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Erst die Dopingspritze, dann der Knast

Joscha Weber11. November 2014

Spitzensportlern, die in Deutschland zu unerlaubten Dopingmitteln oder -methoden greifen, drohen härtere Strafen. Die Bundesregierung legt den Entwurf für ein Gesetz vor, das Doper ins Gefängnis schicken soll.

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Symbolbild Doping (Foto: Andreas Franke)
Bild: picture alliance/Andreas Franke

Es war seine Hochzeitsnacht: Handball-Nationalspieler Michael Kraus wird in dieser Nacht an vieles gedacht haben - sicher aber nicht an einen Dopingkontrolleur. Doch genau der stand um 5.58 Uhr vor seiner Tür: zur Urinabnahme. Obwohl Kraus seine Hochzeit in das für Spitzensportler obligatorische Meldesystem ADAMS eingetragen hatte, stand früh morgens ein Vertreter der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) bei ihm auf der Matte. Kraus kritisierte den Zeitpunkt der Kontrolle als "sehr fragwürdig und schikanös". Die Episode vom 10. Oktober, die Kraus nun publik machte, zeigt zweierlei: Erstens hat die NADA den Handballer seit dessen drei verpassten Doping-Kontrollen offenbar auf dem Kieker und ficht derzeit auch dessen Freispruch an. Und zweitens: Es weht ein neuer Wind durch die Sportnation Deutschland.

Die Bundesrepublik macht ernst in Sachen Anti-Doping-Kampf. Nicht nur, dass die NADA deutlich mehr Geld erhält und damit die Kontrollen 2015 ausweiten will. Auch die deutsche Politik hat inzwischen die Relevanz des Themas erkannt - allerdings mit etwas Verzögerung. 2009 lehnte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) trotz zahlreicher Dopingskandale um deutsche Spitzensportler ein Anti-Doping-Gesetz noch ab: "Ich warne davor, sofort nach schärferen gesetzlichen Bestimmungen zu rufen", sagt er damals. "Ich glaube nicht, dass es bei Sportbetrug einen Paragraphen geben sollte. Betrug ist Betrug, egal, ob es sich um einen Unternehmer, einen Politiker oder einen Sportler handelt." Fünf Jahre später nun der Sinneswandel: De Maizière legte gemeinsam mit Justizminister Heiko Maas (SPD) einen Entwurf für ein Anti-Doping-Gesetz vor, das weitreichende Folgen für den deutschen Sport haben wird.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD, r) und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) (Foto: dpa)
Doping-Bekämpfung als gemeinsamer Nenner: Thomas de Maizière (l.) und Heiko MaasBild: picture-alliance/dpa

Bis zu drei Jahre Haft für Doper

Der Gesetz-Entwurf sieht für gedopte Sportler eine Höchststrafe von bis zu drei Jahren vor. Der Entwurf rückt den Sportler stärker in den Fokus. Waren Athleten über das Arzneimittelgesetz in Deutschland strafrechtlich praktisch kaum zu belangen, so drohen ihnen jetzt harte Strafen auch vor Gerichten außerhalb des Sports. Kern des Gesetzes sind das Verbot des Selbstdopings und die uneingeschränkte Besitzstrafbarkeit. Was im Juristendeutsch sperrig klingt, ist in Wahrheit ein riesiger Schritt für den Anti-Doping-Kampf hierzulande: Erstmals soll nach der Verabschiedung des Gesetzes, die im Frühjahr 2015 erfolgen soll, ein dopender Sportler für die Einnahme oder den Besitz von Dopingmitteln auch von einem ordentlichen Gericht bestraft werden können. Das Kalkül dahinter ist klar: Man setzt auf Abschreckung.

Tour de France - Auto der Schleck-Eltern durchsucht (Foto: dpa)
Andere machen es Deutschland vor: In Frankreich gibt es längst ein Anti-Doping-Gesetz, das auch Durchsuchungen erlaubtBild: picture-alliance/dpa

Diese soll allerdings nur auf Spitzen- und Profisportler zielen. Nur wer "mit dem Sport erhebliche Einnahmen erzielt", soll für Doping strafrechtlich belangt werden können. Konkret sollen dies die 7000 im Testpool der NADA gelisteten Spitzenathleten sein. Der Amateur- und Breitensport bleibt hier also außen vor. Hier fehle die wirtschaftliche Dimension des Betruges an den Konkurrenten und zudem sei eine Umsetzung des Gesetzes bei großen Breitensport-Veranstaltungen schwierig, heißt es. Die Gesetzgeber setzen hier also lieber auf Praktikabilität statt auf ein durchgängiges Verbot von Doping bis in den Freizeitsport hinein.

Zwischen Widerstand und Zustimmung

Im Zentrum des Gesetzes steht zwar die Bestrafung der dopenden Athleten, aber auch die Netzwerke dahinter sollen bestraft werden können. Konkret werden sich also Ärzte oder Betreuer, die Athleten mit Dopingmitteln versorgen, ebenfalls vor Gericht verantworten müssen. In besonders schweren Fällen, wie der Weitergabe von Doping an Minderjährige oder systematischem Mannschaftsdoping, sind sogar Haftstrafen von bis zu zehn Jahren möglich.

Dem Gesetzentwurf von de Maizière und Maas ging ein längerer Beratungsprozess voraus, der dem Vernehmen nach auch einen intensiven Austausch mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) beinhaltete. Letzterer sträubte sich lange gegen Doping-Prozesse außerhalb der Sportgerichtsbarkeit, muss nun aber einlenken - auch wenn die DOSB-Verantwortlichen die geplante Besitzstrafbarkeit weiterhin skeptisch sehen. Da der Gesetzesentwurf politisch angesichts des gemeinsamen Vorgehens von CDU und SPD ohnehin nicht mehr aufzuhalten ist, üben sich die Sportfunktionäre nun in breiter Zustimmung: Das Anti-Doping-Gesetz sei "ein Riesenschritt in Sachen effektiver Doping-Bekämpfung", lobte Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). Sein Pendant beim Bund Deutscher Radfahrer (BDR), Rudolf Scharping, hofft, dass mit dem Gesetz nun auch "die Hintermänner und kriminellen Netzwerke des Doping" getroffen werden können. Und Nationalmannschafts-Teammanager Oliver Bierhoff unterstützt den Entwurf ebenfalls, weil "nur mit harten, drastischen Strafen" der Sport sauber werden könne.

Alfons Hörmann (l.) und Michael Vesper (Foto: dpa)
Müssen es zähneknirschend akzeptieren: DOSB-Spitze Alfons Hörmann (l.) und Michael VesperBild: picture-alliance/dpa

Das Risiko erwischt zu werden steigt

Der Applaus bedeutet also, dass alle zufrieden sind? Wohl kaum. Denn der organisierte Sport fürchtet nun langwierige Prozesse, Schadensersatzklagen und einen Autonomieverlust. Doch die Sportgerichtsbarkeit soll mit dem neuen Gesetz gar nicht ausgehebelt werden. Vielmehr soll sie von den staatlichen Ermittlungen profitieren. So soll zwischen staatlichen Ermittlern und der NADA ein Informationsaustausch möglich werden. Diese Botschaft muss jedoch erst noch beim Sport ankommen.

Eine andere wird dagegen ziemlich sicher ankommen: Wer dopt, geht demnächst ein höheres Risiko ein. Bisher galt: Dass eine Dopingkontrolle, wie sie Handballer Michael Kraus in der Hochzeitsnacht erdulden musste, einen Doper überführt, ist höchst selten. Nur 0,65 Prozent der rund 8000 Trainingskontrollen im Jahre 2013 waren positiv. Nun gilt: Bei einem Anfangsverdacht ermitteln bald auch Staatsanwaltschaft und Polizei. Für eine Medaille ins Gefängnis? Das wird sich der eine oder andere gut überlegen.