Goethe-Medaille geht zweimal nach Lateinamerika
28. August 2018Die Verleihung der Goethe-Medaille stand in diesem Jahr unter dem Motto "Leben nach der Katastrophe". Die Preisträger stünden für einen Neubeginn, sei es nach Krieg, politischen Zusammenbrüchen oder Umweltzerstörungen, sagte der Präsident des Goethe-Instituts, Klaus-Dieter Lehmann, bei der Verleihung an diesem Dienstag im Weimarer Residenzschloss. Der Tag der Ehrung fällt seit 2009 auf den Geburtstag von Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832).
Theater der Versöhnung
Die kolumbianischen Geschwister Heidi und Rolf Abderhalden führen das Theaterkollektiv Mapa Teatro, das sie mit ihrer Schwester Elizabeth 1984 in Paris gründeten. Seit 1986 ist es in Bogotá ansässig, wo es sich in teils dokumentarischen Stücken mit den politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen Kolumbiens auseinandersetzt. Zu den zentralen Themen zählt die Verhandlung des jahrzehntelangen Bürgerkriegs, dessen künstlerische Aufarbeitung zur Versöhnung beitragen soll. Mapa Teatro gilt als experimentelles Kunstlabor, das nicht zwischen den Kunstgattungen trennt, die bildenden sowie darstellenden Musik- und Videokünstler treten weltweit auf Theaterfestivals auf.
Sieben Jahre mit einem indigenen Volk
Die schweizerisch-brasilianische Fotografin und Menschenrechtlerin Claudia Andujar setzt sich seit den 1970er Jahren für die indigene Völkergruppe der Yanomami ein. 1971 reiste sie zum ersten Mal ins brasilianische Amazonasgebiet, lebte mit den Bewohnern und dokumentierte ihren Alltag. Ihr längster Aufenthalt dauerte sieben Jahre, bis zur Vertreibung durch Brasiliens Militärdiktatur, die ihr zwischenzeitlich die Veröffentlichung ihrer Bilder untersagte. Andujar gründete daraufhin eine Hilfsorganisation zum Schutz des durch die Zerstörung des Regenwalds bedrohten Lebensraums der Yanomami: Seit 1992 ist das Schutzgebiet 9,6 Millionen Hektar groß. Ihre wichtigste künstlerische Arbeit ist die Reihe Serie "Marcados" (deutsch: die Markierten), auf denen sie Yanomami im Rahmen einer Impfkampagne fotografierte (Foto oben).
Weltoffen im Kalten Krieg
Péter Eötvös zählt zu den erfolgreichsten Opernkomponisten der Gegenwart. Im Alter von 14 Jahren an der Musikakademie Budapest aufgenommen, suchte der Ungar zu Zeiten des Kalten Krieges die Nähe zu europäischen Musikkulturen. Eötvös erhielt Mitte der 1960er Jahre ein Stipendium für ein Dirigierstudium an der Musikhochschule Köln, 1978 leitete er auf Einladung von Pierre Boulez das Eröffnungskonzert des Institute de Recherche et Coordination Acoustique/Musique (IRCAM) in Paris. Eötvös leitete Seminare und Meisterkurse, in Budapest gründete er das Internationale Péter Eötvös Institut für junge Dirigenten und Komponisten. In seinen Stücken behandelt er auch politische Themen wie Globalisierung und Migrationspolitik.
Die Goethe-Medaille wird seit 1954 als Ehrenzeichen der Bundesrepublik Deutschland gestiftet. Sie wird jährlich an Menschen vergeben, die sich in besonderer Weise um den internationalen Kulturaustausch verdient gemacht haben. Zu den Preisträgern gehören Daniel Barenboim, Pierre Bourdieu, David Cornwell alias John le Carré, Lars Gustafsson, Ágnes Heller, Petros Markaris, Jorge Semprún, Robert Wilson, Helen Wolff und Juri Andruchowytsch.
tla/ld (goethe.de, epd)