Ein unabhängiger Geist
4. Mai 2016Es gibt wohl nichts auf der Welt, das Pep Guardiola so sehr liebt, wie die Unabhängigkeit. Er selbst will entscheiden, wer spielt und wie gespielt wird. Er möchte festlegen, wann ein verletzter Spieler soweit wieder hergestellt ist, dass er zurück ins Team kann - egal ob die medizinische Abteilung Einwände hat. Er will bei Transfers das letzte Wort haben und sich am liebsten einen Kader ganz nach seinen Vorstellungen basteln. Auch die kleinsten Details interessieren Guardiola. Alles, was er beeinflussen kann, möchte er auch beeinflussen, um seine Spieler und sein Team immer noch besser zu machen. So legte er kurz nach seiner Ankunft in München fest, dass seine Spieler spätestens eine Stunde nach Spielende etwas essen mussten - und kontrollierte die Einhaltung dieser Regel sogar mit Hilfe einer Ernährungsbeauftragten.
Nicht selten eckte der Katalane bei den familiär geführten Bayern an mit seiner perfektionistischen Art und seiner gleichzeitig nicht all zu ausgeprägten Fähigkeit zur Diplomatie - Ex-Bayern-Arzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt, Nationalspieler Mario Götze und der eine oder andere aussortierte Ex-Bayernspieler wie Mario Mandzukic können das wohl bezeugen. Auch mit Sportvorstand Matthias Sammer soll Guardiola nicht immer besonders gut ausgekommen sein.
Steter Wechsel und neue Herausforderungen
Doch in gleichem Maße, wie sein Drang nach Perfektion manches Mal eine Schwäche Guardiolas zu sein scheint, ist sie auch seine Stärke. Es gibt kaum einen erfolgreicheren Trainer als ihn, kaum einen besseren Didakten. Guardiola hob das Fußballspiel während seiner Zeit als Trainer des FC Barcelona auf ein neues Niveau. Größtmöglicher Ballbesitz, absolute Kontrolle, Kurzpassspiel, ständiges Verschieben - das alles garniert mit der individuellen Klasse von Spielern wie Andres Iniesta oder Lionel Messi. Perfekter konnte man nicht spielen.
Zwar pflegt Guardiola engen Kontakt zu seinen Spielern, lange Bindungen an einen Verein behagen ihm aber nicht - zumindest im Berufsleben. Nach nur drei Jahren wird er den FC Bayern im Sommer verlassen. Auf zu Manchester City, zum nächsten Klub, der nächsten Herausforderung. Ziel ist dabei für Guardiola stets das Maximum: Trophäen, die Meisterschaft, die Champions League - einen Titel, den er mit den Bayern durch das dritte Halbfinal-Aus in Folge nun dreimal verpasst hat - und auf dem Rasen ein perfektes System. Seinen Abschied bei den Bayern nach drei Spielzeiten hatte Guardiola im Grunde schon früh angekündigt, als er einst sagte: "Das vierte Jahr als Trainer beim FC Barcelona war mein größter Fehler." Und: "Drei Jahre, das ist eine überragend lange Zeit."
Kultur und Politik
Über den Privatmenschen Pep Guardiola weiß man wenig. Abseits des Platzes ist er zurückhaltend und gibt kaum Interviews. Im Mai 2015 hat er nach 25 Jahren seine Partnerin Cristina geheiratet, mit der seit seinem 18. Lebensjahr zusammen ist und drei Kinder hat. Guardiola ist an Kultur interessiert, zählt Dichter und Schriftsteller zu seinen engen Freunden. Er liebt gutes Essen und trinkt gerne ein Glas Weißwein. Angeblich steht nach jedem Heimspiel in seinem Büro in der Allianz Arena eine ganze Flasche für Guardiola bereit.
Die Unabhängigkeit, die er im eigenen Leben als erstrebenswert erachtet, wünscht sich Guardiola auch für seine Heimat Katalonien. In der Region im Osten Spaniens gibt es seit langem eine starke Unabhängigkeitsbewegung, in der Guardiola aktiv ist. Symbolisch ließ er sich auf den untersten Listenplatz der Koalition "Junts pel Si" setzen, die die Abspaltung befürwortet. Mehrfach forderte Guardiola öffentlich eine Loslösung Kataloniens von Spanien. Sie sei "besser für Katalonien und Spanien" und werde definitiv irgendwann kommen.
Nur noch wenige Wochen entfernt ist die Trennung Pep Guardiolas vom FC Bayern. Ob dieser Schritt für Trainer und Verein ebenfalls eine Verbesserung darstellt, wird sich zeigen.