Dresden will friedlich feiern
2. Oktober 2016Herrliche Kulissen hat Dresden trotz der Bombardierung gegen Ende des Zweiten Weltkriegs viele zu bieten. Zwei der schönsten Bauten stehen am Montag im Mittelpunkt, wenn Deutschland den 26. Jahrestag seiner friedlichen Wiedervereinigung feiern wird. Im Wahrzeichen der Stadt, der mit viel bürgerschaftlichem Engagement wiederaufgebauten Frauenkirche, wird ein ökumenischer Gottesdienst zelebriert. Und in der weltberühmten Semperoper findet der zentrale Festakt statt. Ranghöchste Gäste in Dresden werden Bundespräsident Joachim Gauck, Kanzlerin Angela Merkel und Bundestagspräsident Norbert Lammert sein.
Traditionell präsentieren sich auch wieder alle 16 Bundesländer am Tag der Deutschen Einheit. Kulturell und kulinarisch werden die Besucher auf ihre Kosten kommen. Darauf können sich die Gastgeber angesichts eines üppigen Rahmenprogramms und der bekannt guten sächsischen Küche verlassen. Die bange Frage, die dennoch mitschwingt, lautet: Spuckt ihnen jemand in die Suppe und verdirbt die gute Laune? Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert ruft Einheimische und Besucher auf, fröhlich zu feiern. Sonst bekämen die "Hetzer und Angstmacher" noch mehr Aufwind und Zuspruch, befürchtet der Freidemokrat.
Pegida will protestieren - wie jeden Montag
Ein fast schon fromm zu nennender Wunsch angesichts des schlechten Images, dass die Stadt wegen fremdenfeindlicher Aufmärsche hat. Seit fast zwei Jahren mobilisieren die sogenannten Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (Pegida) jeden Montag mitunter mehrere Tausend Menschen. Auch am Tag der Deutschen Einheit wollen sie marschieren. Wie brisant die Stimmung inzwischen ist, belegen die Sprengstoff-Anschläge vom vergangenen Montag. Ziele waren eine Moschee und das Kongresszentrum. Zwar sind Täter und Motive noch unbekannt, aber ein fremdenfeindlicher Hintergrund ist nicht auszuschließen.
Polizeifahrzeuge in Brand gesetzt
Auch in der Nacht zum Sonntag gab es wieder einen Zwischenfall. Unbekannte zündeten in Dresden drei Einsatzfahrzeuge der Polizei an. Bei dem Brandanschlag wurde nach Behördenangaben niemand verletzt, es entstand ein Sachschaden von mehreren zehntausend Euro. Die Ermittler sehen einen Zusammenhang zu den Einheitsfeiern und gehen von einer politisch motivierten Tat aus.
Um die Sicherheit zu gewährleisten, werden weit mehr als 2000 Polizisten im Einsatz sein. Rund um das weitläufige Festgelände in der Dresdner Innenstadt sind Betonblöcke platziert, um mögliche Anschläge mit durchbrechenden Fahrzeugen zu verhindern. Das Attentat von Nizza am französischen Nationalfeiertag ist den Organisatoren des Feiertags zur Deutschen Einheit eine Mahnung. Doch trotz aller Sorgen und Bedenken rechnet Dresden mit mehreren hunderttausend Besuchern. Die Hotels sind gut belegt, es soll aber auch vereinzelte Stornierungen gegeben haben.
Bundestag debattiert deutsche Einheit
Die in Sachsen besonders ausgeprägte Fremdenfeindlichkeit spielte am Freitag auch im Bundestag eine Rolle. Die Abgeordneten debattierten über den jüngst vorgelegten jährlichen Bericht zum Stand der Deutschen Einheit. Dabei wiederholte die Ostbeauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke, ihren Befund: Natürlich seien das Erstarken von Rechtsextremismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ein gesamtdeutsches Phänomen und Problem. Aber in Ostdeutschland gebe es gemessen an der Bevölkerungszahl deutlich mehr Straftaten. "Sollen wir vielleicht so tun, als gäbe es diesen Befund nicht?", fragte die Sozialdemokratin.
Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende der oppositionellen Grünen, reagierte mit Blick auf den Tag der Deutschen Einheit entsetzt auf die jüngsten Ereignisse in Dresden. Eine Feier der Wiedervereinigung zu einem weltoffenen, freiheitlichen und toleranten Deutschland hätte es werden sollen. Stattdessen würden Sprengstoffanschläge das Bild des Jahrestages bestimmen. "Wenn wir deutsche Einheit ernst meinen, dann geht es um das Zusammenleben und den Zusammenhalt in unserem Land", sagte Göring-Eckardt. Dann gehe es auch darum, mit den neu ins Land gekommen Menschen gemeinsam gegen Fremdenfeinde zu agieren und deutlich zu machen: "Das ist unser Land, das ist unsere Demokratie. Und wir werden sie verteidigen."