Dritter Impfstoff in der EU zugelassen
29. Januar 2021Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) in Amsterdam hat wie erwartet, den Corona-Impfstoff der britisch-schwedischen Firma AstraZeneca zur Marktzulassung empfohlen. Als letzten Schritt vor der Auslieferung des Impfstoffes in der Europäischen Union hat auch die Europäische Kommission in Brüssel die formale Zulassung erteilt. Damit steht nach den Impfstoffen von BionTech/Pfizer und Moderna jetzt der dritte Impfstoff in der EU zur Verfügung. Die Chefin der EMA, Emer Cooke, sagte, die Wissenschaft habe innerhalb nur eines Jahres einen beispiellosen Fortschritt bei der Entwicklung der Impfstoffe gegen ein völlig neuen Virus gemacht. "Keiner der drei ist perfekt, aber sie geben uns genügend Optionen, um gegen viele Aspekte der Pandemie vorzugehen", sagte die Irin Emer Cooke.
Lieferengpass sorgt für Streit
In den Tagen vor der Zulassung gab es einen heftigen Streit zwischen dem Lieferanten AstraZeneca und der EU-Kommission, die für die 27 Mitgliedsstaaten insgesamt 400 Millionen Dosen eingekauft hat. AstraZeneca hatte angekündigt, im ersten Quartal statt der vereinbarten 80 Millionen nur 31 Millionen Portionen des Impfstoffs liefern zu können. Die EU-Kommission reagierte empört und nannte die Erklärungen der Geschäftsführung von AstraZeneca zu Engpässen in der Lieferkette in der EU für "falsch und unglaubwürdig." Krisentreffen brachten keine Lösung. Angeblich hat AstraZeneca jetzt zugesichert, die Lieferungen leicht aufzustocken.
Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) beurteilt den Impfstoff von AstraZeneca, der einfach gelagert werden kann und in zwei Dosen im Abstand von vier bis zwölf Wochen verimpft wird, als sicher und wirksam. Er sei in allen Altersgruppen ab 18 Jahren einsetzbar. Die "Ständige Impfkommission" in Deutschland hatte einen Einsatz bei Personen über 65 Jahren nicht empfohlen. Die Chefin der EMA rief in Erinnerung, dass die Herstellung von Impfstoffen schwierig und der Technologietransfer nicht einfach sei. "Wir alle müssen die Berichte über Lieferverzögerungen zur Kenntnis nehmen", sagte Emer Cooke. Die Impfstoffe würden jetzt auch nach ihrer Zulassung weiter beobachtet und - wenn nötig - würde die Arzneimittelagentur für Nachbesserungen sorgen.
Gegen Varianten vermutlich wirksam
Es ist nicht geklärt, ob der Impfstoff weitere Ansteckungen durch Geimpfte verhindert oder wie lange die Immunisierung anhält. Dazu seien weitere Studien nötig, teilte die EMA mit. Die Experten der Arzneimittelbehörde gehen aber davon aus, dass der neue Impfstoff auch gegen die neuen Corona-Varianten oder Mutationen wirksam ist. "Wir haben keinen Anlass anzunehmen, dass das nicht so ist", sagte Bruno Sepodes von der Arzneimittelagentur in Amsterdam. Die EMA stellte in Aussicht, dass der vierte Impfstoff von der Firma Johnson und Johnson entwickelt und in Kürze zugelassen werden könnte.
Die EU-Kommission hat den Verdacht, dass AstraZeneca aus seinen zwei Werken in Großbritannien bevorzugt Kunden in Großbritannien beliefert, wo der Impfstoff früher als in der EU zugelassen wurde. Das sei unfair und entspreche nicht den abgeschlossenen Verträgen. Die Verträge über Liefermengen und Zeiträume seien "glasklar", sagte die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, in Interviews. Die Geschäftsführung von AstraZeneca liest die Verträge wohl anders. Der Vertrag ist inzwischen veröffentlicht worden. Viele entscheidende Stellen sind aber geschwärzt, unter anderem Liefertermine, Mengen und Preise. Die EU besteht darauf, bei Lieferschwierigkeiten in den Werken in den Niederlanden und Belgien auch aus den Werken von AstraZeneca in Großbritannien beliefert zu werden.
EU verfügt Export-Kontrollen für Impfstoffe
Um das sicherzustellen, hat die EU in Windeseile Export-Kontrollen für Impfstoffe verfügt, die aus der Europäischen Union ausgeführt werden sollen. Die EU-Kommission wolle Informationen darüber sammeln, wo wieviele Impfstoffe hergestellt werden und wohin sie exportiert werden, sagte der Vize-Präsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, vor der Presse in Brüssel. "Wir wollen so sicherstellen, dass Menschen überall in der EU Zugang zu den Impfstoffen erhalten", sagte Dombrovskis. Exporte, die für die Balkanstaaten und östlichen Nachbarn der EU vorgesehen seien, bräuchten keine Genehmigungen. Auch Spenden von Impfstoffen aus humanitären Gründen seien ausgenommen. Die EU-Kommissarin für Gesundheit, Stella Kyriakides, versuchte Kritik an den Exportkontrollen besonders aus Großbritannien abzuschwächen: "Wir sind nicht in einem Wettrennen mit einem bestimmten Land. Wir sind in einem Wettrennen gegen das Virus."
Am Sonntag hat EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen die Chefs und Chefinnen der großen Pharma-Konzerne zu einem "Impf-Gipfel" per Videoschalte eingeladen. Dann soll die Strategie für die größte Impfkampagne, die Europa je organisieren musste, erneut diskutiert werden. Eingeladen ist auch der Geschäftsführer von AstraZeneca, Pascal Soriot. Dann soll auch diskutiert werden, wie die Lieferketten und Produktionsstandorte ausgeweitet werden können.