Ebola: internationaler Gesundheitsnotstand
8. August 2014"Ich erkläre den gegenwärtigen Ausbruch der Ebola-Viruserkrankung zu einem Gesundheitsnotfall von internationaler Wichtigkeit." WHO-Chefin Margaret Chan tritt persönlich vor die am Hauptsitz der Weltgesundheitsorganisation in Genf versammelten Journalisten, um ihre Entscheidung zu verkünden. "Dies ist der größte, schwerste und komplexeste Ausbruch, den wir in der fast 40-jährigen Geschichte dieser Krankheit bislang gesehen haben."
Gefahr einer weiteren Ausbreitung
Zwei Tage lang hatte ein Notfallkomitee von zwanzig Gesundheitsexperten aus aller Welt die Entwicklungen in den von Ebola betroffenen westafrikanischen Ländern analysiert und eine Reihe von Empfehlungen ausgearbeitet. Die Entscheidung des Komitees, den Ausbruch zu einem internationalen Gesundheitsnotstand hochzustufen, sei einstimmig gefallen, erklärt Margaret Chan. "Die Empfehlungen, die das Komitee mir unterbreitet hat, tragen dem schweren und ungewöhnlichen Charakter des Ausbruchs Rechnung und bestätigen die Möglichkeit einer weiteren internationalen Ausbreitung. Sie zeigen aber auch die Notwendigkeit einer starken internationalen Reaktion."
"Die Entscheidung bedeutet auf keinen Fall, dass sich jetzt viele oder gar alle Länder auf Ebola-Fälle gefasst machen müssen", betont WHO-Chefin Chan. Akut sei nur ein kleiner Teil des afrikanischen Kontinents betroffen. Die WHO hat derzeit Kenntnis von fast 1800 Fällen von Ebola-Infektion, von denen bisher 961 tödlich verlaufen sind.
Ebola wird Chefsache
Das von der WHO einberufene Notfallkomitee hat eine umfangreiche Liste von Empfehlungen zusammengestellt, die sich hauptsächlich an die Regierungen der vom Ebola-Ausbruch direkt betroffenen Länder in Westafrika richten. Der Maßnahmenkatalog sende ein deutliches Signal nach Liberia, Sierra Leone und Guinea, dass die Eindämmung der Ebola-Epidemie ab jetzt Chefsache ist und nicht länger an Gesundheitsministerien und regionale Instanzen delegiert werden könne, hieß es bei der WHO. Entschlossenes, koordiniertes Vorgehen sei nötig.
"Es ist kein Geheimnis, und einige der Regierungen geben es selbst zu, dass es Ableugnung gegeben hat", erklärt Margaret Chan. "Wenn du nicht akzeptierst, dass Ebola tatsächlich existiert, dann ist es schwierig, die gesamte Regierung für den Kampf gegen Ebola zu mobilisieren." Inzwischen hätten die drei hauptsächlich betroffenen Staaten aber alle den nationalen Notstand ausgerufen, stellt Chan klar.
Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung
Die Ebola-Viruserkrankung ist in den Griff zu bekommen, wenn die richtigen Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden, lautet die durchgängige Botschaft der Experten des Notfall-Komitees. Diese Maßnahmen müssten vor allem an den Brennpunkten der Epidemie, im Dreiländereck von Sierra Leone, Liberia und Guinea umgesetzt werden. Oberste Priorität müsse die Kontrolle von Reisenden aus diesem Gebiet haben, wenn nötig auch unter Einsatz von Polizei- und Militärkräften. Nur so könne die Übertragungskette der Infektion wirksam unterbrochen werden.
Gleichzeitig müssten die Bewohner dieser Region ausreichend mit Medikamenten und Nahrungsmitteln versorgt werden, und jede erdenkliche Form von Unterstützung erhalten. Von entscheidender Wichtigkeit seien unermüdliche und gezielte Informations- und Aufklärungskampagnen. Angst und falsche Informationen würden in Westafrika um sich greifen und große Teile der Bevölkerung verunsichern, sagt Keiji Fukda, Vize-Direktor der WHO. "Das ist wichtig zu verstehen, denn in der Folge wachsen bei den betroffenen Gruppen Misstrauen und Sorge. Wo immer das geschieht, scheuen sich die Leute, Gesundheitseinrichtungen aufzusuchen oder ihre Familienmitglieder dorthin zu bringen."
Gefährdete Helfer
Besonderen Schutz benötige das Gesundheitspersonal, das im Kampf gegen Ebola eingesetzt wird. Alle Helfer müssten korrekt geschult und mit der nötigen Schutzkleidung ausgestattet werden, heißt es in den Empfehlungen. Nur dann sei das Infektionsrisiko für das medizinische Personal gebannt. Außerdem seien die Helfer gegen Übergriffe von aufgebrachten Menschen zu schützen, die in ihnen die Verursacher der Krankheit sehen. Die Bestattung von Ebola-Opfern, von denen auch nach dem Tod noch Ansteckungsgefahr ausgeht, müsse unter Aufsicht geschehen, wobei der erhöhten Sensibilität der Angehörigen unbedingt Rechnung zu tragen sei.
Die WHO spricht sich gegen Reiseverbote und Handelsbeschränkungen aus, betont aber die Notwendigkeit zu systematischen Grenzkontrollen. Dabei sollen Reisende auf gängige Ebola-Symptome wie Fieber und Schwächeanfälle überprüft werden. Die Nachbarländer der Brennpunkt-Staaten sind aufgerufen, sich auf Ebola einzurichten und jede verdächtige Person sofort und energisch als medizinischen Notfall zu behandeln.
Wir brauchen jetzt internationale Solidarität
Ein gut funktionierendes Gesundheitssystem sei der beste Schutz gegen die Ausbreitung von neuen Infektionskrankheiten wie Ebola, betonen die Gesundheitsexperten der WHO. Ihre Empfehlungen wären in reichen Industriestaaten rasch umsetzbar. Der aktuelle Ebola-Ausbruch aber hat Länder mit schwachen Gesundheitssystemen getroffen. Margaret Chan ruft deshalb zu internationaler Solidarität auf. "Die gegenwärtig betroffenen Länder haben ganz einfach nicht die Fähigkeit, einen Ausbruch dieses Ausmaßes eigenständig unter Kontrolle zu bringen", erklärt die WHO-Chefin. "Die Sicherung unserer kollektiven Gesundheit hängt davon ab, wie die Umsetzung der Maßnahmen in diesen Ländern unterstützt wird."
Die zügige Bereitstellung von Medikamenten und Schutzkleidung wäre ein erster dringend überfälliger Akt der Unterstützung, sagen WHO-Experten. Auch die Entsendung von geschultem medizinischem Personal wäre sehr gut und hilfreich. Letztendlich hänge die erfolgreiche Durchführung der von der WHO empfohlenen Maßnahmen jedoch von der ausreichenden finanziellen Unterstützung durch die internationale Staatengemeinschaft ab.