Kampf für eine bessere Welt
25. September 2013Keine Frage, was bei der UN-Vollversammlung im Vordergrund steht: Es sind Themen wie der Krieg in Syrien oder der Atomstreit mit dem Iran, welche die Gespräche zwischen den Vertretern der 193 Mitgliedstaaten beherrschen. Zugleich findet unter den Delegierten in New York jedoch eine weitere, ebenfalls zukunftsweisende Debatte statt.
Es geht um eine Bilanz und die Weiterführung der insgesamt acht Millenniumsziele, die sich die Vereinten Nationen im Jahr 2000 gesetzt haben und mit denen sie den armen Ländern bis 2015 einen deutlichen Entwicklungsschub geben wollten. Damals verständigten sich die Staaten unter anderem darauf, die Zahl der Armen zu halbieren, eine Grundschulausbildung für alle zu gewährleisten, die Sterberate von Kindern unter fünf Jahren um zwei Drittel zu senken und die Zahl der Menschen ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser zu halbieren. Finanziert werden sollte das vor allem mit Entwicklungshilfe.
Erfolge und Misserfolge halten sich die Waage
Was den Erfolg der Millenniumsziele betrifft, zieht der dafür zuständige UN-Untergeneralsekretär David Malone eine geteilte Bilanz.
Es werde schwer, alle Vorgaben bis 2015 zu erreichen, sagte er der DW. Einige seien aber erfolgreich umgesetzt worden. Zum Beispiel der Kampf gegen die extreme Armut. Die Zahl der Menschen, die unter der als Grenze angesetzten Marke von weniger als 1,25 Dollar am Tag leben müssen, hat sich laut Malone wie erhofft halbiert.
Hilfsorganisationen relativieren jedoch die Erfolgsbotschaft. Grund für die Verbesserung sei der Wirtschaftsaufschwung in Asien, so Wolfgang Jamann, Chef der Welthungerhilfe. "In Afrika südlich der Sahara sieht die Situation weiterhin sehr dramatisch aus. Da geht die Schere zwischen Arm und Reich eher auseinander", sagte Jamann dem Westdeutschen Rundfunk. Noch immer hungerten insgesamt 900 Millionen Menschen - ein Siebtel der Weltbevölkerung.
Positive Zeichen sieht UN-Untergeneralsekretär Malone auch im Kampf gegen die Immunschwächekrankheit AIDS. Bis 2015 wollten die UN die Ausbreitung der Infektionskrankheit zum Stillstand bringen und eine Trendumkehr bewirken. Obwohl sich heute wesentlich weniger Menschen mit HIV anstecken als früher, ist fraglich, ob die Vereinten Nationen dieses Ziel erreichen werden.
Beim Thema Bildung sehen sich die UN ebenfalls auf dem richtigen Weg. Der Untergeneralsekretär macht jedoch Abstriche. Zwar würden die meisten Kinder mittlerweile zur Schule gehen. Allerdings bliebe diese Möglichkeit noch immer rund 60 Millionen Kindern verwehrt.
Malone macht deutlich, dass es nicht damit getan sei, nur den Zugang zur Grundschule zu erleichtern. Künftig müsse der Schwerpunkt möglicherweise im gleichen Maße auf der Qualität der Ausbildung liegen. Damit spricht er ein drängendes Problem an. Studien in Subsahara-Afrika zeigen zum Beispiel, dass in vielen Ländern der Region über die Hälfte der Schüler in der sechsten Klasse keine Grundrechenarten beherrscht.
Ziel beim Zugang zum Trinkwasser erreicht
Eines der wichtigsten Teilziele haben die UN nach eigenen Angaben, bereits im vergangenen Jahr erreicht: Mehr als sechs Milliarden Menschen, fast 90 Prozent der Bevölkerung, haben mittlerweile Zugang zu sauberem Trinkwasser, das sind zwei Milliarden mehr als 1990.
Dieses Resultat ist ebenfalls weniger der Entwicklungszusammenarbeit als dem Aufschwung in Asien zu verdanken. Da die Städte dort moderner und sauberer werden, verbessern sich die hygienischen Bedingungen ohne Hilfe von außen.
Für Malone ist die Zeit reif, das klassische Prinzip der Hilfszahlungen zu überdenken. "Diese Hilfen sind sinnvoll, aber nicht entscheidend." Ausschlaggebend sei viel mehr, dass Einigkeit in den betroffenen Ländern darüber herrscht, für die Entwicklungsziele einzutreten. Diese Einsicht setze sich weltweit immer mehr durch.
Zweifel an klassischer Entwicklungsarbeit
Eine Meinung, die der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler teilt. Die bilaterale Entwicklungsarbeit sei zwar nicht überholt, sagte er im DW-Interview. "Aber sie muss sich aus alten Schablonen lösen."
Köhler ist Mitautor eines Expertenberichts, der helfen soll, die UN-Millenniumziele für die Zeit nach 2015 fortzuschreiben. Die Vollversammlung einigte sich am Mittwoch (25.09.2013) darauf, die Gespräche darüber im September nächsten Jahres zu starten.
Die neue Agenda solle künftig nicht mehr nur auf soziale Indikatoren wie Armut, Seuchen oder Bildung aufbauen, so Köhler. Sie verfolge einen umfassenderen Ansatz. Fragen eines besseren Handels- und Finanzsystems sowie eines Klimaregimes, das die Erderwärmung bremst, will er mit einbeziehen. Außerdem sollen Unternehmen und Wirtschaftsführer als Unterstützer mit ins Boot geholt werden.
Köhler warnt davor zu unterschätzen, wie wichtig weltweit soziale Absicherung ist. Im Zeitraum bis 2030 werde es noch einmal 400 Millionen junge Menschen geben, die Einkommen und Arbeit fordern. Mit sorgenvollem Blick auf Nordafrika sagt Köhler: "Wenn wir ihnen keine Perspektiven bieten, werden sie rebellieren."