Ein Paragraf und seine Auswirkungen
15. April 2016Deutschland ist ein Land der Juristen. Vieles ist geregelt, Paragrafen bilden das Rückgrat des Staates - vielleicht sogar mehr als in anderen Ländern. Und so ist auch die Beleidigung von ausländischen Staatsoberhäuptern geregelt.
Im Wortlaut des Paragrafen 103 des Strafgesetzbuchs (StGB) heißt es: "Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt oder wer mit Beziehung auf ihre Stellung ein Mitglied einer ausländischen Regierung, das sich in amtlicher Eigenschaft im Inland aufhält, oder einen im Bundesgebiet beglaubigten Leiter einer ausländischen diplomatischen Vertretung beleidigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, im Falle der verleumderischen Beleidigung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft." Die Voraussetzung, um sich auf diesen Paragrafen zu beziehen, setzt voraus, dass nach Paragraf 104a des Strafgesetzbuches Deutschland zu dem Staat, aus dem die beleidigte Person stammt, diplomatische Beziehungen unterhält. Dies ist in dem Fall mit der Türkei gegeben.
Urteil zugunsten des Schahs
Dieser Paragraf kam in Deutschland in den 1960er Jahren im Zusammenhang mit dem Schah von Persien (Artikelbild rechts) zur Anwendung. Eine Fotomontage in einer Zeitung soll den Despoten beleidigt haben. Das Gericht gab ihm Recht und verurteilte die Mitarbeiter der Zeitung zu einer Geldstrafe.
Es gab immer wieder Fälle in denen sich ausländische oder religiöse Gruppen durch deutsche Satire oder öffentliche Transparente beleidigt fühlten. Ein Plakat mit der Aufschrift "Mörderbande" 1975 vor der chilenischen Botschaft in Bonn präsentiert, ließ deutsche Gerichte aktiv werden. Chiles Staatschef Pinochet (Artikelbild) und sein Botschafter in Deutschland fühlten sich von dem Plakat diskreditiert und klagten. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hielt das Transparent für rechtswidrig. Auch die Revision gegen das Urteil wies das nun zuständige Bundesverwaltungsgericht 1981 zurück.
Aufregung bei Muslimen
Der Showmaster Rudi Carrell stolperte 1987 in diplomatische Verwicklungen als er in seiner Satire-Nachtrichtensendung "Rudis Tagesshow" den iranischen Revolutionsführer Ajatollah Chomeini in einer Filmmontage mit Damenunterwäsche bewerfen ließ. Der Paragraf 103 kam jedoch nicht zur Anwendung.
Auch die Tageszeitung "taz" hatte auf ihrer Satireseite "Wahrheit" so manchen spektakulären Fall. Viel Wirbel verursachte zum Beispiel die Geschichte unter dem Titel "Mullahs immer klüger", die sich mit indischen Muslimen beschäftigte, die das Fernsehen für ein Erdbeben verantwortlich machten und daraufhin ihre TV-Geräte zerstörten. Der Schlusssatz des Artikels lautete damals: "Allah ist groß, Allah ist mächtig, er hat einen Arsch von drei Meter sechzig." Groß war der Aufschrei bei Muslimen weltweit. Es wurde für die Autoren sogar die Fatwa, ein muslimisches Rechtsgutachten in Betracht gezogen. Dies kann sogar wie im Fall von Salman Rushdi soweit führen, dass zur Tötung der Person aufgerufen wird. Dazu kam es im Fall der "taz" jedoch nicht, da die Zeitung eine förmliche Entschuldigung aussprach.
Lockere deutsche Regelung für das Inland
Auch das deutsche Recht kann Hohn und Spott gegen das Staatsoberhaupt ahnden. Im Paragraf 90 des Strafgesetzbuches kann die Beleidigung des Bundespräsidenten eine Strafe von drei Monaten bis fünf Jahren Gefängnis nach sich ziehen. Es gilt jedoch einschränkend, dass dies nur mit Zustimmung des Bundespräsidenten erfolgen kann.
In der Türkei regelt der Paragraf 299 des dortigen Strafgesetzbuches die Ahndung einer Beleidigung des Staatsoberhaupts. Angeklagte müssen bei einer Verurteilung mit bis zu vier Jahren Haft rechnen.