Eine Frau aus Afrika an der Spitze der WTO
15. Februar 2021Die Nigerianerin Ngozi Okonjo-Iweala wird neue Chefin der Welthandelsorganisation WTO. Die Ex-Finanzministerin wurde bei einer Online-Konferenz des obersten Entscheidungsgremiums der WTO am Montag einstimmig für das Amt der Generaldirektorin gewählt. Die 66-Jährige tritt ihr Amt am 1. März an. Mit Okonjo-Iweala tritt erstmals eine Frau und erstmals eine Vertreterin des afrikanischen Kontinents an die Spitze der 1995 gegründeten Organisation.
"Dr. Ngozi ist eine der qualifiziertesten Personen für diesen speziellen Posten", sagte Shamsudeen Usman der DW. Okonjo-Iweala wie auch Usman hatten 2011 Ministerämter in der nigerianischen Regierung unter Präsident Jonathan Goodluck inne.
Okonjo-Iweala hatte beste Chancen, die Führung der WTO zu übernehmen, nachdem die südkoreanische Handelsministerin Yoo Myung-hee ihre Bewerbung in der vorletzten Woche zurückgezogen hatte. Okonjo-Iweala wird auch von der Europäischen Union, der Afrikanischen Union, von China, Japan und Australien unterstützt.
Allerdings war sie nicht die Kandidatin der früheren amerikanischen Regierung unter Präsident Trump. Das erschwerte den Entscheidungsprozess; die Wahl des Generaldirektors erfordert den Konsens aller WTO-Mitglieder. Mit dem Amtsantritt der neuen US-Regierung unter Präsident Joe Biden änderte sich das.
"Ich bin mir sicher, dass sie ihre Aufgaben ausgezeichnet erfüllen wird, so wie bei den vielen Jobs, die sie bisher innehatte", sagte Usman, Nigerias ehemaliger Minister für nationale Planung, über seine damalige Kollegin.
Die WTO, deren Aufgabe die Förderung des freien Handels weltweit ist, war ohne Führung, seit der Brasilianer Roberto Azevedo im vergangenen August ein Jahr vor Ende seiner Amtszeit zurücktrat. Der Rücktritt fiel zusammen mit einer Eskalation des Handelsstreits zwischen den USA und China.
"Das Blatt wendet sich zugunsten kompetenter Frauen"
Mit ihrer Ernennung ist Okonjo-Iweala die erste Frau und die erste Person aus Afrika an der Spitze der WTO. In Nigeria war sie die erste Außenministerin. Zwei Mal stand sie auch an der Spitze des nigerianischen Finanzministeriums.
"Ihre Ernennung betrachte ich als Bestätigung für die Kompetenz und die Führungsqualitäten afrikanischer Frauen und dafür, dass afrikanische Frauen trotz der systematischen Hürden und Hindernisse, mit denen sie konfrontiert sind, hervorragende Leistungen erbringen", so Fadumo Dayibu, die erste Kandidatin bei einer Präsidentschaftswahl in Somalia gegenüber DW. "Das Blatt wendet sich zugunsten kompetenter Frauen und es wird Zeit, dass das so kommt."
Der nigerianische Ökonom Tunji Andrews stimmt dem zu. Er sagt, die internationale Gemeinschaft begreife endlich, dass Afrikaner ihren Platz am Tisch der globalen Player haben. "Menschen auf der Welt werden bald sagen, lasst uns mehr Afrikaner in solche Rollen bringen, nicht nur in Rollen bei der Friedenssicherung, sondern dort, wo intellektuelle Fähigkeiten und Erfahrung gefragt sind." Andrews ist Gründer von Awabah Nigeria, einer Organisation mit Sitz in Lagos, die Mikrokredite vergibt.
Erfahrene Ökonomin auf der internationalen Bühne
Zwar schreibe Ngozi Okonjo-Iweala allein schon deshalb Geschichte, weil sie die erste Frau - und zudem aus Afrika - an der Spitze der WTO sei, sagt Amara Nwankpa aus Nigeria, aber sie bringe nicht nur "Diversität und Inklusion" mit auf die internationale Ebene. "Ich bin sehr optimistisch, dass sie beim globalen Handel einen positiven Einfluss haben wird. Schließlich zeigen ihre bisherigen Positionen, wie leidenschaftlich sie sich dafür einsetzt, Ungleichheit, Armut und Korruption weltweit zu verringern", so Nwankpa gegenüber DW. Er ist Direktor der Public Policy Initiative der Shehu Musa Yar'Adua Foundation ist, einer nigerianischen Non-Profit-Organisation.
"Das ist ein Moment des Stolzes für mich als Nigerianer, der ihre Bewerbung zudem immer unterstützt hat. Auch wenn es doch eine Weile gedauert hat, bis die Wahl abgeschlossen war", fügt Nwankpa hinzu.
Diese Wahl sei nicht einfach ein UN-Projekt namens "Inklusion", sagt auch der nigerianische Wirtschaftswissenschaftler Tunji Andrews. "Okonjo-Iweala ist überaus qualifiziert, und ich freue mich sehr, dass sich nicht nur eine qualifizierte Afrikanerin, sondern eine qualifizierte Nigerianerin ist."
Politisches und ökonomisches Schwergewicht
Während ihrer zweiten Amtszeit als Finanzministerin galt Okonjo-Iweala "als treibende Kraft der Entwicklung von Reformprogrammen, die halfen, die Transparenz der Regierung zu verbessern und die Wirtschaft zu stabilisieren", so das US-Wirtschaftsmagazin Forbes, das sie 2015 weltweit zu den Top 50 Power Women zählte.
Die Ökonomin studierte in Harvard und machte ihren Abschluss am MIT. Sie sitzt im Board von Twitter und der Standard Chartered Bank. Zudem ist sie Vorsitzende von Gavi, einer globalen Impf-Allianz, die dafür sorgen will, das Entwicklungsländer den nötigen Zugang zu COVID-19-Impfstoffen erhalten.
Okonjo-Iweala werde also "in den neuen Job beeindruckende Verhandlungsfähigkeiten und Führungsqualitäten einbringen, um sich den derzeitigen Schlüsselproblemen des Planeten stellen zu können", findet Amara Nwankpa von der nigerianischen Public Policy Initiative. "Sie ist genau die Richtige, die die Welt in diesen turbulenten Zeiten für den internationalen Handel braucht."
Aus dem Englischen. Adaptiert von Andreas Rostek-Buetti
Der Artikel wurde am 15.02. 2021 aktualisiert.