Tröpfchenweise Wachstum
26. April 2013Vier Mal muss Mando Adayé die Kurbel im Kreis drehen, dann springt die Motorpumpe an. Langsam beginnt die Maschine, Wasser aus einem unterirdischen Speicher an die Oberfläche zu pumpen. Doch wenn Adayé den Hahn aufdreht, dann ergießt sich kein Wasserstrahl über seine Bananenstauden und Mangobäume. Stattdessen tropft das Wasser ganz langsam in den Boden, sickert wohldosiert durch stecknadelkopfgroße Löcher in den schwarzen Schläuchen, die auf der Erde liegen.
Weniger Wasser, mehr Ernte
Adayé wischt sich den Schweiß von der Stirn. Er bewirtschaftet eine Obstplantage im Herzen Burkina Fasos in Westafrika. In der Trockenzeit im Frühling herrschen hier Temperaturen um die 35 Grad Celsius. Die Sahel-Zone ist nur zwei Autostunden entfernt. Wasser ist hier Mangelware. Und Nahrung deshalb auch. Ein Viertel der Einwohner Burkina Fasos hat nicht genug zu Essen.
Mando Adayé setzt deshalb auf ein wassersparendes System. In der Regenzeit sammelt er Wasser in einem Reservoir. Jetzt in der Trockenzeit transportiert er dieses Wasser über Schläuche direkt zu den Pflanzen. Möglichst wenig soll in der Hitze des Tages verdunsten. Über die kleinen Löcher in den Schläuchen gelangt so nur rund ein Liter pro Stunde in den Boden, Tropfen für Tropfen. Zuvor benutzte Adayé Wassereimer und verbrauchte doppelt so viel. "Ich bin zufrieden mit der Tröpfchenbewässerung", erklärt Adayé. "Alles ist einfacher geworden. Ich muss nur einmal Wasser pumpen und dann könnte ich mich theoretisch schlafen legen." Da Adayé nun auch bei Trockenheit meist genug Wasser hat, fällt die Ernte reicher aus als zuvor - die Tröpfchenbewässerung lohnt sich. Mit einer Machete trennt der Obstbauer einige Bananenbüschel von den Stauden. Zufrieden legt er die noch grünen Früchte auf seine Schubkarre.
Bereit für den Export?
100 Kilometer weiter südlich, im Landwirtschaftsministerium in der Hauptstadt Ouagadougou, ist Seydina Oumar Traoré für Bewässerungsfragen zuständig. Seine Abteilung hat auch Adayés Bewässerungsanlage mitfinanziert. Rund zwei Drittel des Anschaffungspreises habe der Staat übernommen, sagt Traoré. Umgerechnet sechs Millionen Euro will Burkina Faso 2013 ausgeben, um die Tröpfchenbewässerung zu fördern. Traorés Hoffnung: aus Burkina Faso ein Land zu machen, das mit Nahrungsmitteln viel Geld verdient. Einige Produkte exportiere man schon, zum Beispiel Tomaten und Zwiebeln in die Nachbarländer, nach Ghana, Nigeria oder in die Elfenbeinküste. "Und wenn wir uns darauf konzentrieren die Bewässerungstechnik zu verbessern, dann glaube ich, dass wir unser Potential ausschöpfen können", meint Taroré. "Dann könnten wir sogar auf den internationalen Markt exportieren."
Derzeit werden nur etwa fünf Prozent der nutzbaren Fläche in Burkina Faso bewässert und beackert. Das Potential sei also enorm, sagt auch Stephan Neu. Als Vertreter der deutschen Entwicklungsbank KfW finanziert er Bewässerungsprojekte im Land. Aber Landwirtschaft im ganz großen Stil? Das kann sich Stephan Neu schwer vorstellen. "Burkina Faso setzt auf die Kleinbauern", erklärt er. Deshalb sei der Weg zur Exportnation für Nahrungsmittel noch weit. "Vor allem vor dem Hintergrund, dass Sie ein Bevölkerungswachstum von 3,2 Prozent haben und die Fläche nicht beliebig vermehrbar ist".
Kleines Feld, große Ernte
Unternehmer Laurent Stravato konzentriert sich deshalb ganz auf die Kleinbauern. Der gebürtige Italiener steht inmitten eines Feldes, vier mal vier Meter groß. Reife Paprikafrüchte funkeln orangefarben zwischen grünen Blättern hervor. Wir sind auf dem Versuchsgelände der "Internationalen Entwicklungsunternehmen" iDE, einer Firma, die in Entwicklungsländern tätig ist und nicht nach Gewinn strebt. Stravato ist Landesdirektor der iDE. Er lässt in Burkina Bewässerungsanlagen testen, die speziell für Kleinbauern produziert werden. Vor allem die so genannte Tröpfchenbewässerung, mit der sich viel Wasser sparen lässt.
Stravato zeigt, wie einfach dieses System sein kann. Er hält eine kleine Ballonpumpe und ballt die Hand zur Faust. Vier-, fünfmal drückt er zu, dann fängt das Wasser an zu fließen. Mit der Pumpe saugt er so Wasser aus einem Plastiksack, der an einem Gerüst aus Ästen hängt. Das Wasser fließt in einen Schlauch, der auf ein Feld mit Paprikapflanzen führt. Langsam sprudelt es dort aus Makkaroni-großen Röhrchen, die aus dem Hauptschlauch herausstehen. So kommt das Wasser tröpfchenweise direkt bei den Pflanzen an - ohne vorher zu verdunsten. "Die Länder des Nahen Ostens, Israel oder Jordanien haben damit bereits ihre Landwirtschaft völlig umgekrempelt", sagt Stravato und legt die Pumpe aus der Hand. Hier in der Sahelzone komme die Tröpfchenbewässerung jedoch einer kleinen Revolution gleich, die gerade erst starte.
Upgrade möglich
Denn mit der Tröpfchenbewässerung könnten die Bauern in Burkina Faso ihren Ernteertrag um ein Drittel vergrößern, so Stravato. Deshalb hätten sie die Ausgaben für ein Bewässerungsset meist innerhalb eines Jahres wieder hereingeholt. Für umgerechnet vier Euro verkauft er ein kleines Set aus Plastiksack, Schläuchen und Handpumpe. Damit lässt sich ein Feld bewässern, das ungefähr fünf Mal fünf Meter groß ist. Und wenn der Bauer dann viel Geld verdient habe, könne er sich ein aufwändigeres Bewässerungssystem leisten wie das von Mando Adayé. "Das ist ein bisschen wie mit VW und Mercedes", erklärt Stravato. "Und wir sind der Volkswagen, wir bieten die Tröpfchenbewässerung fürs Volk."