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Klima statt Öl - Ecuador fordert Ausgleich

4. Dezember 2009

Ein Vorschlag Ecuadors bringt neue Impulse in die Klimadebatte: Gegen Ausgleichszahlungen will das Land auf die Ölförderung in einem Teil Amazoniens verzichten.

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(Foto: Patricio Luna)
Das überschüssige Gas wird abgefackeltBild: Patricio Luna

Vom Boot aus scheint der Dschungel unendlich und unberührt: 30 Meter ragen am Flussufer Edelhölzer auf, dazwischen Luftwurzeln, Lianen, Sumpfpflanzen.

Mit fast einer Million Hektar ist der Yasuní Ecuadors größter Nationalpark. "Es ist ein ganz außergewöhnlicher Ort. Hier finden sich mehr Baumarten auf einem Hektar
als in ganz Nordamerika"", berichtet der Biologe Bernardo Ortiz.

Kampfzone Regenwald

(Foto: Patricio Luna)
Wie ein Spinnennetz ziehen sich die Pipelines durch den UrwaldBild: Patricio Luna

Doch längst ist der Park im Herzen von Ecuadors Amazonasgebiet zur Kampfzone geworden: Bohrtrupps gegen Regenwald, Huaorani-Krieger gegen Siedler und Holzfäller. Befürworter des alten Entwicklungsmodells gegen Anhänger eines neuen Denkens, das erst in Ansätzen formuliert ist.

Mal dick wie Baumstämme, mal dünn wie Kinderarme ziehen sich rostige Rohre entlang der "Vía Auca". Ölgesellschaften schlugen die Trasse in den Dschungel entlang der Westgrenzen des Parks. "Willkommen im Block 16", grüßt ein überdimensionales Schild am Straßenrand. Das Firmenlogo des chinesischen Konsortiums "Andespetrol" prangt auf Schulen und den wenigen Zementhäusern der Dörfer.

Fragiles Ökosystem

"Colonos", Siedler, die aus dem Hochland kommen und entlang der Trasse den Urwald roden, trocknen auf der Pipeline die Wäsche. Wie Kapillare verzweigen sich die Röhren hin zu den "Pozos", hunderten im Wald verstreuten Ölbrunnen. Das Adergeflecht reicht längst tief in den Park hinein. Alle paar Kilometer fauchen Flammen durch das Blätterdach. Tag und Nacht wird ungenutztes Gas abgefackelt. In einigen Senken schimmern Öllachen. Manchmal leckt eine Pipeline wochenlang. Jahrzehntelang hatte die Ökonomie Vorrang.

(Foto: Thomas Nachtigall/DW)
Das Öl wird nicht nur durch Pipelines abtransportiertBild: Thomas Nachtigall

"Das Öl sickert in die Lagune. Die Fische sterben und wenn man badet bekommt man Ausschlag", schildert Juan Coquinche aus der Gemeinde Taracoa die Folgen. Zum Beweis entblößt Juans Frau ihren Bauch – ein Ekzem zieht sich bis auf den Rücken. Fälle wie diese sind Alltag in Ecuador, seit in den 1960ern Texaco in der nördlichen "Amazonía" auf Öl stieß. Jahrzehntelang wurden selbst toxische Bohrrückstände einfach in die Sümpfe gekippt.

Ölwirtschaft als Sackgasse

Doch der Wind hat sich gedreht. Ureinwohner blockierten Strassen. Umwelt- und Menschenrechtsgruppen verklagten den Konzern auf 27 Milliarden Dollar Schadensersatz.

(Foto: AP)
Ökonom, Wachstumskritiker und kurzzeitig Minister: Alberto Acosta (Mitte)Bild: AP

Als Rafael Correa im Januar 2007 zum ersten Mal Staatspräsident wurde, ernannte er den Wachstumskritiker und Ökonomen Alberto Acosta zum Energie- und Bergbauminister. Mehr als ein Drittel seiner Einnahmen bezieht Ecuador immer noch aus dem Export von Rohöl. Aus den "drastischen Erfahrungen" mit Texaco wollte Acosta Konsequenzen ziehen: "Wir haben mehr als 4 Milliarden Barrel Erdöl im Wert von 90 Milliarden Dollar exportiert. Trotzdem haben wir uns nicht entwickelt."

Stattdessen habe das Land mit Entwaldung, Vergiftung des Wassers und einer Krebsrate von gebietsweisen 30 Prozent zu kämpfen. Zwei indigene Stämme seien untergegangen. Der Vorschlag des 61-jährigen Volkswirts stieß zunächst auch im eigenen Land auf Kopfschütteln: Als Einstieg in den Ausstieg aus der fossilen Wirtschaft soll auf eine Ölförderung im Kerngebiet des Yasuní-Parks verzichtet werden.

Kompensationszahlungen statt Ölförderung

Eine Milliarde Barrel, rund ein Viertel der nationalen Reserven, sollen "auf immer" unter der Erde bleiben. Die grüne Lunge könnte weiteratmen, die von Ölgesellschaften
und Siedlern bedrängten Urvölker auch in Zukunft im Regenwald leben.

(Foto: Thomas Nachtigall/DW)
Öllecks verseuchen das WasserBild: Thomas Nachtigall

Dafür erhofft sich Ecuador, dass die internationale Gemeinschaft und private Stiftungen die Hälfte der zu erwarteten Öleinnahme in einen Fonds einzahlen – ein Jahrzehnt lang 350 Millionen Dollar jährlich. Das Geld soll treuhänderisch von den Vereinten Nationen verwaltet, Kapital aus die Zinsen in alternative Energien, Biotechnologie und Ökotourismus investiert werden. Eigentlich genau das, was mit dem Programm REDD – Reduzierung der Emissionen aus Waldvernichtung in Entwicklungsländern (Reducing Emissions from Deforestation in Developing Countries) – beabsichtigt ist.

Umstrittene Initiative

Internationale Umweltorganisationen und prominente Klimaschützer wie Al Gore begrüßten den Plan. Doch konkrete Zusagen lassen auf sich warten. Wohl auch, weil das Ganze anfangs ein wenig nach Erpressung roch, wie Acosta zugibt: "Wir müssen den Umweltschutz zur eigenen Sache machen", fordert er. Immerhin hat die deutsche Bundesregierung mittlerweile 30 Millionen Dollar pro Jahr in Aussicht gestellt. Allerdings gibt es selbst bei den Betroffenen in der "Amazonía" widersprüchliche Interessen.

(Foto: Patricio Luna/DW)
Auch Kultur und Tradition der Huaorani sind in GefahrBild: Patricio Luna

Davo ist ein etwa 70-jähriger Huaorani-Häuptling. Ein Teil seines Volkes hat sich tief in den Regenwald zurückgezogen. Ab und an erledigt der Dorfchef Aufträge für die Ölgesellschaft. Er hackt Wege frei oder führt Geologen herum. De facto ist sein Clan von der Ölfirma abhängig, denn der Lärm der Generatoren hat längst das Wild vertrieben. Die hölzernen Speere werden immer seltener benutzt. Er würde gerne zu seinem alten Leben zurückkehren, meint er. "Aber das ist schwierig. So Vieles hat sich verändert. Jetzt sollen die Ölfirmen wenigstens ihre Zusagen einhalten und uns unterstützen."

Industrieländer gefordert

Davos Sohn, Carlos, trägt T-Shirt und Jeans. Er sieht im Yasuní-Projekt eine Chance für das Überleben der Hauorani-Kultur: "Anderswo gibt es doch auch Menschen, die
den Wald bewahren und von der Regierung oder aus dem Ausland etwas Geld dafür bekommen. Das Öl sollte im Boden bleiben."

Alberto Acosta wirbt inzwischen als Politikberater und Wissenschaftler im In- und Ausland für das Projekt. Auf der Klimakonferenz in Kopenhagen wird Ecuador weiter
nach Unterstützung suchen. Nicht zuletzt, so rechnet Acosta vor, hätten auch die Industrieländer etwas davon: Der Atmosphäre blieben 400 Millionen Tonnen CO2 erspart, die beim Verbrennen des Öls aus dem Yasuní frei würden: "Diejenigen, die sich zwei Jahrhunderte ohne Rücksicht auf die Umwelt entwickelt haben, sind aufgerufen, einen Beitrag zu leisten", sagt er und meint damit die Industrieländer. Dabei gehe es nicht um Entschädigung, sondern um Klimaschutz und Vorschläge für eine Zukunft, die nicht mehr auf fossile Rohstoffe aufbaut, betont Alberto Acosta und fügt hinzu: "Nicht nur für Ecuador, sondern für die ganze Welt."

Autoren:Patricio Luna und Thomas Nachtigall

Redaktion: Helle Jeppesen / Sven Töniges