Dr. Oetker geht von Bord
1. Dezember 2016Die Dauerkrise in der Containerschifffahrt beschleunigt das Übernahmekarussell: Nach mehreren Zusammenschlüssen von Konkurrenten zieht sich der Bielefelder Oetker-Konzern aus dem Schifffahrtsgeschäft zurück und verkauft die Traditionsreederei Hamburg Süd an den Konkurrenten Maersk. Mit dem dänischen Weltmarktführer sei ein Vorvertrag unterzeichnet worden, teilte das ost-westfälische Familienunternehmen am Donnerstag mit. In den kommenden Wochen soll ein Kaufvertrag unter Dach und Fach gebracht werden. Dem Zusammenschluss müssen noch die Kartellbehörden zustimmen. Zum voraussichtlichen Preis machten weder Oetker noch Maersk Angaben.
Der Branchendienst Alphaliner schätzt, dass die Dänen annähernd fünf Milliarden Dollar für Hamburg Süd auf den Tisch legen muss. Die 1871 gegründete "Hamburg Südamerikanische Dampfschifffahrts-Gesellschaft KG" (Hamburg Süd) ist gemessen nach der Transportkapazität die siebtgrößte Containerreederei der Welt und liegt einen Platz hinter Hapag-Lloyd. Die beiden Lokalrivalen hatten vor einigen Jahren versucht, sich zusammenzuschließen. Das Vorhaben scheiterte jedoch, weil sich die Familie Oetker nicht einigen konnte. Hamburg Süd schloss sich auch keiner Allianz an, mit denen Konkurrenten versuchen, die Kosten bei kollabierenden Frachtpreisen zu senken - ein Fehler, wie Branchenexperten meinen.
"Da muss man schon eine Menge Pizza verkaufen"
Die Verluste im Reedereigeschäft hätten sich in den vergangenen Jahren vermutlich derart angehäuft, dass Oetker nun den Schritt gegangen sei, sagte der Schifffahrtsanalyst Thomas Wybierek von der NordLB. "Um die Verluste aufzufangen, muss man schon verdammt viel Pizza verkaufen." Das weit verzweigte Firmenimperium Oetker, das vor allem durch Fertigpizza und Backmischungen bekannt ist, aber auch Anteile an Brauereien und Hotels hält, macht mit rund sechs Milliarden Euro etwa die Hälfte seines Umsatzes in der Schifffahrt. Angaben zum Ergebnis macht Oetker nicht.
Wenn die Übernahme in trockenen Tüchern ist, kann Maersk seine Führung auf den Weltmeeren ausbauen: Der Marktanteil werde auf ungefähr 18,6 Prozent von derzeit 15,7 Prozent steigen, teilte Maersk mit. Die Kapazität klettere auf rund 3,8 (bisher 3,1) Millionen Standardcontainer, zugleich sinke das Alter der Schiffe. Insgesamt verfügen die Dänen dann über eine Flotte von mehr als 700 Frachtern. Zum Vergleich: Die zweitplatzierte Mediterranean Shipping Company (MSC) mit Sitz in der Schweiz kommt nach Daten von Alphaliner mit knapp 500 Schiffen auf einem Marktanteil von 13,6 Prozent.
Sorgen um den Hamburger Hafen
Die geplante Übernahme von Hamburg Süd rief den deutschen Reederveband auf den Plan, der Nachteile für den Hamburger Hafen befürchtet: "Der Standortwettbewerb wird noch härter", erklärte Geschäftsführer Ralf Nagel. Neue Kapitalgeber aus Europa, den USA und China verglichen Standorte weltweit. "Wir brauchen große zusätzliche gemeinsame Anstrengungen aus Politik und Wirtschaft, um Deutschland als Schifffahrtsstandort dauerhaft im Spitzenfeld zu halten."
Die Containerschifffahrt leidet seit Jahren unter massiven Überkapazitäten und stark sinkenden Frachtpreisen. Fast alle Reedereien schreiben rote Zahlen. Immer mehr Unternehmen schließen sich deshalb zusammen oder bilden Allianzen. Ingesamt sieben Reedereien verloren in den vergangenen Jahren ihre Eigenständigkeit. Zuletzt erhielt Deutschlands Branchenprimus Hapag-Lloyd von der EU-Kommission grünes Licht für die Fusion mit dem arabischen Rivalen UASC, zusammen würden sie damit zur weltweiten Nummer fünf der Branche. Vor einigen Wochen kündigten die drei führenden japanische Reedereien Mitsui OSK (MOL), NYK und "K"-Lines den Zusammenschluss ihrer Containergeschäfte zur Nummer sechs der Branche an.
Die chinesischen Großreedereien Cosco und CSCL schlossen sich vergangenes Jahr zur Nummer vier der Welt zusammen. Die französische Reederei CMA CGM, Nummer drei, übernahm APL aus Singapur. Wer keinen Partner findet, gerät in Not. Jüngstes Beispiel: Die südkoreanische Reederei Hanjin wurde in die Pleite getrieben und meldete im August Insolvenz an.