Enquete-Kommission: Afghanistan-Einsatz war "kein Erfolg"
20. Februar 2024Die Enquete-Kommission des Bundestages zum Bundeswehreinsatz in Afghanistan hat den Verantwortlichen zur Halbzeit ihrer Arbeit ein verheerendes Zeugnis ausgestellt. Deutschland sei gemeinsam mit den internationalen Partnern daran gescheitert, "Ergebnisse und gesteckte Ziele dauerhaft abzusichern", heißt es in einem Zwischenbericht, der an diesem Dienstag Bundestagspräsidentin Bärbel Bas übergeben wurde.
Es habe an einer realistischen Strategie gefehlt, einen stabilen Staat aufzubauen, der seine Sicherheit selbst gewährleisten könne. In Gänze sei der Einsatz "kein Erfolg" gewesen, schreibt das Gremium, dem zwölf Abgeordnete und ebenso viele Sachverständige angehören. Eine Auseinandersetzung mit Kultur, Geschichte und Traditionen des Landes am Hindukusch habe kaum stattgefunden. "Deutschland hat Afghanistan nicht verstanden", sagte die Obfrau der Grünen in der Kommission, Schahina Gambir.
Die Bundeswehr war im Juni 2021 nach knapp 20 Jahren überstürzt aus Afghanistan abgezogen. Sie folgte dabei den zeitlichen Vorgaben der USA. Nach der erneuten Machtübernahme der radikalislamischen Taliban beteiligten sich deutsche Soldaten dann noch einmal im August 2021 an der Evakuierung gefährdeter afghanischer sowie deutscher Staatsbürger, die unter chaotischen Umständen über den Flughafen in Kabul abgewickelt wurde. Von 2001 an waren insgesamt sechs Bundesregierungen für die Mission verantwortlich; bis zu deren Ende waren sechs Verteidigungsminister im Amt.
"Kein realistisches Gesamtbild"
Eine "fortlaufende, selbstkritische Bestandsaufnahme hinsichtlich der sehr hoch gesetzten Ziele", also eine Erfolgskontrolle, habe es nicht gegeben, so der Bericht. "Wissen und detaillierte ungeschminkte Lagebilder wurden zwar durch verschiedene Informationsquellen bereitgestellt, aber nicht systematisch zu einem realistischen Gesamtbild zusammengeführt."
Dabei ist von "Ressort-Egoismen" die Rede, die dem Ansatz der Vernetzung von militärischen, polizeilichen, diplomatischen, humanitären und zivilen Aktivitäten entgegengestanden hätten. Die Abstimmung zwischen den Ministerien in Deutschland und den Beteiligten am Ort sei unzureichend gewesen. Für das Ziel des Staatsaufbaus sei überdies zu wenig Personal bereitgestellt worden, insbesondere bei zivilen Einsatzkräften und der Polizei.
Die vom SPD-Abgeordneten Michael Müller geleitete Kommission hatte im September 2022 ihre Arbeit aufgenommen. Nach der Auflistung von Fehlern und Versäumnissen gehe es in einem zweiten Schritt nun darum, "konkrete Handlungsempfehlungen für das zukünftige außen- und sicherheitspolitische Engagement zu formulieren", sagte Müller, der früher Regierender Bürgermeister Berlins war.
Der internationale Militäreinsatz in Afghanistan hatte nach den Terroranschlägen in den USA vom 11. September 2001 begonnen. Für die Bundeswehr waren 93.000 deutsche Soldaten beteiligt. 59 von ihnen verloren dabei ihr Leben.
jj/se (dpa, afp, epd)