Goethe-Medaille für Elvira Espejo Ayca
28. August 2020Die Vergabe der Goethe-Medaille an die Künstlerin Elvira Espejo Ayca hätte eines der größten kulturellen Ereignisse Boliviens in diesem Jahr werden können. Die Dichterin, Essayistin, Musikerin und Weberin ist die erste Persönlichkeit des Andenstaates, die das offizielle deutsche Ehrenzeichen erhält. Doch aktuell sind die politischen Verhältnisse in Bolivien unübersichtlich. Nachdem die rechte Übergangspräsidentin Jeanine Áñez die zwischenzeitlich für den 6. September angesetzten Wahlen erneut verschoben hat, gingen Tausende protestierend auf die Straße. Das Land ist tief gespalten und von der um sich greifenden Corona-Epidemie gezeichnet.
Als Museumsdirektorin zum Rücktritt gezwungen
Für Elvira Espejo Ayca hatte die politische Krise nach dem vom Militär erzwungenen Rücktritt von Präsident Evo Morales im Herbst 2019 unmittelbare Folgen. Seit 2013 war Espejo Direktorin des Nationalmuseums für Ethnografie und Folklore (MUSEF), ein für ganz Lateinamerika wichtiges Museum, das sie mit ihrem integrativen und indigenen Blick geprägt hat. Sie genoss internationales Ansehen. Doch zum 1. Juni dieses Jahres wurde sie zum Rücktritt gedrängt, mitten in der Pandemie und ohne Plan für die Zukunft. Nicht als einzige, auch Max Jorge Hinderer Cruz, Direktor des Nationalen Kunstmuseums, musste abtreten, andere bedeutende Kulturinstitutionen wurden ganz geschlossen und das Ministerium für Kultur und Tourismus abgeschafft.
Umso mehr Aufmerksamkeit verdient die Auszeichnung, die sie nun trotz der politischen Unruhen am 28. August, Goethes Geburtstag, im Goethe-Institut La Paz überreicht bekommt. Das Motto der diesjährigen Verleihung der Goethe-Medaille, "Widerspruch ertragen - der Ertrag des Widerspruchs", trifft auf sie ganz besonders zu.
Eine Karriere gegen viele Widerstände
Elvira Espejo Ayca hat sich ihren Platz erkämpft. Vom Webstuhl in eine Welt, in der Frauen wie sie eigentlich nicht vorgesehen sind. 1981 geboren, wuchs sie in der Provinz Avaroa im Department Oruro, in einem indigenen Dorfverband auf. Früh wehrte sie sich gegen traditionelle Konventionen, die ihr eine höhere Bildung und berufliche Qualifikation verwehrten. Ihre Entscheidung für Bildung und Beruf führte zum Bruch mit ihrer Familie und ihrem Dorf. 2004 studierte sie Kunst an der Akademie der schönen Künste "Hernando Siles" in La Paz. Ihre indigenen Wurzeln vergaß sie nie, sondern flocht sie immer wieder in ihre Arbeiten und Projekte ein. 2005 war sie Ko-Dozentin für "nicht-geschriebene Sprachen in den Anden" im Programm "Duke en los Andes".
In Zusammenarbeit mit dem Musiker Álvaro Montenegro nahm sie traditionelle Gesänge und Dialoge indigener und urbaner Musikinstrumente auf. 2010 bis 2011 beteiligte sie sich an der Ausstellung "Das Potosí Prinzip" im Haus der Kulturen der Welt in Berlin mit anschließenden Stationen in Spanien und Bolivien. Darauf wurde sie Mitglied im Direktorium des Instituto de Lengua y Cultura Aymara (ILCA) und 2013 Direktorin des MUSEF in La Paz.
Ein Weg, Beziehungen zu intensivieren
Die Kommission der Goethe-Medaille ehrt Elvira Espejo Ayca als "wahre Brückenbauerin, die wertvolle kulturelle Vermittlungsarbeit leistet: zwischen Lateinamerika und Europa, dem modernen Bolivien und seiner kolonialen Vergangenheit, zwischen den eigenen indigenen Traditionen und anderen Kulturen, zwischen den künstlerischen Disziplinen und Generationen." Für Elvira Espejo Ayca bedeutet diese Auszeichnung einen Schritt in die Zukunft: "Diese Zusammenarbeit ist wichtig. Ich möchte diese Beziehungen zwischen Bolivien und Deutschland zukünftig intensivieren."