Entspannungsübung im Oval Office?
24. Oktober 2013Ohne Fototermin, ohne Abschuss-Statement verließ der pakistanische Ministerpräsident Nawaz Sharif das Oval Office. Nur eines erklärte er Reportern im Vorbeigehen: "Ich habe auch das Thema Drohnen bei unserem Treffen angesprochen und die Notwendigkeit betont, dass solche Angriffe aufhören müssen." Dennoch arbeiteten beide Länder im Anti-Terror-Kampf eng zusammen, so Sharif. Die unmissverständliche Botschaft hatte erf auch am Vorabend im Washingtoner Friedensinstitut geäußert: "Ich betone die Notwendigkeit, dass die Drohnenangriffe aufhören müssen", sagte der Regierungschef an die Adresse der USA gerichtet. "Diese Angelegenheit stört unser bilaterales Verhältnis."
US-Präsident Barack Obama hatte seine Antwort ebenfalls bereits am Vortag durch Sprecher Jay Carney geben lassen. Der Präsident bedauere die zivilen Opfer im Kampf gegen den Terrorismus. Er sei sich bewusst, dass die Begleitschäden durch unbemannte, ferngesteuerte Flugwaffen eine große Belastung seien. Jedoch weiche die Opfer-Statistik der US-Regierung manchmal weit von denen der Menschenrechtsorganisationen ab. Diese hatten erklärt, dass mindestens 300 Zivilisten seit Beginn des Drohnen-Kampfes im Jahr 2004 allein in Pakistan getötet wurden. Amnesty International wirft den USA vor, mit dem Einsatz solcher Waffen Völkerrecht zu brechen. Doch Carney versicherte abermals: "Die Regierung hat wiederholt betont, dass wir sicherstellen, dass Anti-Terror-Maßnahmen im Einklang mit dem internationalen Recht sind."
Drohnen als Option
Die USA setzen die unbemannten Flugzeuge in Pakistan ein, um mutmaßliche Terroristen aus Afghanistan gezielt zu töten. Obama hat bereits klargemacht, dass sich das nicht ändert, solange die Sicherheit der amerikanischen Truppen im Nachbarland Afghanistan auf dem Spiel stehe. Sie sollen bis Ende nächsten Jahres abziehen. Und zwar durch das Transitland Pakistan.
"Obama wird sich die Vorwürfe des pakistanischen Regierungschefs höflich angehört und Sharif mit seinem Protest die Kritiker in seiner Heimat befriedigt haben", so der Pakistan-Experte des Nahostinstituts in Washington, Marvin Weinbaum. Doch es werde kein Ende dieser Angriffe mit ferngesteuerten Waffen geben. Nicht in Somalia, nicht im Jemen und erst recht nicht in Pakistan, meint auch Weinbaum, der bis 2003 Analyst des US-Außenministeriums war: "Vor allem, wenn die amerikanischen Truppen ihren Rückzug aus Afghanistan beginnen, brauchen die USA die Drohnen als eine Option, um die Truppen im Kampf gegen Al Kaida zu ersetzen."
Weinbaum und andere Beobachter werteten allein Sharifs mehrtägige Visite in Washington und das lange Treffen im Weißen Haus als Zeichen der Entspannung zwischen beiden Staaten. Der im Mai gewählte Sharif war der ranghöchste pakistanische Politiker seit Jahren, der die US-Hauptstadt besuchte.
Und Sharif fährt nicht mit leeren Händen nach Hause. Um das Gesprächsklima zu verbessern, hatten die USA schon vor dem Spitzentreffen einen Kurswechsel vollzogen. Sie wollen nun Militärhilfen wieder freigeben, die in den vergangenen zwei Jahren teilweise auf Eis gelegt waren. Grund für das Einfrieren der Gelder waren die Spannungen zwischen Washington und Islamabad nach der Tötung von Osama bin Laden in Pakistan durch US-Spezialeinheiten im Mai 2011. Insgesamt rund 1,6 Milliarden Dollar (rund 1,2 Milliarden Euro) sollen nun in vollem Umfang wieder fließen.
Nachdem sich die USA zuletzt auf Hilfsmittel für die Zivilbevölkerung beschränkt hatten, soll nun auch die Sicherheit des südasiatischen Staates wieder im Vordergrund stehen. Die USA gingen davon aus, dass Pakistans Regierung die Militärhilfe nach ihren Vorstellungen einsetze, meint Weinbaum - "und zwar, indem sie aggressiv gegen die Aufständischen vorgehen, die weite Kontrolle über bestimmte Grenzregionen - speziell Nordwaziristan - gewonnen haben. Dort - glauben wir - sitzt Al Kaida, von dort aus operiert das Haqqani-Netzwerk, eine der stärksten Gruppen, die aus Afghanistan agieren."
Gemeinsame Interessen
Letztlich, so Weinbaum, hätten sowohl die USA als auch Pakistan großes Interesse daran, dass die Taliban in Afghanistan nicht wieder die Oberhand gewinnen: "Ein Sieg der Taliban würde eine radikale Regierung nach Afghanistan bringen, die schädlich für Pakistan wäre und dort die Taliban ermutigen würde." Ein Zerfall Afghanistans würde zu einem Strom von Millionen von Flüchtlingen nach Pakistan führen. "Und das würde das Land politisch destabilisieren." Pakistan habe auch einen entscheidenden Anteil an der Zukunft Afghanistans. "Das wirtschaftliche Wohlbefinden Pakistans ist eng mit einem stabilen Afghanistan verknüpft", meint Weinbaum.
Ob das Männergespräch im Weißen Haus auch zur Stabilität ihrer Beziehung beigetragen hat, ist ungewiss. Zumindest hatte sich Obama um eine gute Atmosphäre bemüht. Er hatte seinen Gast im Spalier der militärischen Ehrengarde ins Weiße Haus geführt. Untergebracht war Sharif mit seiner Frau allerdings nicht im Gästehaus der Regierung, sondern in einem Luxushotel gleich daneben. Das, so drang es aus Regierungskreisen, habe aber nur den Grund gehabt, dass das Gästehaus derzeit renoviert werde.