Misstrauen und Täuschung verhinderten eine Einigung
23. November 2014Der Weg Irans zur Atommacht
Das iranische Atomprogramm begann schon unter dem Schah in den 1970er Jahren. Die USA hatten ihm damals die Nutzung der Atomenergie empfohlen, trotz der großen Öl- und Gasvorräte im Land. Bereits 1967 hatte Iran einen ersten Forschungsreaktor in Betrieb genommen. Die ersten größeren Anlagen wurden mit Hilfe von Deutschland und Frankreich gebaut. Die iranische Revolution 1979 stoppte dann jedes westliche Engagement.
2002 wurde die Weltöffentlichkeit auf das iranische Atomprogramm aufmerksam. Die Internationale Atomenergiebehörde in Wien (IAEA) veröffentlichte Geheimdienst-Informationen über die Urananreicherungsanlage in Natans und die Schwerwasseranlage in Arak, die Iran inzwischen gebaut hatte. Kurz darauf fanden IAEA-Inspektoren Spuren von angereichertem Uran, was eine politische Krise auslöste. Großbritannien, Frankreich und Deutschland nahmen Gespräche mit Teheran auf. Ergebnis: Iran versprach die Aussetzung seiner Aktivitäten, Europa dafür Handelserleichterungen. Das Abkommen hielt nur kurz: Schon 2004 verweigerte die iranische Regierung der IAEA wieder Inspektionen und Auskünfte.
Hardliner führt Iran in die Isolation
2005 mit der Wahl von Mahmud Ahmadinedschad zum Präsidenten Irans verschärfte sich der Ton: Teheran wolle sein volles Recht auf friedliche Nutzung der Atomenergie und den Austausch von Know-how und Material wie andere Länder auch. Die USA allerdings schlossen Iran von diesem Transfer aus, weshalb sich das Regime Baupläne unter anderem von Abdul Kadeer Khan besorgte, dem Vater der pakistanischen Atombombe. Im gleichen Jahr verfasste dann das geistliche Oberhaupt Irans, Ajatollah Chamenei, eine Fatwa, die die Produktion, den Besitz und den Gebrauch von Atomwaffen verbietet. Ahmadinedschad setzte dennoch weiter auf Konfrontation: 2006 entfernte er die Kontrollsiegel der Atomenergiebehörde an der Urananreicherungsanlage Natans. Außerdem erklärte er, sein Land habe erstmals den Brennstoffkreis geschlossen und spaltbares Material erzeugt.
UN-Sicherheitsrat verurteilt iranisches Vorgehen
Die Wiener IAEA verwies das Problem schließlich an den UN-Sicherheitsrat, weil Iran sich beharrlich weigerte, umfassende Inspektionen zuzulassen. Im Dezember 2006 wurden in New York erste Sanktionen beschlossen, die die EU in der Folge noch verschärfte: Die Liste enthielt Reiseverbote, ein Embargo für Rüstungsgüter und Material zur nuklearen Produktion, Telekommunikation, sowie Investitionen in die Öl- und Gasindustrie. Verboten wurden auch direkte Finanzhilfen.
Bis zum Herbst 2008 wurden insgesamt fünf UN-Resolutionen verabschiedet, in denen Iran aufgefordert wurde, seine Aktivitäten einzustellen und Kontrollen zuzulassen. Teheran ignorierte sie alle und trieb sein Atomprogramm weiter voran. Die Nachricht vom Bau der Urananreicherungsanlage Fordo erregte internationales Aufsehen: Die Anlage liegt tief unter der Erde und gegen militärische Angriffe gut geschützt in der Nähe der heiligen Stadt Quom. Hintergrund war, dass Israel zu dem Zeitpunkt bereits je eine irakische und eine syrische oberirdische Anlage bombardiert hatte. Die IAEA verlangte erneut, ihren Inspektoren freien Zugang zu gewähren und den Stopp der Arbeiten in Fordo.
Verschärfte der Sanktionen
Sporadische Verhandlungen mit der iranischen Republik wurden inzwischen von der Gruppe der EU3+3 geführt, die aus den ursprünglichen europäischen Partnern sowie den ständigen Sicherheitsratsmitgliedern USA, Russland und China besteht (sie wird auch 5+1 genannt). Die Kontakte blieben jedoch formell und völlig ergebnislos. Israel drohte in dieser Zeit mehrfach mit einem Militärschlag gegen iranische Atomanlagen.
2012 beschlossen die Vereinten Nationen zwei weitere Resolutionen und zusätzliche Sanktionen gegen die Ölindustrie und den Finanzsektor. Der Westen verlangte die Schließung von Fordo, Iran beugte sich nicht. Als Konsequenz traten noch mehr Einschränkungen in Kraft: für den Bankverkehr, Rohstoffhandel, die Gasexporte, Schifffahrt und Luftfracht. Sie isolierten Iran weitgehend vom internationalen Austausch.
Schlechte Wirtschaftslage erzwingt Wandel
Erst nach den Wahlen von Präsident Hassan Rohani im Sommer 2013 kommt der Verhandlungsprozess wieder in Gang. Allerdings ist zu dem Zeitpunkt klar, dass es die gute Option, die den EU 3 vorschwebte, längst nicht mehr gibt: In der achtjährigen Amtszeit Ahmadinedschad wurde die Urananreicherung von ursprünglich 100 Zentrifugen auf heute etwa 19.000 in drei Anlagen ausgebaut. Gestritten wird auch über die Fähigkeit Teherans, auf 20 Prozent angereichertes Uran herzustellen. Dies gilt als entscheidende Marke auf dem Weg zu waffenfähigem Material. Heute glauben Experten, dass Iran innerhalb von drei Monaten eine Atombombe bauen könnte. Die USA wollen jedoch die Menge spaltbaren Materials im Land so weit verringern, dass dieser Zeitraum auf ein Jahr verlängert wird.
Präsident Rohani drängt auf Einigung, denn er will eine Aufhebung der Sanktionen: Die iranische Wirtschaft liegt am Boden, dem Land droht ein Staatsbankrott. Im vergangenen November schuf dann das Genfer Übergangsabkommen einen Rahmen für die Fortsetzung der Verhandlungen: In einem sechs Monate dauernden Moratorium sollte Iran die Urananreicherung aussetzen. In dieser Zeit wollte man dann ein Abkommen vereinbaren, das eine militärische Nutzung der Atomkraft im Iran ausschließt und eine Aufhebung der Sanktionen erlaubt hätte. Als Zeichen guten Willens setzte die EU einen Teil ihrer Sanktionen aus. Damals gab es auch einen ersten direkten Kontakt zwischen dem US-Präsidenten und der iranischen Führung. Präsident Rohani beteuert, er wolle die Beziehungen zum Westen verbessern, allerdings sitzen ihm die Hardliner zu Hause im Nacken, und das letzte Wort hat Ajatollah Chamenei, der geistliche Führer und stille Machthaber Irans.