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"Ende Februar funktionieren alle Hotspots"

Panagiotis Kouparanis19. Januar 2016

Angela Merkels Flüchtlingspolitik hängt derzeit auch an den fehlenden Aufnahmelagern an den EU-Außengrenzen. In Griechenland soll es jetzt vorangehen, sagt der griechische Flüchtlingsminister im DW-Interview.

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Giannis Mouzalas im Studio der Deutschen Welle (Foto: DW/Panagiotis Kouparanis)
Giannis Mouzalas (li.) im Studio der Deutschen WelleBild: DW/P. Kouparanis

Nach dem Dubliner Abkommen zur Regelung der Flüchtlingsfrage in der Europäischen Union wäre Griechenland verantwortlich für die Aufnahme der über 800.000 Menschen, die 2015 ins Land kamen. Die Tatsache, dass das nicht mehr passiere und die Flüchtlinge weiter nach West- und Nordeuropa reisten, zeige, so Giannis Mouzalas, dass Dublin nicht mehr gelte. Griechenland sei nunmehr zu einem "Transitland" für Flüchtlinge und Migranten geworden - allerdings nicht für alle, sagt der für die griechische Migrationspolitik zuständige Minister im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Die Situation beschreibt er so: In einer Art "Grenzen-Domino öffnet und schließt jeder Staat entlang der Flüchtlingsroute seine Grenzen, je nachdem wie es seiner nationalen Politik nützt". Menschen aus Syrien, Afghanistan und Eritrea werden als Flüchtlinge akzeptiert und dürfen die Grenzen passieren. Alle anderen gelten als illegale Migranten und bleiben in Griechenland. Hier haben sie zwei legale Möglichkeiten: Entweder sie beantragen Asyl oder sie kommen in sogenannte Abschiebelager. Allerdings fänden Abschiebungen in den Heimatländern kaum statt, weil zum Beispiel eine Reihe von Ländern wie Pakistan sich weigerten, ihre Staatsbürger wieder aufzunehmen.

Kritik an der Türkei

Eine Schlüsselstellung bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise weist Mouzalas der Türkei zu. Das Angebot Brüssels, dem Land drei Milliarden Euro für die Bewältigung der hohen Anzahl von Flüchtlingen bereitzustellen, ebenso wie die Bereitschaft einer Reihe von EU-Staaten direkt aus den Flüchtlingslagern in der Türkei rund 400.000 Menschen aufzunehmen, nennt er "großzügig".

Porträt Giannis Mouzalas (Foto: DW/Panagiotis Kouparanis)
Giannis Mouzalas, Mitbegründer von "Ärzte der Welt", engagierte sich jahrzehntelang weltweit für Flüchtlinge. Seit September 2015 gestaltet der Parteilose als stellvertretender Minister die Flüchtlings- und Migrationspolitik GriechenlandsBild: DW/P. Kouparanis

Doch bislang würden die im Gegenzug vereinbarten Maßnahmen zur Eindämmung des Flüchtlingsstroms kaum Erfolge zeigen. Weder werde das Schleuserwesen in der Türkei entscheidend bekämpft, noch komme es zu nennenswerten Rückführungen. Seit Anfang dieses Jahres seien 130 illegale Einwanderer von Griechenland in die Türkei abgeschoben worden.

Im gleichen Zeitraum seien von dort aber rund 30.000 Flüchtlinge und illegale Migranten nach Griechenland gekommen - trotz eisiger Kälte und starker Winde in der Ägäis. Nach Ansicht von Giannis Mouzalas muss die EU Ankara "helfen, damit es unmittelbar den Verpflichtungen nachkommt, die es selbst übernommen hat."

Hotspots werden fertig gestellt

Aber auch Griechenland habe seine Verpflichtungen nicht in allen Punkten erfüllt, räumt der Minister ein. So sei es zu Verspätungen bei der Errichtung der fünf Hotspots gekommen: der Aufnahmelager auf den griechischen Inseln, die dazu dienen sollen, die ankommenden Flüchtlinge und Migranten zu registrieren und bis zu ihrer Überstellung in andere EU-Länder unterzubringen. Aber es sei auch nicht leicht, bestehende Lager mit 4000 Flüchtlingen und einer hohen Fluktuation ohne weiteres in Hotspots zu verwandeln. Man sei allerdings vorangekommen.

Während der Hotspot auf der Insel Lesbos voll funktionsfähig sei, würden bei den anderen vier zumindest die polizeilichen Kriterien erfüllt. Das heißt: Die Flüchtlinge werden registriert, ihre Fingerabdrücke werden mit Eurodac-Geräten abgenommen. In den nächsten Wochen würden die noch fehlenden Unterbringungsplätze eingerichtet, kündigt Minister Mouzalas an, so dass bis Ende Februar die griechischen Hotspots alle in vollem Umfang funktionieren würden.

Lob für die Kanzlerin

Giannis Mouzalas dementiert Berichte, wonach die griechische Regierung Hilfe zum Schutz der EU-Außengrenze verweigere oder nur zögerlich annehme. Athen habe keinesfalls die Zusammenarbeit mit der europäischen Grenzagentur Frontex verweigert. Das Gegenteil sei der Fall. Man habe offiziell von der EU die Entsendung von 1800 Mann erbeten, tatsächlich seien bislang erst 900 gekommen. Von den beantragten Frontex-Schiffen täten kaum ein Drittel ihren Dienst in der Ägäis und die Gelder zum Kauf von 100 Eurodac-Geräten zur Aufnahme der Fingerabdrücke von Flüchtlingen und Migranten seien erst nach fünf Monaten von Brüssel genehmigt worden. Einzig Deutschland habe kurzfristig mit 25 Geräten ausgeholfen.

Geradezu überschwänglich lobt Giannis Mouzalas die Haltung der Bundesregierung in Flüchtlingsfragen, das gelte besonders für die Kanzlerin. "Die Politik von Frau Merkel", sagt er, "bewegt sich auf dem Pfad der Aufklärung." Sie stehe im "Gegensatz zu einer anderen Politik, die Europa zurück ins Mittelalter katapultieren will." Er rechnet der deutschen Regierungschefin hoch an, dass sie entscheidend dazu beigetragen habe, dass der Strom der Flüchtlinge nach Europa "ohne größere Verletzungen der Menschenrechte und der Menschenwürde und auch nicht der öffentlichen Sicherheit vonstatten ging."

150.000 Rettungseinsätze

Angesichts der Drohungen aus einzelnen EU-Staaten, Griechenland aus dem Schengen-Raum zu werfen, stellt Giannis Mouzalas unmissverständlich klar, dass sich eine solche Drohung nicht nur gegen Griechenland, sondern auch gegen die europäische Idee der Solidarität und der Zusammenarbeit wende. Die Art und Weise, wie die Forderung nach "Schutz der Außengrenzen" gestellt werde, nennt er populistisch und fremdenfeindlich.

Nach internationalem, europäischem und griechischem Recht bedeute "Schutz der Grenzen" im Fall von Flüchtlingen, Menschen zu retten, die sich in Booten mitten im Meer befinden. Das habe die griechische Küstenwache im letzten Jahr rund 150.000 Mal getan. Man sei "stolz, dass man auf diese Weise die Grenzen Europas und auch ihre Würde geschützt habe."