Dürre in EU: Wenn das Trinkwasser ausgeht
6. Juli 2022Zu viel Wasserverbrauch bei zu wenig Regen, versiegende Trinkwasserquellen: Verstärkt durch den menschengemachten Klimawandel bekommen in Europa immer mehr Menschen die Folgen von extremeren Hitzewellen, längeren Dürren und einem zu hohen Wasserkonsum zu spüren. Besonders der Süden Europas leidet derzeit unter Hitzewellen und monatelang anhaltender Trockenheit.
Für viele betroffene Regionen könnte die Trockenheit noch monatelang anhalten, damit rechnen Experten des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Einen ähnlichen Trend erwarten sie auch in den nächsten Jahren. Laut einer Klimastudie des DWD sollen besonders im Mittelmeerraum Niederschläge künftig weiter abnehmen.
Um die Wasserversorgung zu sichern, fordern Politiker die Menschen auf, ihren Wasserkonsum auf das Nötigste zu begrenzen. Mancherorts reicht dies aber nicht.
"Die eine Sache sind Dürren. Die andere ist, wie viel Wasser wir aus dem System nehmen", erläutert Dr. Nihat Zal, Wasserexperte bei der European Environment Agency, die Umweltbehörde der EU. Denn der private Konsum von Wasser macht in Europa gerade einmal neun Prozent aus. Die weitaus größte Menge von etwa 60 Prozent verbraucht die Landwirtschaft.
Italien: Wassermangel bedroht Ernten
Am dramatischsten dürfte die Lage derzeit im Norden-Italiens sein. Das Land leidet unter der schlimmsten Dürre seit 70 Jahren. Wegen der angespannten Wassersituation haben mehrere Regionen inzwischen den Wassernotstand erklärt. Mehr als hundert Städte sind dazu aufgerufen, den Wasserverbrauch stark einzuschränken. Die italienische Regierung hat deshalb für fünf Regionen bis Ende des Jahres den Notstand erklärt. Sie will kurzfristig 36 Millionen Euro zur Bekämpfung der Wasserkrise bereitstellen.
Wegen monatelanger Trockenheit, und weil auch im Winter kaum Schnee fiel, führen die Flüsse Dora Baltea und der Po derzeit nur ein Achtel der gewöhnlichen Wassermenge. Sie speisen eine der wichtigsten landwirtschaftlichen Regionen in ganz Europa. 30 Prozent der Anbauflächen sind derzeit von der Dürre bedroht.
Die Behörde zur Regulierung der Bewässerung in der Landwirtschaft (Bondesa) der nordwestlichen Region um den Fluss Sesia ordnete bereits an, dass Obstbäume und Papeln nicht mehr gegossen werden dürfen. Das verbleibende Wasser soll die wirtschaftlich bedeutende Reisernte retten.
Am Wochenende teilte der Bürgermeister der Stadt Verona mit, zur Sicherung der Trinkwasserversorgung sei die Bewässerung von Gärten und Sportplätzen, das Waschen von Autos und Innenhöfen, sowie das Auffüllen von Pools und Schwimmbädern mit sofortiger Wirkung bis Ende August verboten. Gemüsegärten dürfen nur nachts gegossen werden. Auch in Pisa wird das Wasser rationiert, Trinkwasser soll nur "noch für den häuslichen Gebrauch und die persönliche Hygiene" genutzt werden dürfen. Bei Missachtung drohen bis zu 500 Euro Strafe. In Mailand wurden inzwischen alle Springbrunnen, die nur der Zierde dienen, abgestellt.
Der Bürgermeister der Kleinstadt Castenaso will das Problem unkonventionell angehen. Mit sofortiger Wirkung hat er Friseuren und Barbieren verboten, ihren Kunden zwei Mal die Haare zu waschen. So sollten tausende Liter Wasser pro Tag gespart werden. In der 16.000 Einwohner großen Kleinstadt gibt es zehn Friseure.
Portugal: Wasser sparen um Trinkwasser zu sichern
Portugal hat sich bereits in Winter auf ein extrem trockenes Jahr 2022 eingestellt. Wegen ausbleibender Regenfälle waren die Wasserstände in den Stauseen schon im Januar extrem niedrig. Im Februar ordnete die Regierung deshalb an, die Nutzung der Wasserkraftwerke auf zwei Stunden pro Woche zu reduzieren. So soll gewährleistet werden, dass das Land noch mindestens zwei Jahre lang die Trinkwasserversorgung seiner zehn Millionen Einwohner sicherstellen kann.
Was sich im Winter abzeichnete, wird heute umso deutlicher: Bereits Ende Mai herrschte in 97 Prozent des ganzen Landes eine schwere Dürre. Durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas sind Dürren, die sonst nur einmal alle zehn Jahre auftreten, bereits heute im Mittelmeerraum fast doppelt so wahrscheinlich geworden. Manche Regionen erleben die schlimmste Trockenzeit seit tausend Jahren.
Die Vereinigung der Bewässerer für die Landwirtschaft der Orte Silves, Lagoa und Portimão im Süden des Landes hat bereits einen Notfallplan für die Versorgung von rund 1800 landwirtschaftlichen Betrieben aktiviert und die Bewässerung von einigen Feldfrüchten halbiert.
In portugiesischen Medien betonte der Ministerpräsident für Umwelt und Klima Duarte Cordeiro vergangene Woche, dass trotz der aktuellen Vorbereitungen das Land in Zukunft mit Einschränkungen und höheren Kosten für Wasser leben müsse. Duarte forderte die Wirtschaft auf, in Maßnahmen zu investieren. Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung oder Einsparungen sieht Nihal Zal von der EEA reichlich. "Auf dem Weg von der Wasserquelle, beispielsweise einem See, zu in ein Industriegebiet, gehen im Schnitt 25 Prozent des Frischwassers verloren." Wasserinfrastruktur effizienter zu machen habe "ein riesiges Einsparungspotenzial", so Zal
Spanien: Ein Drittel der Fläche von Wüstenbildung bedroht
Auch in Spanien ist es extrem trocken. So trocken, dass zwei Drittel der gesamten Fläche von Wüstenbildung bedroht sind. Fruchtbare Böden werden also immer häufiger zu Sand.
Nachdem der Winter laut dem spanischen Wetterdienst der zweittrockenste seit 1961 war, sahen sich Ortschaften im Norden des Landes bereits im Februar gezwungen, drastische Maßnahmen zu ergreifen.
In der Ortschaft Campelles in Katalonien gab es auf Anordnung der Stadt zeitweise nur wenige Stunden am Tag fließend Wasser. Für Notfälle wurden von der Gemeinde täglich gefüllte Wassereimer an fünf Stellen im Dorf deponiert.
Auch in der Kleinstadt Vacarisses in der Provinz Barcelona liegen die Brunnen und Grundwasserleitungen trocken. Derzeit haben die Menschen nur zwischen sechs und zehn Uhr morgens und von acht Uhr abends bis Mitternacht fließend Wasser. Durch die Reparaturen von Wasserlecks und die Einschränkungen konnte der Wasserverbrauch der 7000 Einwohner Gemeinde um tageweise bis zu 25 Prozent reduziert werden
Spanien ist der drittgrößte Produzent landwirtschaftlicher Produkte in der EU. Mindestens 70 Prozent des gesamten Frischwasserbedarfs wird für die Landwirtschaft benutzt. "Der Bedarf wächst weiter. Anstatt Maßnahmen zum Wassersparen vorzuschlagen, tun wir so, als hätte Spanien so viel Wasser wie Norwegen oder Finnland, obwohl wir in Wirklichkeit eher auf dem Niveau Nordafrikas liegen," sagt Juan Barea von Greenpeace Spanien der DW.
Zwar kommt bereits auf einem Großteil der landwirtschaftlichen Anbaugebiete effiziente Tröpfchenbewässerung zum Einsatz, bei mindestens einem Fünftel wird aber immer noch mit nicht nachhaltigen Methoden gewässert.
Um der Wasserkrisen besser Herr zu werden, müsse man wegkommen vom Krisenmanagement, wie etwa den derzeitigen Rationierungen von Wasser, und stattdessen langfristig denken, warnt Zal von der EEA. Er fordert mehr Effizienz im Umgang mit Wasser, ein vorausschauendes Risikomanagement und Vorbereitung auf die nächste Krise. Das bedeute auch, "sich an den Klimawandel anzupassen, auf individueller Ebene, auf dem lokalen, dem Regierungslevel. Auf allen Ebenen."