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Ein Traum wird enden

Joscha Weber (z. Zt. in Belo Horizonte)8. Juli 2014

Das Halbfinal-Spiel zwischen Brasilien und Deutschland ist weit mehr als ein Fußballspiel. Für viele ist es das vorweggenommene Finale und zugleich das Ende der Titelhoffnungen für einen WM-Favoriten.

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Fußball WM 2014 Deutschland Frankreich Viertelfinale, Jubel der deutschen Spieler (Foto: REUTERS/Eddie Keogh)
Bild: Reuters

Der Weg vom Flughafen zum Stadion Mineirao in Belo Horizonte führt über eine breite, gut ausgebaute Autobahn. Im Gegensatz zu manch anderen brasilianischen Infrastrukturprojekten ist der Weg in die 2,5-Millionen-Einwohner-Stadt rechtzeitig zur WM fertig geworden. Vorbei an modernen Bürogebäuden und tristen Armenvierteln führt die Fahrt mitten ins hektische Zentrum der Metropole und dann sieht man sie: die Brücke, die zwei Menschenleben kostete. Trümmer liegen auf der Straße, ein Fotograf knipst ein paar Bilder, daneben steht eine Gruppe Schaulustiger. Es ist der Ort eines Dramas, am Rande dieser Weltmeisterschaft. Am Donnerstagnachmittag war die Brücke an der Avenida Pedro I. krachend eingestürzt, hatte Fahrzeuge und Menschen unter sich begraben. Ein herber Dämpfer für die ausgelassene WM-Stimmung in Belo Horizonte und vielleicht - so glauben hier manche - auch kein gutes Omen für Dienstag. Dann treffen hier die beiden Fußball-Giganten Brasilien und Deutschland im ersten WM-Halbfinale aufeinander (ab 22 Uhr MESZ im DW-Liveticker).

Bei einer brasilianischen Niederlage könnte dann im ganzen Land etwas zusammenbrechen. Brasilien träumt seit der Vergabe der WM im Jahr 2007 vom "Hexa", dem sechsten Titel für die Selecao, gegen Deutschland könnte die Nation ernüchtert aufwachen aus diesem Traum. Denn es wartet nicht nur ein schwerer Gegner. Brasilien ist vor dem Halbfinale fast mehr mit sich selbst beschäftigt. Der Ausfall von Neymar wurde zu einer nationalen Angelegenheit, die Abhängigkeit des brasilianischen Spiels von seiner Person nun erstmals zum offensichtlichen Problem. Dazu kommt die Gelb-Sperre von Abwehr-Leitwolf und Mannschaftskapitän Thiago Silva, gegen dessen Ausschluss der brasilianische Fußball-Verband (CBF) Einspruch einlegt hatte - ohne Erfolg. Bei einer Pleite gegen Deutschland rechnen viele in Brasilien mit einer tiefen Enttäuschung, deren Energie von vielen möglicherweise bei Demonstrationen und Protesten entladen werden könnte.

Fußball WM 2014 Luiz Felipe Scolari Trainer Brasilien (Foto: dpa)
Brasiliens Coach Felipe Scolari steht vor einer schweren Aufgabe: Er muss Neymar ersetzenBild: picture-alliance/dpa

Ohne Neymar, für Neymar

Die Vorzeichen sind nicht gut, doch glaubt man ihren Worten, schweißt das Brasiliens Spieler nur noch mehr zusammen. "Wir sind über Neymars Verlust traurig, gehen aber gestärkt daraus hervor, um unseren Traum wahr zu machen, ins Finale zu kommen und Weltmeister zu werden", meinte Offensivkraft Willian. Er soll Neymar wohl ersetzen - oder es zumindest versuchen. Doch auch wenn er nicht spielt, ist es weiter Neymar, der im Fokus steht. "Unsere Nummer 10 wird mit uns sein, wenn er kann auf der Bank oder auf der Tribüne", sagte Nationaltrainer Luiz Felipe Scolari, der selbst auf eine Schlüsselerfahrung zurückblicken kann: Er hat Deutschland bei einer WM schon einmal besiegt. Vor zwölf Jahren führte er Brasilien im Endspiel von Yokohama zum WM-Sieg, Brasilien schlug die deutsche Nationalelf damals mit 2:0.

Fußball WM 2014 Training Brasilien mit Felipe Scolari, Willian und Luiz Gustavo (Foto: dpa)
Wolfsburgs Luiz Gustavo (r.) wird ins Team zurückkehren - darf auch Willian (l.) spielen?Bild: picture-alliance/dpa

Doch wie das so ist mit historischen Vorlagen, eigentlich sagen sie über das Hier und Jetzt rein gar nichts aus. Denn außer Miroslav Klose steht kein Vize-Weltmeister von 2002 mehr im Kader von Bundestrainer Joachim Löw. Eine neue Generation ist seit der Heim-WM 2006 gewachsen und hat sich zum Titelkandidaten entwickelt. Der Weg dieser Elf verlief in den vergangenen Jahren zwar nicht immer geradlinig, doch - mit etwas Distanz betrachtet - kontinuierlich bergauf. Gipfeln soll er mit dem WM-Titel in Rio, dem großen Traum von Joachim Löw. "Wir wollen unbedingt noch mal in Rio im Maracana-Stadion spielen. Am 13. Juli. Wir sind noch nicht fertig", sagte der Bundestrainer auf der Internetseite des Deutschen Fußball-Bundes (DFB).

"Den Brasilianern einen großen Kampf liefern"

Diesem Ziel steht jedoch zunächst Brasilien im Weg. "Wir werden einen guten Plan entwickeln und den Brasilianern einen großen Kampf liefern. Die Chancen sind ausgeglichen", schätzt Löw und glaubt, dass am Ende "Kleinigkeiten" entscheiden werden, wer am Sonntag (ab 21.00 Uhr MESZ im DW-Liveticker) im Endspiel auf den Sieger des zweiten Halbfinales Niederlande - Argentinien (09.07.2014, ab 22.00 Uhr MESZ im DW-Liveticker) treffen wird.

Fußball WM 2014 Deutschland Training mit Joachim Löw und Thomas Müller (Foto: dpa)
Bundestrainer Löw arbeitet an den "Kleinigkeiten"Bild: picture-alliance/dpa

Wer auf dem Platz für die Umsetzung des deutschen Traumes sorgen soll, lässt der Bundestrainer wie üblich nach außen hin offen. Kapitän Philipp Lahm wird spielen, das ist selbstverständlich, vermutlich auch wieder als rechter Verteidiger wie gegen Frankreich, bestätigen wollte das der Bundestrainer jedoch nicht. "Variabilität und Flexibilität haben uns ins WM-Halbfinale geführt. Und alle können sicher sein: Wir haben noch weitere Varianten."

Viel spricht für Schweinsteiger und Khedira

Eine Variante könnte sein, Deutschlands besten Torschützen bei der WM, Thomas Müller, wieder zurück in die Spitze zu beordern. Dort hatte Altstar Miroslav Klose im Viertelfinale gegen Frankreich nicht richtig überzeugen können. Das galt hingegen schon für das Defensiv-Gespann Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira, die beide mit Formrückstand ins Turnier gegangen waren, nun aber zur entscheidenden Phase des Turniers wieder fit sind - auch wenn es über 120 Minuten gehen sollte, versichert Bastian Schweinsteiger: "Ich bin bereit."

Das behaupten beide Mannschaften von sich und dies ist natürlich Teil der obligatorischen verbalen Stärkebekundungen vor solchen Spielen. Trotz aller Worte, eines ist Fakt: Für einen der beiden wird der große Traum am Dienstagabend enden.