Entscheidung über Leopard-2-Panzer für Ukraine weiter offen
20. Januar 2023Die Verteidigungsminister der NATO und anderer Unterstützerländer, insgesamt waren rund 50 Staaten beteiligt, haben auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz über die weitere militärische Hilfe für die ukrainischen Streitkräfte beraten. Beherrschendes Thema des Treffens war die mögliche Lieferung von Kampfpanzern vom Typ Leopard 2 an die Ukraine.
Während mehrere Länder weitere konkrete militärische Hilfe für die Ukraine ankündigten, darunter die USA, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Litauen, die Niederlande, Polen und Schweden, gab es in Ramstein keine Entscheidung über die Leopard-Kampfpanzer für das von Russland angegriffene Land.
Die Alliierten sind sich nach Darstellung des neuen deutschen Verteidigungsministers Boris Pistorius noch nicht einig, ob der Ukraine erstmals auch Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 zur Verfügung gestellt werden sollen. Es gebe "kein einheitliches Meinungsbild", sagte Pistorius auf dem US-Stützpunkt. Das hätten viele der teilnehmenden Minister deutlich gemacht.
Der Eindruck, dass Deutschland eine solche Entscheidung blockiere, sei falsch. "Es gibt gute Gründe für die Lieferung, es gibt gute Gründe dagegen", sagt der SPD-Politiker. Er könne daher noch nicht sagen, wie die Entscheidung auszusehen habe.
Pistorius lässt Bestände von Leopard-2-Kampfpanzern prüfen
Allerdings habe er seinem Ministerium den Auftrag erteilt, festzustellen, wie viele Leopard-2-Panzer bei der Bundeswehr und in der Industrie verfügbar seien, sagte Pistorius. Dabei werde auch die Kompatibilität mit den Systemen der Partnerländer ins Auge gefasst. Damit wolle er bereit sein zu handeln, falls eine Entscheidung falle.
Die aktuelle Situation in der Ukraine sei "außerordentlich dramatisch", und es sei davon auszugehen, dass sie sich über Monate nicht ändern werde. Die Bundesregierung werde die Ukraine daher "unverändert und umfangreich" mit Ausrüstung und Waffen unterstützen. Deutschland werde nicht nachlassen, um die russische Aggression möglichst schnell zu beenden.
Die Unterstützung müsse aber immer am Bedarf der Ukraine ausgerichtet sein, sagte der SPD-Politiker. Daher sei es richtig, dass Deutschland in einem "synchronisierten Vorgehen" mit den Partnern bis zu 40 Schützenpanzer vom Typ Marder bereitstelle. Die Auslieferung beginne Ende Januar. Zugleich stelle die Bundesregierung sicher, dass ukrainische Soldaten am Marder ausgebildet würden.
Derzeit habe die Stärkung der ukrainischen Luftverteidigung die höchste Priorität. Pistorius nannte geplante Lieferungen in die Ukraine etwa einer Feuereinheit des Flugabwehrsystems Patriot, sieben weitere Gepard-Panzer zur Flugabwehr und ein weiteres Luftabwehrsystem des Typs Iris-T SLM mit weiteren Lenkflugkörpern. Das Volumen der deutschen Unterstützung für die Ukraine steige damit insgesamt um eine Milliarde auf dann 3,3 Milliarden Euro.
Deutschland kommt bei Leopard-Panzern Schlüsselrolle zu
Bei den Leopard-Kampfpanzern hat sich die Bundesregierung bislang bedeckt gehalten. Die deutsche Haltung spielt eine Schlüsselrolle in der Debatte, weil die Leopard-2-Panzer in der Bundesrepublik entwickelt wurden und von anderen Staaten nicht ohne deutsche Genehmigung an die Ukraine abgegeben werden dürfen. Bundeskanzler Olaf Scholz will die Leoparden dem Vernehmen nach nur liefern, wenn die USA auch Abrams-Kampfpanzer bereitstellen. Dazu ist die Regierung in Washington bislang nicht bereit.
Regierungssprecher Steffen Hebestreit dementierte, dass es ein solches Junktim gebe. Es bleibe dabei, dass man sich mit den Verbündeten, vor allem den USA, möglichst eng über die Lieferung neuer Waffensysteme abstimmen müsse, sagte er in Berlin. Mit Blick auf das Treffen in Ramstein betonte er, es gebe eine "kontinuierliche Abstimmung" mit Partnerstaaten.
Polen und Finnland sind im europäischen Verbund dazu bereit Leopard-2-Panzer an Kiew zu liefern. Auch die USA haben in den vergangenen Wochen deutlich gemacht, dass sie grundsätzlich keine Einwände gegen die Lieferung von Leopard-2-Panzern aus deutscher Produktion hätten. Weltweit verfügen die Streitkräfte von 20 Ländern über diese Panzer. Großbritannien wiederum hat die Lieferung von eigenen Kampfpanzern vom Typ Challenger 2 schon zugesagt.
Austin mahnt weitere Militärhilfen für die Ukraine an
Bei der abschließenden Pressekonferenz mahnte der Gastgeber auf dem US-Luftwaffenstützpunkt, US-Verteidigungsminister Lloyd Austin, die westlichen Alliierten, in ihrer Unterstützung für die Ukraine jetzt nicht nachzulassen. Er sprach von einem entscheidenden Moment für die Ukraine in einem "entscheidenden Jahrzehnt für die Welt". Es sei nicht der Moment sich zurückzulehnen, sondern vielmehr an der Zeit, die Militärhilfen noch zu verstärken. Man müsse sicherstellen, das die Ukraine auf dem Schlachtfeld erfolgreich sein werde, mahnte Austin. Auf das heiß diskutierte Thema der möglichen Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern ging der Pentagonchef nicht ein. Er betonte allerdings, Deutschland sei ein zuverlässiger Verbündeter. Das sei Deutschland schon seit sehr, sehr langer Zeit, sagte Austin zum Abschluss des Treffens der Ukraine-Kontaktgruppe.
Konkret erläuterte er das neue US-Hilfspaket für die ukrainischen Streitkräfte im Volumen von 2,5 Milliarden Dollar, das auch die Lieferung von 59 Schützenpanzern des Typs Bradley umfasst. Die US-Hilfen an die Ukraine summierten sich damit auf insgesamt mehr als 26,7 Milliarden Dollar, wie Austin ausführte.
Stoltenberg: Beratungen über Leopard-Lieferungen werden weitergehen
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat die Ankündigung neuer Waffenlieferungen an die Ukraine begrüßt. Zudem machte er am Rande der Konferenz in Ramstein deutlich, dass er in der Debatte um die mögliche Lieferung deutscher Leopard-2-Panzer weitere Entwicklungen erwartet. Dass man der Ukraine nun Hunderte neue gepanzerte Fahrzeuge, Schützenpanzer und Kampfpanzer zur Verfügung stelle, werde für das Land einen gewaltigen Unterschied ausmachen, sagte Stoltenberg vor Journalisten. Die Unterstützung werde es den Ukrainern nicht nur ermöglichen, sich gegen neue russische Offensiven zu verteidigen.
Selenskyj: "Der Kreml muss verlieren"
Erster Redner nach Austin war in Ramstein der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der sich in einer Video-Botschaft erstmals direkt an die Kontaktgruppe wandte. Dabei forderte er die Ukraine-Kontaktgruppe zu weiteren Waffenlieferungen einschließlich Kampfpanzern auf. "Wir müssen schnell handeln", sagte Selenskyj. Der russische Terror erlaube keine langen Diskussionen. "Der Kreml muss verlieren." Er hatte in den vergangenen Tagen mehrfach erklärt, dass sein Land vor allem Kampfpanzer benötige.
Kreml: Westen hat "dramatische Wahnvorstellung"
Vor dem Hintergrund des Treffens in Ramstein zeigt sich Russland weiter überzeugt von einem Sieg über die Ukraine. "Man sollte die Bedeutung solcher Lieferungen mit Blick auf die Fähigkeit, etwas zu ändern, nicht übertreiben", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow in Moskau. Tatsächlich würden westliche Panzerlieferungen in der Ukraine "nichts ändern". Der Westen habe aber die "dramatische Wahnvorstellung", dass die Ukraine Erfolg "auf dem Schlachtfeld" haben könnte. Peskow fügte hinzu: "Wir stellen eine indirekte und direkte Beteiligung der NATO-Länder fest, wir hören Erklärungen, wir sehen, dass der Wille vorherrscht, sich mehr und mehr einzubringen."
qu/kle/sti/se (afp, dpa, rtr, ntv)