset nicht ratifiziert wurden, oder weil in anderen Fragen erhebliche Schwierigkeiten bestehen. Das betrifft den Rechtsstatus der Kirchen, Eigentumsfragen und das Recht der Kirche soziale Dienste zu organisieren und Finanzzuschüsse dafür zu bekommen.
Für wie groß halten sie den Einfluss der katholischen Bischöfe auf die Politik?
Sie sind akzeptierte Gesprächspartner. Das wurde in allen Gesprächen, die wir hier geführt haben, deutlich gemacht. Es scheint uns aber auch notwendig zu sein, gegenüber der hiesigen Gesellschaft und der politischen Führung deutlich zu machen, dass diese Kirchen auch Unterstützung haben von der universalen katholischen Kirche. Auch hoffen wir, deren Möglichkeiten zu stärken - was nicht heißt, dass wir sie politisch munitionieren und stärker machen wollen. Wir machen keinen Druck in diesem Sinne, aber wir helfen mit dafür zu sorgen, dass diese Kirchen hier wahrgenommen werden und als wirkliche Gesprächspartner akzeptiert werden. Ich denke, das könnte auch erreicht werden.
In den letzten Wochen sah es in den Palästinensergebieten sehr dramatisch aus. Wie schätzen Sie die dortige Lage ein?
Wir haben über diese Dinge mit dem Palästinenserpräsidenten Abbas gestern gesprochen. Er hat sich zuversichtlich gezeigt, dass seine derzeitigen Bemühungen um eine Regierung der nationalen Einheit in Palästina Erfolg haben werden. Das ist zu wünschen, da die derzeit geteilte Regierung in Palästina zwischen einem Präsidenten der Fatah-Bewegung und einem Ministerpräsidenten der Hamas keine Lösung darstellt - insbesondere für eine internationale Anerkennung der palästinensischen Autonomiebehörde. Hier muss eine neue politische Konstellation geschaffen werden, damit Palästina wieder handlungsfähig ist und damit die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Palästinensern aufhören. Präsident Abbas hat signalisiert, dass er Lösungen sieht.
Ulrich Pöhner leitet die internationale Abteilung im Sekretariat der deutschen Bischofskonferenz