Das Grundgesetz wird 65
23. Mai 2014"Das Grundgesetz gehört zu den besonderen Glücksfällen der deutschen Geschichte", sagte Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) in einer Feierstunde im Deutschen Bundestag. Mitglieder von Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung und dem Verfassungsgericht waren zusammengekommen, um an den 23. Mai 1949 zu erinnern.
Damals wurde das Grundgesetz als Grundlage der jungen Demokratie in Deutschland zur Verfassung ernannt. 65 Jahre später, sagte Lammert, könne sich Deutschland zu dieser Verfassung nur gratulieren, denn sie habe sich als "unangefochtene Grundlage" des demokratischen Zusammenlebens hierzulande erwiesen.
Der Verfassungstext habe sich dabei in den zurückliegenden Jahren als besonders wandlungsfähig gezeigt und habe nicht zuletzt die Wiedervereinigung zwischen BRD und DDR durch den Beitritt zum Geltungsbereich des Grundgesetzes ermöglicht.
Lammert: "Das Grundgesetz ermöglicht Vielfalt"
Deutschland sei mit rund 20 Prozent Einwohnern mit Migrationshintergrund inzwischen ein "ethnisch, kulturell und religiös" anderes Land als in der unmittelbaren Nachkriegszeit, sagte Lammert.
"Zu den großartigsten Leistungen dieses Grundgesetzes gehöre es deshalb, diese Vielfalt zuzulassen." Lammert warf allerdings auch einen kritischen Blick auf die Änderungen, die an diesem Grundgesetztext gemacht wurden. Vor allem kritisierte er, dass dieser Text inzwischen doppelt so umfangreich sei wie bei seiner Verabschiedung 1949, mit vielen "fragwürdigen" und manchen zu "detaillierten Änderungen".
Kermani: "Danke Deutschland"
Mit besonderer Spannung war die Festrede zum Grundgesetz-Jubiläum erwartet worden. Der 47-jährige Schriftsteller Navid Kermani beeindruckte das Parlament mit einem flammenden Plädoyer.
"Die Bundesrepublik ist lebens- und liebenswert geworden", sagte der im westfälischen Siegen geborene Sohn iranischer Einwanderer. Maßgeblich dazu beigetragen habe auch das Grundgesetz, ein "bemerkenswert schöner Text". Er würdigte es, dass es am 65. Geburtstag des Grundgesetzes möglich sei, dass ein Bürger mit Migrationshintergrund die Festrede halte.
Erinnerung an "Verstümmelungen"
Gleichzeitig übte Kermani offen Kritik an der Art und Weise, wie Deutschlands Politik die Grundsätze der Verfassung in der Wirklichkeit lebe. Als Beispiel führte er die Veränderung der Asylregeln an, die im Paragraph 16a des Grundgesetzes verankert sind.
"Wir können das Grundgesetz nicht feiern, ohne an die Verstümmelungen zu erinnern, die ihm hier und dort zugefügt wurden", sagte Kermani. "Dem Recht auf Asyl wurde sein Inhalt, dem Artikel 16 seine Würde genommen." Deutschland müsse nicht alle Mühseligen und Beladenen der Welt aufheben, aber es habe genügend Ressourcen, um politische Verfolgte zu schützen. Zudem brauche es mehr Wege, damit Menschen auf legalem Weg nach Deutschland einwandern könnte, forderte Kermani und ernte Applaus von der Opposition, versteinerte Minen allerdings vor allem von den Parlamentariern der Unionsfraktion.
Kermani lobte zum Ende seiner Rede insbesondere den Weitblick all jener Mütter und Väter des Grundgesetzes, die in der unmittelbaren Nachkriegszeit im Parlamentarischen Rat eine Verfassung geschaffen hätten, die sich auf die "universellen Werten" gründeten, ja sie begründeten. "Wie froh müssen wir sein, dass am Anfang der Bundesrepublik Politiker standen, die ihr Handeln nicht nach Umfragen, sondern nach ihren Überzeugungen ausrichteten", sagte Kermani.
In einem symbolischen Akt verbeugte er sich vor Deutschland und bedankte sich für die "grandiose Integrationsleistung" des Grundgesetzes für eine multikulturelle Gesellschaft. "Danke, Deutschland", waren seine vielbeachteten Schlussworte.