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Entwicklungsländer müssen mitgestalten

Carolyn Wißing6. Oktober 2013

Die globale Finanzkrise hat das Erreichen der Millenniums-Entwicklungsziele weiter in die Ferne gerückt. Bei der Finanzmarktregulierung sollten die Entwicklungsländer deshalb stärker eingebunden werden, fordern Experten.

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Minenarbeiter in Südafrika halten Geldscheine in der Hand (Foto: Themba Hadebe/AP/dapd)
Bild: dapd

Bis 2015 sollten die Millenniums-Entwicklungsziele erreicht sein. Als vor fünf Jahren die große Finanzkrise mit der Lehman-Pleite ihren Anfang nahm, waren die Vereinten Nationen noch zuversichtlich, die von ihnen gesteckte Vorgabe, die Armut weltweit zu halbieren, verwirklichen zu können.

Erst das Krisennachbeben trifft die Entwicklungsländer

Außerhalb der großen Industrienationen waren die Folgen der Finanzkrise nicht direkt zu spüren. Die Entwicklungsländer hatten zuerst kaum mit Zusammenbrüchen von Großbanken oder Pleiten von Finanzunternehmen zu kämpfen - aus zwei Gründen: Einmal ist das Finanz- und Bankensystem in vielen dieser Staaten weniger komplex ausgestaltet. Zum anderen bestanden in einigen Entwicklungsländern schon damals regulatorische Richtlinien, "weil sie die schlechten Erfahrungen aus Krisen in Asien und Lateinamerika in den 80er und 90er Jahren hatten", erklärt Markus Henn von der deutschen Nicht-Regierungsorganisation World Economy, Ecology & Development (WEED).

Erst als die Finanzströme aus den Industriestaaten nachließen, schwappte die Krise auch auf die Entwicklungsländer über. Die Exporterträge gingen plötzlich drastisch zurück und neue Kredite standen nicht mehr zur Verfügung. Vor allem aber brachen ausländische Direktinvestitionen und öffentliche Entwicklungshilfen aus den Industrienationen ein. "Die Verwirklichung der Millenniums-Entwicklungsziele war wieder weiter in die Ferne gerückt und die Fortschritte, die man gemacht hatte, wurden zum Teil zunichtegemacht", so Henn. Berichte des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) belegen diesen Zusammenhang. Beispielsweise hungerten 2007 weltweit rund 830 Millionen Menschen. Bedingt durch die Krise schnellte diese Zahl nach oben und überstieg die Milliardengrenze.

Ein Schriftzug zeigt das Datum 15. September an der Zentrale von Lehman Brothers in New York (Foto: DPA)
Im September 2008 musste die US-Bank Lehman Brothers Insolvenz anmeldenBild: picture-alliance/dpa

Erster Schritt: Ein funktionierender Finanzsektor

Was aber muss sich aus Sicht der Entwicklungsländer ändern, um die Situation zu verbessern? Auf der einen Seite benötigen die Entwicklungsländer zunächst einmal einen eigenen funktionierenden Finanzsektor. So fehlt es etwa in vielen afrikanischen und asiatischen Ländern an größeren Banken, die auch internationale Geldtransfers ausführen. Auf der anderen Seite müssen der Bevölkerung Möglichkeiten zur Verfügung gestellt werden, am Finanzsektor teilhaben zu können. Ein breites Angebot an einfachen Finanzdienstleistungen ist nötig: Ein Bankkonto etwa haben längst nicht alle Menschen. Sie können oft kein Geld anlegen und gar Zinsen dafür bekommen.

Um das zu erreichen, braucht es ein starkes globales Finanzmarktsystem, das weniger krisenanfällig ist und durch international einheitliche Richtlinien reguliert wird. Diese Ansicht vertritt Heiner Flassbeck, ehemaliger Chefvolkswirt bei der UN-Organisation für Welthandel und Entwicklung (UNCTAD). Über den Bedarf an Regulierung sind sich nicht nur Politiker weltweit einig. Gabriele Spieker, Sprecherin des Bundesverbandes Deutscher Banken, zieht für Ihre Branche ebenso die Schlussfolgerung, "dass kein Finanzmarktakteur, kein Finanzplatz und kein Finanzprodukt ohne angemessene Regulierung bleiben darf. Das ist auch eine Forderung, die wir als Banken komplett unterstützen."

Kind mit einem Stück Brot in einem indischen Slum (Foto: Dibyangshu Sarkar/AFP/Getty Images)
Eines der Entwicklungsziele: Anzahl der weltweit Hungernden halbierenBild: Dibyangshu Sarkar/AFP/Getty Images

Fünf Jahre nach Beginn der Krise ist allerdings in dieser Hinsicht wenig geschehen. Entwicklungsexperten kritisieren, dass bisher auf den Weg gebrachte Maßnahmen, um eine gestärkte globale Finanzmarktarchitektur zu schaffen, die Belange der Entwicklungsländer nicht ausreichend berücksichtigen. Betrachtet man die Stimmverteilung beim Internationalen Währungsfonds (IWF) oder der Weltbank, wird klar, warum. Zwar gewinnen zumindest die Schwellenländer - vor allem seit Gründung der G20 - an politischem Gewicht, doch bestimmen weiterhin die großen Industrienationen den Kurs der Finanzmarktregulierung.

Finanzmarktregulierung muss alle Akteure einschließen

Heiner Flassbeck plädiert daher für eine völlig neue internationale Regulierungsinstitution: einen Wirtschaftsrat innerhalb der UN, der ähnlich arbeitet wie der Sicherheitsrat. "Wichtig ist, dass ein solcher Rat dann eine Vertretung aller Länder ist und nicht nur auf der Basis von einigen wenigen dominanten Volkswirtschaften Entscheidungen getroffen werden."

Die Vereinten Nationen haben bisher aber keinen Vorstoß dahingehend gemacht, den Entwicklungsländern eine Plattform für multilaterale Gespräche zu Finanzmarktregulierungen zu bieten. Zwar kam die UN-Generalversammlung Ende September zu einer Sondersitzung zusammen, um über eine entwicklungspolitische Agenda für die Zeit nach 2015 zu beraten. Den Bogen zur Finanzmarktregulierung hat sie an dieser Stelle jedoch nicht geschlagen.

Vertreter der BRICS-Staaten beim G-20-Gipfel in St.Petersburg (Foto: Reuters)
Die BRICS-Vertreter trafen sich 2013 am Rande des G-20-Gipfels in Sankt PetersburgBild: Reuters

Markus Henn sieht daher eine Chance für Entwicklungsländer zunächst eher in Zusammenschlüssen weniger Staaten und regionalen Ansätzen. Die Schwellenländer machten es vor. "Zum Beispiel veranstalten die BRICS-Staaten regelmäßige Treffen und geben eigene Beschlüsse heraus", sagt der Experte. Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika (BRICS) haben gerade erst im September festlegt, einen Fonds einzurichten, der die Mitgliedsstaaten gegen Währungskrisen schützen soll.