Drogen schaden dem Aufbau Afghanistans
30. Mai 2005Bisher wurde das Land am Hindukusch hauptsächlich als Opium-Produzent wahrgenommen. Weniger bekannt ist, dass etwa 80 Prozent der Drogen auch dort konsumiert und nur etwa 20 Prozent exportiert werden. Die genaue Zahl der Drogenabhängigen ist unklar, in der Provinz Paktia geht man von 2500 aus.
Heilung durch "soziale Behandlung"
In Paktia liegt auch Gardez, eine mittelgroße Stadt etwa drei Autostunden südlich von Kabul. Im örtlichen Drogen-Rehabilitationszentrum, das 2004 eröffnet wurde, werden Abhängige nicht nur medizinisch betreut. Vielmehr geht es auch um "soziale Behandlung", wie es die Therapeuten nennen.
Eine wichtige Rolle spielt hier die Musiktherapie. Regelmäßig versammeln sich die Patienten zu traditionellen Tänzen. Darüber hinaus gibt der Islam eine wichtige Orientierungshilfe. Denn der Koran verbietet strengstens den Gebrauch von Drogen - ein Argument, das viele hier überzeugt.
Klinik mit strengen Regeln
Ohne strenge Regeln kommt die afghanische Drogenklinik allerdings nicht aus: "No drugs, no sex, no violence" (keine Drogen, kein Sex, keine Gewalt) steht in großen Lettern an der Wand. Und auch, dass es kein Mittagessen umsonst gibt: Wer Lunch haben will, muss dafür Zimmer aufräumen, waschen, putzen oder in der Küche helfen.
Auch der 20-jährige Elham Nuri ist Patient in Gardez. Er hatte Streit mit seinem Vater, verließ die Familie und geriet an "schlechte Freunde", wie er heute sagt. "Nach dem Heroin war ich kaputt, habe Gewicht verloren, ich hatte Kopfschmerzen, mein ganzer Körper tat weh", beschreibt er seine Drogenkarriere. Allerdings hatte er Glück: Weil er nicht mit schmutzigen Spritzen injizierte, leidet er nicht noch zusätzlich unter Hepatitis oder AIDS. Doch täglich wird anderswo wieder jemand abhängig - und auch der Drogenanbau geht weiter.
Das Reha-Zentrum in Gardez ist Teil des Integrierten Lokalen Drogenpräventionsprogramms (IDPA), das vom deutschen Außenministerium mitfinanziert wird. Den Kampf gegen Drogenabhängigkeit führt es an zwei Fronten: Einerseits importieren Kriegsflüchtlinge die Drogenprobleme der Nachbarländer. Andererseits haben Kriegstraumata, fehlende Medikamente, Armut und Arbeitslosigkeit auch die Zurückgebliebenen abhängig gemacht.
Polizei kommt nur mühsam voran
Während überall in Afghanistan die Drogenopfer behandelt werden, streitet die Polizei gegen die Ursachen. Für Nematullah Nemad, Leiter einer Anti-Drogen-Einheit in der nördlichen Provinz Kunduz, ist es ein mühsames Geschäft. 14 lokale Produzenten hat er im vergangenen Jahr verhaftet. Dass viele Bauern mittlerweile von sich aus den Anbau reduziert haben, hat allerdings andere Gründe. Die Überproduktion hat die Preise gedrückt. "Deshalb konnten die Bauern nicht mehr so gut verdienen und haben ihren Anbau erst einmal eingeschränkt", erklärt Nemad.
Dann erzählt der Polizist noch, dass er Hinweise auf illegalen Drogenanbau aus der Bevölkerung oft nur gegen Geld bekommen kann. Einen lokalen Führer, den er wegen Opiumproduktion festnahm, musste er auf Druck höherer Stellen sogleich wieder freilassen.
Zusammenarbeit mit Bauern gefordert
Die Schwierigkeiten der Drogenbekämpfung in Afghanistan kennt auch Leo Brandenberg von der deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ). Er setzt auf die langfristige Zusammenarbeit mit den Kleinbauern, die nach seiner Erfahrung eher Opfer als Täter sind.
Es reiche nicht aus, die Drogenfelder zu zerstören oder statt Opium andere Anbauprodukte vorzuschlagen. "Alternative Livelihood" - alternative Lebensführung - bedeutet für Brandenberg, die Strukturen in den Provinzen Afghanistan komplett zu verändern. Danach hat der Kampf gegen die Droge erst eine Chance, wenn in den Dörfern nicht mehr die Warlords regierten, sondern die Menschen gemeinsam und demokratisch über ihr Leben entscheiden. Ein weiter Weg in Afghanistan, in dem Demokratie über Jahrzehnte lang ein Fremdwort war.