Ecuador verurteilt Chevron zu Milliardenzahlung
15. Februar 2011Das Urteil stellt einen wichtigen juristischen Erfolg für die ecuadorianische "Amazonasgemeinschaft" dar. Die Organisation vertritt die Interessen von rund 30 000 Einwohnern der betroffenen Region im Osten Ecuadors, wo der US-Ölmulti Texaco von 1964 bis 1992 Erdöl gefördert hatte. Texaco wurde 2001 von Chevron übernommen. Nach dem Rückzug des Unternehmens blieben Hunderte offene Öl-Bassins übrig, aus denen, vor allem in der Regenzeit, hochgiftige Abwässer in den Boden fließen.
Die Strafzahlung teilt sich dem Richterspruch vom Montag (14.02.2011) zufolge in mehrere Summen auf: Knapp 5,4 Milliarden Dollar muss Chevron für die Bodenreinigung aufbringen. Für den Aufbau eines Gesundheitswesens für die betroffene Bevölkerung hat das Gericht 2,2 Milliarden veranschlagt. 600 Millionen Dollar soll den Berechnungen zufolge die Reinigung des Grundwassers kosten, und weitere 400 Millionen sollen in ein Programm zum Wiederaufbau der lokalen Gemeinden und dem Schutz der ethnischen Minderheiten im Amazonas-Urwald fließen.
Sollte sich Chevron nicht innerhalb von zwei Wochen in Zeitungsanzeigen in Ecuador und den USA für die Umweltschäden und die damit zusammenhängenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Bevölkerung entschuldigen, drohte Richter Nicolás Zambrano damit, die Strafsumme zu verdoppeln.
Chevron kündigt Widerstand an
Der US-Konzern hält das Urteil für "unrechtmäßig und nicht durchsetzbar". Auf seiner Internetseite teilt Chevron mit, der Richterspruch sei "das Resultat von Betrug" und widerspreche den Beweisen. Internationale und US-amerikanische Gerichte hätten bereits im Vorfeld Schritte unternommen um die Entscheidung aus Ecuador zu blockieren, ließ das Unternehmen mitteilen. Zudem forderte Chevron, dass die "Straftäter für diesen Betrug" zur Rechenschaft gezogen werden.
Der Rechtsstreit zwischen Ecuador und Chevron zieht sich bereits seit 1993 hin – damals reichte die Amazonasgemeinschaft Klage vor einem New Yorker Gericht ein. Chevron nimmt für sich in Anspruch, die Renaturierung des Ölfördergebietes vertragsgemäß abgeschlossen zu haben. 40 Millionen Dollar will der Konzern in die Sanierung investiert haben. Die ecuadorianische Regierung haben die Maßnahmen damals überwacht und Texaco für die Zukunft "von jeglichen Ansprüchen und Verpflichtungen im Zusammenhang mit den Aktivitäten in Ecuador" freigesprochen, heißt es in einer firmeneigenen Dokumentation zur "Geschichte von Texaco und Chevron in Ecuador".
Darin wird der Regierung von Präsident Rafael Correa vorgeworfen, den Rechtstaat und die Gewaltenteilung ausgehebelt und sich offen auf die Seite den Kläger gestellt zu haben. Chevron "ist sich der schwierigen Lage der Bewohner der betroffenen Region bewusst", weise aber jede Verantwortung im Zusammenhang mit der Umweltverschmutzung von sich. Vielmehr seien die ecuadorianische Regierung und das staatliche Ölunternehmen Petroecuador für die Verseuchung von Böden und Trinkwasser verantwortlich.
Kläger sind unzufrieden mit Urteil
"Angesichts der Bedeutungslosigkeit der Summe der Strafzahlung werden wir analysieren, diskutieren und entscheiden ob wir Widerspruch gegen das Urteil einlegen", teilte der Anwalt der Kläger, Pablo Fajardo, per E-Mail mit. Die Amazonasgemeinschaft beruft sich auf ein Gutachten aus den neunziger Jahren, demzufolge Entschädigungsforderungen in Höhe von 27 Milliarden Dollar für Schäden durch Wasser- und Bodenverschmutzung empfohlen werden. Die Kleinbauern in der Region Sucumbíos im Nordosten Ecuadors klagen seit Jahrzehnten darüber, dass sie aufgrund der Boden- und Grundwasserverseuchung weder Land- noch Viehwirtschaft betreiben können.
Die Kläger haben angekündigt, weltweit auf die Vermögenswerte von Chevron zugreifen zu wollen. Die Firma mit Sitz in Kalifornien hat 2010 einen Umsatz in Höhe von 198 Milliarden Dollar gemacht. Der Gewinn lag bei 19 Milliarden.
"Dieses Urteil ist nur ein Zwischenschritt", so der New Yorker Öl-Analyst John van Schaik von Medley Global Advisors gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. "Der Rechtsstreit kann sich noch über Jahre ziehen. Aber die Tatsache, dass das Gericht von Lago Agrio zugunsten der Kläger entschieden hat ist ein deutliches Warnsignal an die Öl-Unternehmen. Die Zeiten haben sich geändert und die Firmen müssen Umweltfragen ernst nehmen", so van Schaik weiter.
Autorin: Mirjam Gehrke (rtr/ dpa/ap)
Redaktion: Sven Töniges