Erste Geständnisse im VW-Skandal
4. Oktober 2015Laut einem Bericht der "Bild am Sonntag" haben mehrere Ingenieure bei Befragungen übereinstimmend ausgesagt, die Manipulations-Software im Jahr 2008 installiert zu haben. Zu diesem Zeitpunkt habe der Dieselmotor EA 189, der bei Volkswagen seit 2005 entwickelt worden war, kurz vor der Serienproduktion gestanden.
Dem Bericht zufolge sei damals keine Lösung gefunden worden, die angepeilten Abgasnormen mit den Kostenvorgaben für den Motor in Einklang zu bringen. Deshalb sei entschieden worden, die Manipulations-Software zu verwenden. Die befragten Mitarbeiter gaben offenbar an, man hätte andernfalls das für den Konzern überaus wichtige Motorenprojekt stoppen müssen. Die manipulierten Motoren waren weltweit in Diesel-Fahrzeugen von VW eingebaut worden. Allein in Deutschland sind 2,8 Millionen Autos betroffen.
Wer gab den Auftrag?
Unklar ist laut "Bild am Sonntag" nach wie vor, wer die Anweisung zur Installation der Manipulations-Software gegeben hat. In den Befragungen durch die Konzernrevision hätten mehrere Ingenieure Vorwürfe gegen den damaligen Entwicklungschef Ulrich Hackenberg erhoben. Dieser habe vom Betrug gewusst. Allerdings gibt es widersprüchliche Aussagen darüber, ob er den Auftrag dazu erteilt hat. Hackenberg, der seit 2013 die Entwicklung bei Audi leitet und auch im Vorstand des Unternehmens sitzt, war vor einer Woche beurlaubt worden. Gegenüber Medienvertretern hat er sich bislang nicht zu seiner Rolle im VW-Skandal geäußert.
Hans Dieter Pötsch, der den zurückgetretenen Martin Winterkorn im November als VW-Aufsichtsratschef beerben soll, sieht den Konzern offenbar in einer prekären Lage. Laut "Welt am Sonntag" soll Pötsch bei einer internen Veranstaltung in Wolfsburg von einer "existenzbedrohenden Krise" für das Unternehmen gesprochen haben. Gleichzeitig habe er erklärt, dass man die aktuellen Probleme überwinden könne, wenn alle mitzögen. Dem Bericht zufolge steht auch das geplante Investitionsbudget von mehr als 100 Milliarden Euro bis 2018 auf dem Prüfstand. Von Unternehmensseite wollte man die mögliche Maßnahme nicht kommentieren.
"Keine Gefahr für Wirtschaftsstandort"
Auf politischer Ebene ebbt die Enttäuschung über den Betrug bei VW nach wie vor nicht ab. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz attackiete den Autobauer mit scharfen Worten. "Das war ein Anschlag auf den Standort Deutschland, auf viele tausend Kunden und Arbeitnehmer", sagte der SPD-Politiker in einem Interview. Schulz forderte die rasche Einführung neuer Prüfverfahren, die Kontrollen müssten schärfer werden. Zugleich betonte er aber, dass VW ein starker Konzern sei, der alle Chancen habe, die Krise zu überstehen.
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel nimmt das Unternehmen in die Pflicht. "Ich hoffe, dass VW jetzt schnell die notwendige Transparenz herstellt und die Dinge aufarbeitet", erklärte sie im Deutschlandfunk. Allerdings sei dieses "einschneidende Ereignis" keine Gefahr für die Reputation der deutschen Wirtschaft im Ausland. "Das Vertrauen ist nicht so erschüttert, dass wir nicht weiter als ein guter Wirtschaftsstandort gelten", so Merkel.
djo/qu (afp, dpa, rtr)