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Einmal ohne Tier, bitte!

Christina Deicke21. Mai 2014

In Berlin gibt es so viele vegane Restaurants und Cafés wie nirgendwo sonst in Deutschland - und es werden immer mehr. Was erwartet Gäste dort? Ein Selbstversuch unserer Autorin Christina Deicke.

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Bild: Christina Deicke

Eins vorweg: Ich esse Fleisch - zwar selten, aber manchmal habe ich einfach Lust darauf. Doch gerade probiere ich den ersten Gang eines veganen dreigängigen Lunch-Menüs: Rindvleischsalat mit Kirschtomaten, "v" für vegan. Sojastreifen, eingelegt in Malz und mit Kaffee mariniert, dienen als Rindfleisch-Ersatz. Dazu gibt es Gemüse: Paprika, Tomate, Lauch. Das Ganze schmeckt fruchtig und kräftig. Zwar nicht wie Fleisch, aber lecker.

Das Restaurant Mio Matto liegt am Rand des Stadtteils Friedrichshain und gehört zu der rasch wachsenden veganen Restaurantszene in Berlin. Es bietet gehobene Küche ohne tierische Produkte. Während das täglich wechselnde Mittagsmenü vergleichsweise einfach ist, werden abends aufwändige Kreationen serviert wie Reisnudel-Fumet mit Austernpilzen, Rotweinschalotten und Safranmayonnaise.

Vegan - ein Lifestylethema

Veganismus ist verbunden mit Etiketten wie: nachhaltig, ethisch und fair. Der moderne Veganer ist locker, genussfreudig und irgendwie fortschrittlich. "Ich zwinge das Thema niemandem auf", sagt Mio Matto-Chef Björn Moschinski, selbst Tierrechtler: "Ich möchte den Leuten einfach zeigen, dass vegane Küche lecker und gehaltvoll ist und Spaß macht." Moralkeule und Öko-Mief dagegen sind out. Mit Absicht sei weder in der Karte noch sonst irgendwo in seinem Restaurant das Wort "vegan" zu finden. Dunkles Holz, Industrielampen, Lounge-Sofas und ein schwarz-weiß gekachelter Fußboden prägen hier das Ambiente.

Vegan in Berlin
Verbindet gutes Essen und Tierschutz: Björn Moschinski, Inhaber des Mio MattoBild: Christina Deicke

Der Hauptgang: Tagliatelle mit Zucchini, Cherrytomaten und Melisse in Olivenöl. Ich beiße auf knusprige Zucchini, entdecke kleine Chilliringe, Bohnen und frische Kräuter. Mit frischem Gemüse gewinnt man bei mir immer. "Berlin ist die europäische Hauptstadt der Veganer", glaubt Björn Moschinski, der sich als Erster mit veganer Küche in das deutsche Gourmet-Magazin "Der Feinschmecker" gekocht hat. Er hat daran mitgewirkt, dass der Veganismus inzwischen kein Nischendasein mehr fristet: "Wir haben in Berlin eine bombastische Dynamik, was den Veganismus angeht."

Mehr als 20 vegane Restaurants gibt es in der Stadt, Tendenz steigend. Und immer mehr Gastwirte erweitern ihr normales Angebot um vegane Gerichte. Spätestens beim Dessert bin ich überzeugt, dass dies nicht mein letzter Besuch im Mio Matto war: Soya-Creme mit Himbeersoße, Cornflakes und Haselnusskrokant - leicht und herrlich fruchtig.

Vegan in Berlin
Flair wie in einer italienischen Trattoria: das Mio MattoBild: Christina Deicke

Berlins veganer Trendbezirk

Hier in der Warschauer Straße ist eine geballte Ladung Veganismus zu Hause. Auf einer Etage mit dem Mio Matto liegt der vegane Schuhladen Avesu, im Erdgeschoss hat der Supermarkt Veganz seine Räume. Das Verkaufspersonal dort trägt den Slogan "Wir lieben Leben" auf dem T-Shirt. Auf zahlreichen Produkten kleben Etiketten mit englischer Aufschrift. Das Sortiment scheint auf dem ganzen Globus zusammengestellt worden zu sein. Lustig die ayurvedischen Frühstücksflocken mit der Aufschrift "Let's Rock! - Der Tag gehört Dir!". Andere deklarieren "With no added nonsens" - ohne zugefügten Blödsinn - auszukommen. Das Marketing hat offensichtlich eine junge, spaßfreudige Zielgruppe im Fokus. Menschen wie Hanne Julie Treidene aus Norwegen, die ich am Regal mit den Bio-Limonaden finde.

Die Musikstudentin ist seit sieben Jahren Veganerin. "An Berlin fasziniert mich vor allem das kulturelle Leben - so muss es früher in New York gewesen sein.", sagt sie. Dazu gehöre auch die Offenheit dem Veganismus gegenüber - einer der Gründe, warum sie in Berlin studiere. "Berlin ist auf jeden Fall der beste Ort in Europa für einen Veganer", sagt sie.

Vegan in Berlin
100% frei von Leder: hippe Schuhe im Concept Store AvesuBild: Christina Deicke

Restaurantsuche per App

Draußen werfe ich die App Berlin Vegan Guide an. Sie zeigt sieben Restaurants und 12 Cafés mit veganem Angebot im Umkreis von einem Kilometer an - eine ganze Menge, wie ich finde. Einen Kaffee könnte ich jetzt gut vertragen. Ich entscheide mich des Namens wegen für Die Rebellion des Zimtsterns. Das Café liegt auf der gegenüberliegenden Seite der Spree, in Kreuzberg.

Auf der vielbefahrenen Warschauer Straße leuchten Werbetafeln mit gewaltigen Dönerspießen über dem Istanbul Bistro. Bei diesem Anblick regt sich in mir nichts. Ich bin zufrieden mit meiner kulinarischen Entdeckung. Auf der Oberbaumbrücke, die Friedrichshain und Kreuzberg miteinander verbindet, drängen sich Reisegruppen verschiedener Nationen. Die zumeist jungen Teilnehmer sind zur nahe liegenden East Side Gallery unterwegs. Drei portugiesisch sprechende Mädels nehmen kichernd Aufstellung für ein Foto. Hier ist Berlin international, jung und dynamisch. Der perfekte Ort für neuartige Ideen und Konzepte. Die Dichte an veganen Restaurants, Imbissen und Cafés ist in den zentrumsnahen Stadtteilen auch deshalb besonders hoch.

Vegane Völkerverständigung

Die Rebellion des Zimtsterns ist ein kleines Café, hell und gemütlich eingerichtet, mit Kronleuchter und Tischen aus Massivholz, die Wände in frischem Grün. Besitzerin Claudia Tunger eilt zwischen Küche und Gastraum hin und her. Seit 2006 betreiben sie und ihre Schwester das Café, anfangs nur mit vegetarischem Angebot. "Die Nachfrage nach veganen Gerichten wurde schnell immer größer", sagt sie. Deshalb gibt es hier seit fünf Jahren auch veganes Essen. Zahlreiche Touristen kommen zu ihr, viele von ihnen sind Veganer: "Vor allem Spanier, Italiener, Franzosen, Engländer, auch Deutsche. Viele von ihnen finden uns übers Internet." Offenbar beflügelt auch der Tourismus den veganen Hype in Berlin.

Vegan in Berlin
2006 eröffnete Claudia Tunger ihr Café: Die Rebellion des ZimtsternsBild: Christina Deicke

Einer der schönsten Plätze ist am Fenster - mit Blick auf das trubelige Kreuzberg. Zwei Franzosen mit engen Jeans und weiten Schals nehmen Platz für ein spätes Frühstück. Langhaarige Hoodie-Träger aus den USA inspizieren die Speisekarte, die mit Kreide auf großen Wandtafeln geschrieben steht. Neben Kuchen gibt es Plinsen, Salate, Baguettes, Quiches, Pasteten - oder Eigenkreationen wie Milchreis mit Spiegelei. Bei der Bestellung berät Claudia Tunger ihre Gäste auch zu allergikergeeigneten Gerichten. Die meisten Zutaten sind bio und aus der Region.

Ich entscheide mich für Cappuccino und ein Apfel-Beeren-Crumble. Normalerweise gibt es Eis dazu, die vegane Variante muss ohne auskommen. Auch ohne Eis bringt mich die Portion an meine Grenzen. Beeren, frische Apfelstücke und süße Streusel - eine verflucht gute Kombination.

Vegan in Berlin
Krönender Abschluss auch eines Vegan-Menüs ist das DessertBild: Christina Deicke

Mein Ausflug in die vegane Gastronomie der Hauptstadt war wirklich gehaltvoll. Ich werde deshalb sicher nicht zur Veganerin. Aber ich habe Lust bekommen, noch weitere vegane Restaurants auszuprobieren. Denn was ich heute gegessen habe, war abwechslungsreich und sehr lecker. Ich habe nichts vermisst. Und Tiere mussten meinetwegen auch nicht sterben.