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Erstes Todesopfer bei Unruhen in Frankreich

7. November 2005

Die Unruhen in Frankreich haben ein erstes Menschenleben gefordert. Ein 60-jähriger Franzose, der von Jugendlichen angegriffen worden war, erlag seinen Verletzungen.

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Vermummte in Toulouse werfen Steine auf FeuerwehrleuteBild: dpa

Der am Montag (7.11.2005) nach tagelangem Koma gestorbene Jean-Jacques Le Chenadec und er hätten vor ihrem Haus in Stains im Unruhe-Département Seine-Saint-Denis diskutiert, als sie von einem vermummten Unbekannten angesprochen wurden, berichtete sein Nachbar. "Als wir geantwortet haben, dass wir über unsere Autos reden, hat er Jean-Jacques einen Fausthieb verpasst, und der ist hintenüber gefallen." Nach Polizeiangaben hatten die beiden Männer gut eine Stunde vor der Attacke brennende Mülleimer vor ihrer Hautür löschen wollen und waren dabei mit Steinen beworfen worden.

In der Nacht zum Montag erreichte die seit elf Tagen anschwellende Gewaltwelle einen neuen Höhepunkt. Mehr als 30 Polizisten wurden mit Schrot beschossen, zwei Beamte wurden schwer verletzt. Die Behörden meldeten Rekordzahlen von landesweit mehr als 1400 in Brand gesteckten Fahrzeugen und fast 400 Festnahmen. Randalierer zündeten auch Kirchen und Schulgebäude an. Das Auswärtige Amt in Berlin mahnte angesichts der Unruhen zu "besonderer Umsicht" bei Frankreich-Reisen.

Mehr Sicherheitskräfte

Premierminister Dominique de Villepin kündigte eine Aufstockung der Sicherheitskräfte und eine Ausweitung der Schnellverfahren gegen Unruhestifter an. "Wir können keine rechtsfreien Zonen akzeptieren", sagte Villepin am Sonntagabend nach einer Sitzung des nationalen Sicherheitsrats in Paris. Am Montagabend wollte er im Fernsehen "konkrete Vorschläge" vorlegen, wie seine Regierung die Unruhen in den Griff bekommen will.

11. Krawallnacht Frankreich - Ausschreitungen in Toulouse
Straßenschlacht in ToulouseBild: dpa

Nach Angaben von Frankreichs Polizeichef Michel Gaudin wurden Zwischenfälle aus insgesamt 274 Kommunen gemeldet. Die Randalierer seien, unbeeindruckt von zahlreichen Aufrufen zur Ruhe, "fast militärisch organisiert" und richteten ihre Angriffe "eindeutig gegen staatliche Einrichtungen und Institutionen". Brandsätze wurden gegen Schulen geworfen, Rathäuser, Polizeidienststellen und Finanzämter in Perpignan, Clermont-Ferrand und Nîmes, auch zwei Kirchen in Lens bei Lille und in Sète am Mittelmeer waren Ziel des Zerstörungswerks. In Evry bei Paris entdeckte die Polizei in einem Lagerraum direkt unterhalb eines Polizeibüros etwa 100 Molotow- Cocktails, von denen die Hälfte "bereit zum Einsatz" waren.

Bürgerwehren gegen Randalierer

Die Opposition warf der Regierung von Präsident Jacques Chirac vor, die Gewalt nicht in den Griff zu bekommen. Chirac hatte am Sonntag zu Ruhe und Ordnung aufgerufen. "Das Gesetz muss das letzte Wort haben", sagte der Präsident nach einer Krisensitzung des Kabinetts.

Derweil haben entnervte Bewohner damit begonnen, Bürgerwehren zu organisieren. "Heute Abend drehen wir die Runden, um Autos und Geschäfte zu bewahren. Wir wollen diesen Schlägern zeigen, dass wir keine Angst vor ihnen haben", sagte ein Bewohner von Drancy am Stadtrand von Paris. (mik)