Boom der Burgerbuden
30. März 2014Als ich neulich nach längerer Abwesenheit wieder durch Berlin schlenderte, konnte ich es kaum glauben. Überall waren sie wie Pilze aus dem Boden geschossen: Berlins neue Burgerläden, so vielfältig wie die Stadt selbst. Der Großkonzern McDonald's dagegen hatte in Deutschland 2013 erstmals in seiner Geschichte einen Umsatzrückgang vermeldet. Sind die kleinen, individuellen Läden ein Grund dafür? Was motiviert plötzlich so viele Menschen, Burger zu verkaufen?
Burger ohne Schnickschnack
Antworten erhoffe ich mir im "Burgermeister" am Schlesischen Tor in Kreuzberg, wo ich mit dem Inhaber Cebrail Karabelli verabredet bin. Er hat 2006 - also noch vor dem derzeitigen Boom - in einem ehemaligen Toilettenhäuschen unter der Hochbahntrasse der U1 einen Burgerimbiss eröffnet. Im Häuschen selbst ist gerade genug Platz für die Angestellten. Sie bereiten hinter der Theke im Minutentakt frische Burger zu. Die Gäste stehen in einem überdachten Glasanbau, der mit Stickern übersät ist. Wer mag, kann seinen Burger auch draußen verzehren, wo direkt an der viel befahrenen Straße Bierbänke aufgestellt sind.
"Ich habe damals gedacht, ich mache einfach so ein kleines Ding auf", sagt Karabelli und lacht. Er habe sich weniger Stress erhofft als in seinem vorherigen Job als Restaurantleiter. Doch viel zu tun hat er auch heute noch - obwohl er inzwischen 20 Angestellte hat. Er selbst kümmert sich um das Drumherum, etwa dass täglich das frische Fleisch aus Treptow geliefert und vor Ort zu Hack verarbeitet wird.
Die Speisekarte im "Burgermeister" ist überschaubar und es gibt wechselnde Gerichte. "Ich muss nicht 25 verschiedene Burger anbieten und brauche auch keinen Burger mit Ananasscheibe drauf", sagt Karabelli. Immerhin einen vegetarischen Burger hat er in sein Angebot aufgenommen. Denn ohne Rücksicht auf die Fleischlosen ist man dieser Tage in Berlin schon fast nicht mehr politisch korrekt.
Ich entscheide mich für einen Cheeseburger. Mit einer zugeteilten Nummer in der Hand muss ich eine ganze Weile warten, bis endlich meine Nummer auf einer elektronischen Anzeige erscheint. Doch das saftig-würzige Fleisch, die gut getoasteten Brötchen, leckerer Käse und eine passende Sauce versöhnen mich schnell. Ob Cebrail Karabelli mit seiner Bude damals einen Trend gesetzt hat, kann er mir auch nicht sagen. Zumindest kenne ich nun sein Erfolgsrezept: Gute Burger, frische Zutaten, kein Schnickschnack.
Burger trifft auf asiatische Küche
Deutlich experimenteller geht es seit Juni 2013 im "Ban Ban Kitchen" in der Neuköllner Hermannstraße zu. Die Betreiber Linh Vu und Mark Roh kombinieren klassisches Fast Food mit Familienrezepten ihrer eigenen vietnamesischen und koreanischen Wurzeln. "Die Idee kam uns schon, als wir zusammen Architektur studiert haben", sagt Linh Vu. "Jeder hat doch irgendwann mal diesen Traum vom eigenen Laden. Wir haben es einfach gemacht!"
Dass die Betreiber keine professionellen Gastronomen sind, merkt man der Bude nicht an. Stilechte Manga-Bilder von Berliner Designern zieren die Außenwände der sonst schlichten Holzhütte. Einige der angebotenen Desserts hat ein befreundeter Sterne-Patissier kreiert. Es gibt nur vier Gerichte, diese bei Bedarf allerdings auch vegetarisch und vegan. Ein Mal im Monat kommt ein Spezialangebot dazu. Das Publikum im "Ban Ban Kitchen" ist jung und international und lädt Fotos seiner Gerichte bei Instagram hoch.
Linh Vu empfiehlt mir die Kimchi Fries: Pommes mit Gemüse in scharfer Sauce, Sojaschnetzel, Sesam und Frühlingszwiebeln. Dazu gibt es einen Nori Taco - serviert zwischen gerösteten Seetangblättern statt wie üblich in einer Tortilla. Der Geschmack bricht mit allem, was ich bisher probiert habe: Das süß marinierte und scharf angebratene Fleisch, der Sesam und die asiatischen Saucen bilden einen spannenden Kontrast zu herkömmlichem Fast Food. Jeder mit so tollen Ideen sollte unbedingt einen Laden aufmachen, denke ich mir, während ich in den Taco beiße. Und vielleicht gibt es ja auch deshalb gerade so viele kleine Imbissbuden, weil sich kreative Ideen dort schneller umsetzen lassen als in einem konventionellen Restaurant.
Bio-Burger im 60er Jahre-Flair
Als Letztes steht noch das "Fräulein Burger" in Prenzlauer Berg auf meiner Liste. Hier kann man kaum von einer Bude sprechen. "Kleines Restaurant im Stil der 60er Jahre" trifft als Beschreibung schon eher zu. Die Wände zieren rot-weiße Karos, auf den Holztischen stehen frische Blumen. "Das 'Fräulein' im Namen steht für die hausgemachte Kost und den 60er Jahre-Stil", erklärt Katharina Guntermann. "Das ist übrigens auch die Zeit, in der der Burger nach Deutschland kam."
Um Ende 2012 ihren Traum vom eigenen Laden zu verwirklichen, schmiss Katharina Guntermann zunächst ihren Job als Kulturmanagerin, studierte Betriebswirtschaftslehre per Fernstudium und schrieb nachts an ihrem Businesskonzept. Wichtig war Katharina Guntermann, für ihre Burger ausschließlich Biozutaten zu verwenden. Das Fleisch stammt von Freilandkühen aus Brandenburg, das Brot liefert ein Kreuzberger Biobäcker. Selbst Ketchup und Mayonnaise stellt Katharina Guntermann selbst her.
Besonders beliebt sind ihre fleischlosen Burger, die mit aufwendiger Grünkernkochtechnik und Extras wie karamellisiertem Gemüse zubereitet werden. Aber auch Klassiker wie den Cheeseburger bietet ihre Karte. Und so einen brät mir die Chefin nun höchstpersönlich. Als ich ihn gegessen habe, verstehe ich, was sie meint, wenn sie sagt, sie wollte schon immer einen großen Burger essen, ohne sich anschließend schlecht zu fühlen. Vor allem das selbstgemachte Ketchup schmeckt köstlich. Fast Food, ganz ohne schlechtes Gewissen!
Satt und zufrieden resümiere ich: Anders als erwartet, habe ich nach einer Woche Fast Food keineswegs die Nase voll davon. Im Gegenteil: Berlin bietet so viele Interpretationen vom schnellen Essen, dass mein Appetit gerade erst geweckt ist. Und offenbar inspiriert das Konzept von einem Imbiss viele verschiedene Menschen in Berlin, ihren ganz eigenen kulinarischen Traum Wirklichkeit werden zu lassen.