Dzsenifer Maroszán - Abschied einer Legende
11. April 2023Die 32.587 Fans im Nürnberger Stadion, die größte Kulisse eines Frauen-Länderspiels seit über neun Jahren, sorgten in der 64. Minute für einen Gänsehaut-Moment. Es brandete plötzlich großer Jubel auf. Der Grund: Dzsenifer Marozsán wurde eingewechselt. Die Zuschauer beklatschten eine Legende des deutschen Frauen-Fußballs. Es sollte für Marozsán die letzte Partie im DFB-Trikot sein. Dass die Test-Partie gegen Brasilien - 100 Tage vor dem WM-Start in Australien und Neuseeland - mit 1:2 verloren ging, spielte nur am Rande eine Rolle. Tamires Britto (11.) und Ariadina Borges (38.) trafen für die Selecao, Jule Brand (90.+2) gelang lediglich noch der späte Anschlusstreffer. Es war die erste Heimniederlage der DFB-Frauen seit Oktober 2017.
Es war Marozsáns 112. Länderspiel. Vor der Partie wurde die 30-Jährige von DFB-Generalsekretärin Heike Ullrich und DFB-Vizepräsidentin Sabine Mammitzsch offiziell verabschiedet. Marozsán kullerten Tränen der Rührung über die Wangen. Die Europameisterin von 2013 und Olympiasiegerin von 2016 hatte bereits vor einigen Wochen ihr Karriereende im Nationalteam angekündigt. Nach einem Kreuzbandriss im vergangenen Jahr will sich die Mittelfeldspielerin von Olympique Lyon die Doppelbelastung nicht mehr antun.
Früher Bundesligastart
Marozsán hat Spuren hinterlassen. Bis heute ist die gebürtige Budapesterin die jüngste Bundesliga-Spielerin aller Zeiten. Am 19. August 2007 debütierte die damals noch 15-jährige als B-Jugendliche beim 1. FC Saarbrücken. Bereits in ihrem zweiten Spiel gegen Crailsheim feierte sie dann auch ihr Tor-Debüt (ebenfalls Bundesliga-Rekord). Mit Saarbrücken erreichte die damalige Teenagerin sogar das Pokalfinale 2008, welches der kleine Klub aus dem Saarland gegen das damalige Weltklasse-Team aus Frankfurt, Maroszáns späteren Arbeitgeber, klar mit 1:5 verlor.
Nach ihrem Wechsel zum 1. FFC Frankfurt regnete es dann geradezu Titel für ihre Mannschaften. Insgesamt stehen zwei DFB-Pokal-Triumphe und ein Champions-League-Titel auf dem Erfolgskonto. In Marozsáns Karriere-Frühphase reichte es aufgrund der damaligen Dominanz der Potsdamerinnen nicht für einen deutschen Meistertitel. Seit dem Wechsel nach Lyon im Jahr 2016 hat sie aber zusätzlich eine Vielzahl von Titeln gesammelt. Insgesamt fünf weitere Champions-League-Titel, vier französische Meisterschaften und drei Pokaltriumphe folgten bislang.
Ausgeprägtes Verletzungspech
Etwas weniger erfolgreich war sie auf Nationalmannschaftsebene. 2011, kurz vor der Heim-WM in Deutschland, erlitt sie einen Innenbandriss im Knie. Maroszán musste zusehen. 2015, kurz vor der WM in Kanada, zog sie sich eine Sprunggelenksverletzung zu. Sie trat die Reise an, konnte aber - trotz fünf Einsätzen- nicht entscheidend helfen. 2018, kurz vor der WM in ihrer Wahl-Heimat Frankreich, erlitt sie eine Lungenembolie. Sie kämpfte sich wieder zurück. Aber es kam noch schlimmer: Maroszán brach sich im ersten Vorrundenspiel gegen China einen Zeh, konnte fortan nicht mehr mitwirken. Und im Sommer 2022, kurz vor der EM in England, erlitt sie eine schwere Knieverletzung, die sie über 250 Tage zum Pausieren zwang.
Mit dem DFB-Team gewann sie die Europameisterschaft 2013 und die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 2016. Neben der U-17 Europameisterschaft 2008 führte sie auch die U-20-Auswahl des DFB 2010 in Neuseeland zum Titel. In den letzten 15 Jahren gab es für Frauen- und Mädchenteams eine Erfolgsformel: War Dzsenifer Maroszán fit und gesund, konnten ihre Teams feiern.
Insgesamt 13 Jahre lang spielte sie in der Nationalmannschaft. Mit vielen Mitspielerinnen verbindet sie ein noch längerer Weg. "Sie hat den deutschen Frauenfußball jahrzehntelang geprägt, Zuckerpässe gespielt, wichtige Tore geschossen. Von daher fehlt in Zukunft ihre Kreativität, aber auch sie als Mensch mit einem goldenen Herzen fehlt" sagte Svenja Huth, mit der Maroszán über 16 Jahre in unterschiedlichen Auswahlteams zusammenspielte.
Was kommt noch?
Maroszáns Vertrag bei Lyon läuft am Ende der Saison aus. Ihr nächster Schritt will wohl überlegt sein, denn ihr Körper macht Probleme: "Klar ist mein Knie nicht mehr das, was es einmal war, obwohl ich alle Trainings- und Spieltermine im Verein absolvieren kann. Ich muss dafür aber nun deutlich mehr machen, um dies zu ermöglichen," sagt Maroszán. Ihre Profilaufbahn möchte sie aber noch nicht beenden.