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Ein Rennfahrer will in den Regierungspalast

Astrid Prange25. Oktober 2015

Er gilt als Macho. Als Millionär mit Herz für Arme und politischer Wendehals. Beim ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen verfehlte Daniel Scioli die Mehrheit. Nun muss sich der Peronist in einer Stichwahl behaupten.

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Daniel Scioli (Foto: Getty Images/ AFP)
Bild: Getty Images/AFP/J. Mabromata

Nach Auszählung von knapp 90 Prozent der Stimmen lagen Daniel Scioli von der peronistischen Regierungspartei und der konservative Gegenkandidat Mauricio Macri Kopf an Kopf bei rund 35 Prozent. In Argentinien kommt es deshalb am 22. November zu einer Stichwahl um die Nachfolge von Staatschefin Cristina Fernandez de Kirchner.

Ideologie, nein danke! ...

... so könnte der Grundsatz des 58-jährigen Scioli lauten. Seine Wahlslogans im Radio setzten auf Vertrauen statt auf Inhalte: "Gebt mir Eure Stimme, das ist das Einzige, worum ich euch bitte! Den Rest könnt ihr mir überlassen. Ich weiß, was zu tun ist", lautete die Botschaft.

Scioli ist kein Unbekannter in dem südamerikanischen Land, das in den vergangenen zwölf Jahren von dem Ehepaar Kirchner regiert wurde. Bereits Ex-Präsident Carlos Menem (1989 bis 1999) berief den bekannten Rennbootfahrer als Sport- und Tourismusminister in sein Kabinett. Präsident Néstor Kirchner (2003 bis 2007) machte Scioli zu seinem Stellvertreter.

Scioli zeigte sich stets flexibel, wie es sich für einen Peronisten gehört: Als Tourismusminister unter Präsident Carlos Menem lobte er dessen neoliberalen, wirtschaftsfreundlichen Kurs. Als Vize Néstor Kirchners befürwortete er Subventionen und Sozialprogramme.

Die peronistische Partei (Partido justicialista/ PJ) wurde nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet und ist die wichtigste politische Kraft in Argentinien. Seit dem Ende der Militärdiktatur 1983 regieren die Peronisten das Land fast ohne Unterbrechung - nur zweimal mussten sie kurzzeitig ihre Macht abtreten.

Auf der Siegesspur

Unter Cristina Kirchner, die 2007 ihrem Mann als Präsidentin folgte, verabschiedete sich Scioli aus dem Regierungspalast. Im Schatten der dominanten Staatschefin profilierte er sich als Gouverneur von Argentiniens größter Provinz Buenos Aires. Von 2009 bis 2014 übernahm er auch den Vorsitz der peronistischen Partei.

"Cristina Kirchner hat lange gewartet, bis sie Scioli zum Kandidaten für ihre Nachfolge kürte", erklärt Dörte Wollrad, Leiterin des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Buenos Aires. "Sie hat ihn von Anfang an gehasst, weil Scioli nicht zu ihren Anhängern gehörte. Er selbst sagt von sich, er sei ein mittiger, moderater Peronist."

Daniel Scioli und Cristina Fernandez de Kirchner (Foto: Reuters)
Mann der Mitte: Cristina Kirchner will mit ihrer Unterstützung für Scioli die gespaltenen Peronisten einenBild: Reuters/A.Marcarian

Es scheint, als wolle Cristina Kirchner nun durch Scioli ihren eigenen linkspopulistischen Kurs nachträglich korrigieren. Denn an der scheidenden Präsidentin, die nach zwei Amtsperioden nicht mehr kandidieren darf, scheiden sich die Geister. Während ihre Anhänger aus den ärmeren Bevölkerungsschichten ihr bedingungslos folgen, stößt ihre Politik bei vielen Unternehmern auf Abneigung und Unverständnis.

Scioli soll diese Spaltung nun überwinden. Dem studierten Marketingfachmann kommt dabei nicht nur seine politische Verankerung in der peronistischen Partei zugute. Er genießt vor allem wegen seiner sportlichen Leistungen als Rennbootfahrer bei der Bevölkerung große Sympathie.

Hart im Nehmen

Dabei wäre die sportliche Karriere des Sohnes wohlhabender italienischer Einwanderer beinahe tragisch verlaufen: Im Dezember 1989 erlitt Scioli im Alter von 32 Jahren mitten im Rennen einen schweren Unfall. Bei einem Sturz im Rio Paraná wurde ihm sein rechter Arm abgerissen. Fast wäre er in den aufgewühlten Wassermassen verblutet.

Sciolis Arm wurde amputiert und durch eine Prothese ersetzt. Doch er fuhr weiter Motorboot und holte sogar noch einige Titel bei den Formel-1-Rennen auf dem Wasser. "Das wird Scioli immer noch hoch angerechnet", meint FES-Büroleiterin Dörte Wollrad. "Die Leute sagen: Das ist ein Macho, das ist toll!"

Im Nachhinein deutet Daniel Scioli den schweren Unfall als politisches Erweckungserlebnis. "Ich weiß, was ich Gott zu verdanken habe", erklärte er schon vor Jahren in argentinischen Medien. "Nur wegen des Unfalls habe ich mich entschlossen, eine politische Karriere zu beginnen!"

Mit seiner politischen Karriere ging auch ein finanzieller Aufstieg einher. In den vergangenen 20 Jahren, so die Lateinamerika-Ausgabe der spanischen Tageszeitung "El País", habe sich das Vermögen Sciolis vertausendfacht.

Millionäre unter sich

Scioli besitze nicht nur eine Villa und ein Rennboot, sondern auch jede Menge Aktien, Bankkonten mit Guthaben in Dollar und einen privaten Fußballplatz auf dem Grundstück seiner Villa in Buenos Aires.

Auf Millionäre scheint die Casa Rosada, wie die Argentinier ihren Regierungssitz nennen, eine ganz besondere Anziehungskraft auszuüben. Denn nicht nur Daniel Scioli ist mehrfacher Millionär, auch sein Konkurrent Mauricio Macri, Bürgermeister von Buenos Aires, und Kandidat der konservativen Wahlallianz PRO, verfügt nach Zeitungsberichten über ein Vermögen in sechsstelliger Höhe.

Wer auch immer in den Regierungsplast einzieht - auf den Nachfolger von Argentiniens Präsidentin Cristina Kirchner kommen schwierige Zeiten zu. Er muss auf die Gläubiger zugehen, damit Argentinien wieder Kredite auf dem Kapitalmarkt aufnehmen kann. Er muss Sozialleistungen und Subventionen streichen, um Verschuldung und Inflation einzudämmen. Und er muss trotz sinkender Rohstoffpreise und Exporteinnahmen die Wirtschaft wieder ankurbeln.

"Das Ergebnis dieser Wahl wird zeigen, wie schnell der Kurswechsel ausfällt", meint der argentinische Kolumnist Carlos E. Cué. "Wenn Daniel Scioli gewinnt, wird es eine graduelle Wende sein. Wenn Mauricio Macri siegt, fällt der Kurswechsel deutlicher aus."