Masih Alinejad kämpft gegen den Kopftuchzwang
Veröffentlicht 7. März 2022Zuletzt aktualisiert 29. März 2022Die iranische Regimekritikerin Masih Alinejad muss selbst in den USA von Sicherheitskräften beschützt werden. Denn der Kampf für Frauenrechte und gegen den Kopftuchzwang in ihrer Heimat ist gefährlich: Im Iran, aber auch weltweit. Die US-amerikanischen Behörden sind davon überzeugt, dass der iranische Geheimdienst versucht, die Journalistin zu entführen und nach Teheran zu verschleppen. Obwohl sie mit ihrer Familie zeitweise in einem sogenannten Safe House, einem geheimen Ort leben muss, lässt sie sich nicht mundtot machen.
"Ich bin eine iranische Journalistin und Aktivistin. Und ich sage immer, dass ich eine Unruhestifterin für die Unterdrücker in der Islamischen Republik bin." - Masih Alinejad
Über die Sozialen Medien erreicht sie mehr als sieben Millionen Followerinnen und Follower - auch im Iran. Ihre Bekanntheit nutzt sie dazu, den Widerstand in der islamischen Republik zu unterstützen und weltweit sichtbar zu machen. Denn in der islamischen Republik werden die Medien streng kontrolliert und zensiert. Um trotzdem gehört zu werden, wenden sich vor allem Frauen mit ihrem Protest an Masih Alinejad.
"Ich gebe ihnen eine Stimme. Ich habe in den sozialen Medien mehr als sieben Millionen Follower, mehr als die Ayatollahs im Iran. Auch wenn ich keine Schauspielerin bin, oder ein Model: ich bin Aktivistin. Die Menschen nutzen also meine Plattform, um die Zensur zu durchbrechen und ihre Botschaft an den Rest der Welt zu senden. Und das erschreckt die Regierung im Iran." - Masih Alinejad
Meine heimliche Freiheit
2014 startete Masih Alinejad bei Facebook die Kampagne "My Stealthy Freedom" - meine heimliche Freiheit. Aus Portest gegen den Kopftuchzwang in ihrem Heimatland postete sie dort ein Foto von sich ohne Hijab. Zahlreiche iranische Frauen folgen ihrem Beispiel. Ende 2016 hatte die Seite bereits mehr als 1 Million Facebook-Likes.
2017 rief die Exil-Iranerin die Kampagne "White Wednesdays" ins Leben: Jeden Mittwoch sollen Frauen dabei ihr Kopftuch ablegen oder als Zeichen des Protests weiße Tücher tragen. Das Kopftuch in der Öffentlichkeit abzunehmen ist im Iran eine Straftat. Frauen, die ihr Kopftuch abnehmen, werden oft zusammengeschlagen, verhaftet und zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt.
"Fünf Frauen der White Wednesdays-Kampagne sind im Gefängnis, und leider schweigen einige westliche Medien über sie. Statt ihre Freilassung zu fordern, sagen sie: 'Fühlt ihr euch nicht schuldig, dass diese Frauen im Gefängnis sind?' Nein! Diejenigen, die Menschen für ihre Meinungsäußerung auspeitschen, sollten sich schuldig fühlen. Diejenigen, die im Iran Menschen hinrichten, sollten sich schuldig fühlen." - Masih Alinejad
Soziale Medien für Aktivismus nutzen
Trotz aller Widerstände lässt Masih Alinejad nicht locker. Nach den blutigen November-Protesten im Jahr 2019 startete sie ihre nächste Kampagne: "My camera is my weapon" - meine Kamera ist meine Waffe.
"Es bedeutet, wenn die Regierung Dich belästigt, verhaftet oder schikaniert, kannst Du deine Kamera benutzen und sie entlarven. Wie die Mütter der Menschen, die bei den Protesten im Iran getötet wurden: Sie benutzen ihre Kamera, um ihre Meinung zu sagen. Und das Regime hat Angst vor dieser Kampagne, weil die Menschen so ihre Stimme zurückgewinnen." - Masih Alinejad
Für Masih Alinejad sind die Frauen, die bei der Kampagne mitmachen und ihr Gesicht zeigen, Freiheitskämpferinnen - die ihr Leben riskieren, um einen Regimewandel im Iran zu erreichen. Und die auch nicht vor heftigen Strafen zurückschrecken.
"Das Regime hat sogar extra ein neues Gesetz erlassen: Demnach wird jede Frau, die Videos an Masih Alinejad schickt, mit bis zu 10 Jahren Gefängnis bestraft wird. Das hat nicht funktioniert. Ich werde immer noch mit Videos von Leuten bombardiert, die mutig genug sind, die Gesetze im Iran herauszufordern." - Masih Alinejad
Druck auf die Familie
Wie viele Aktivistinnen und Aktivisten im Exil sind auch Masih Alinejad und ihre Familie Einschüchterungen durch iranische Staatsorgane ausgesetzt. Ihre Mutter wurde verhört, ihr Bruder verhaftet, und zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt. Alles nur, um sie und ihren Widerstand zu brechen, so Masih Alinejad. Denn die Machthaber in Teheran wüssten, dass die Menschen im Iran sich weiter an sie wenden.
"Sie wenden verschiedene Taktiken an, um mich zu zensieren, zum Beispiel, dass ich mich schuldig fühle, dass ich mich elend fühle, dass sie die Leute davon abhalten, mir Videos zu schicken, oder dass sie jemanden schicken, der mich aus meinem Haus in Brooklyn, in New York, entführt. Das sind die Taktiken des Regimes, um die Menschen im Iran zum Schweigen zu bringen." -Masih Alinejad
Kein Einzelfall: Die Menschenrechtsorganisation "Abdorrahman Boroumand Center for Human Rights (ABC)" geht davon aus, dass mehr als 500 Iranerinnen und Iraner von staatlichen Stellen entführt oder ermordet worden sind. Viele der Verschwundenen sind bis heute unauffindbar.
In den USA gibt es seit Ende 2021 einen Gesetzentwurf, der Sanktionen gegen iranische Agenten vorsieht, die an der Überwachung, Belästigung, Entführung oder Ermordung iranischer oder amerikanischer Bürger beteiligt sind. Er trägt den Namen der Aktivistin: "Masih Alinejad Harassment and Unlawful Target Act".
Masih Alinejad selbst kämpft derweil weiter für die Rechte der Frauen im Iran und gegen das herrschende Regime:
"Sie haben mich aus dem Iran geworfen, aber sie können mir den Iran nicht wegnehmen." -Masih Alinejad