Heckwellen von Hanjin
12. September 2016Hanjin ist nicht die einzige Reederei mit Problemen: "Rund drei Viertel der Welt-Schifffahrt sind in einer schwierigen Situation", sagte Thomas Rehder aus dem Präsidium des Verbands Deutscher Reeder auf der maritimen Messe SMM in Hamburg am vergangenen Montag. Das betreffe sowohl die Containerschifffahrt, als auch Gas-und Öltanker, Massengutfrachter und die Offshore-Förderindustrie. Schon seit über sieben Jahren steckt die Schifffahrt nun in der Krise. Angefangen hatte es mit der Finanzkrise, die zu einem Rückgang des weltweiten Handels führte.
Schifffahrt unter Konsolidierungsdruck
Gemessen an den verminderten Handelsströmen kreuzen aber schlichtweg zu viele Schiffe die Meere. Verschärft wird das Problem noch dadurch, dass Riesen-Containerschiffe ausgeliefert werden, die noch zu Boomzeiten bestellt worden waren. Angesichts solcher Überkapazitäten versuchen die Reeder, über niedrige Frachtraten ihre Schiffe zu füllen. Kostendeckender Transport ist dadurch kaum noch gewährleistet. Um die Kosten pro Container noch weiter zu senken, setzen die Reeder aber auf immer größere Schiffe, was wiederum die Preisspirale weiter nach unten treibt.
"Das ist schon fast ein perfekter Sturm", sagte Ron van het Hof vom weltweit führenden Kreditversicherer Euler Hermes. Trotz aller Allianzen, Fusionen und Bemühungen um niedrige Kosten würden einige Reedereien erhebliche Verluste schreiben. "Das geht bei einigen an die Substanz, vor allem, wenn über den langen Zeitraum der anhaltenden Krise die Puffer bereits aufgebraucht sind", erklärte der Chefvolkswirt von Euler Hermes, Ludovic Subran. "Die Containerschifffahrt ist mit ihrer größten Krise konfrontiert."
Zwischen Januar und Mai diesen Jahres seien die Insolvenzen in der Branche im Vergleich zum Vorjahr um mehr als zehn Prozent gestiegen, zeigt eine Branchenanalyse von Euler Hermes. Ein Ende dieser Konsolidierung sei nicht in Sicht. Jetzt hat es mit Hanjin einen der zehn größten Reeder erwischt. Ende August hatte die südkoreanische Reederei Insolvenz angemeldet. Hanjin schreibt bereits seit fünf Jahren rote Zahlen und trägt zurzeit einen Schuldenberg von über 4,5 Milliarden Euro mit sich herum.
Folgen der Hanjin-Insolvenz
Die Heckwelle, die die Insolvenz von Hanjin mit sich zieht, ist weltweit aber nur wenig zu spüren. Ungefähr drei Prozent des weltweiten Containerhandels wird von Hanjin abgefertigt. "Die Reederei ist damit relativ klein", sagt Rolf Langhammer vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Regional begrenzt sorgt die Welle allerdings doch für Unruhe. Denn Hanjin hat einen Anteil von ungefähr acht Prozent am Pazifikhandel, also dem Handel zwischen der Westküste der USA und Ostasien. Und trotz Überkapazitäten könnten andere Reedereien kurzfristig diesen Transport nicht so einfach übernehmen, meint Langhammer.
"Entsprechend haben sich in der Region sofort die Frachtraten nach oben bewegt, weil unklar ist, was mit den Schiffen, die jetzt an der Kette liegen, geschieht." Die Frachtpreise zwischen der koreanischen Hafenstadt Busan und Los Angeles haben sich um 50 Prozent erhöht. "Gegenwärtig ist die Nachfrage nach Transportkapazität viel höher als das Angebot. Firmen kämpfen regelrecht darum, Transporteure mit offenen Kapazitäten zu finden," sagt Peter Friedmann, Geschäftsführer der Agriculture Transportation Coalition shipping industry group.
Langhammer hat allerdings Zweifel, dass das auf Dauer so bleibt. "Denn natürlich sind die Überkapazitäten erheblich und wir rechnen in diesem Jahr ja nicht mit einer wesentlichen Erholung des Welthandels." Die Welthandelsorganisation rechnet in diesem Jahr etwa mit 2,8 Prozent Wachstum. Das ist weit unter dem langfristigen Mittel von fünf Prozent Wachstum und für 2017 soll es auch nicht mehr als 3,6 Prozent werden.
Anderer Charterreeder betroffen
Von der Hanjin-Heckwelle getroffen werden auch einige Charterreeder. In der Regel besitzen die großen Linienreedereien ungefähr die Hälfte ihrer Flotte selbst, die übrige Kapazität chartern sie nach Bedarf hinzu. Hanjin besitzt nur 59 der 132 Schiffe (Containerschiffe und Massengutfrachter) selber, die anderen 73 sind gemietet. Unter anderem bei deutschen Schiffsvermietern, die nun mit Ausfällen rechnen müssen. "Viele gecharterte Schiffe gehen an die Eigner zurück", sagte Van het Hof von Euler Hermes. "Das löst eine regelrechte Kettenreaktion aus und trifft vor allem die kleineren Reeder hart." Denn angesichts der Überkapazitäten wird es nicht leicht, die Schiffe neu zu vermieten.
Getroffen werden natürlich auch die Besitzer der Waren, die sich zur Zeit auf Hanjin-Schiffen befinden. Waren im Wert von 14 Milliarden Dollar werden weltweit nicht ausgeliefert, weil sich gegenwärtig Häfen, Schlepper und Handelsfirmen weigern, für Hanjin zu arbeiten. Terminalbetreiber verlangen Tausende von Dollar, bevor die Waren von Hanjin Schiffen gelöscht werden. Die Handelspartner sind zum Teil bereit zu zahlen, damit Nahrungsmittel nicht verderben und um Kunden nicht zu vergraulen, die nach der Ware verlangen. Normalerweise würde Hanjin die Hafengebühren und die Kosten für den Containertransport als Teil seiner Frachtgebühren übernehmen.
Vergangene Woche erst beklagte Samsung, dass sich Waren im Wert von 38 Millionen Dollar an Bord von zwei Hanjin-Schiffen befänden. Wenn die Waren nicht so schnell wie möglich entladen würden, müsste Samsung 16 Flugzeuge chartern, um diese Waren zu transportieren, was über acht Millionen Dollar kosten könnte, so der Konzern.
Insolvenz -> Konkurs?
Wie es insgesamt weitergeht hänge vor allem davon ab, ob aus der Insolvenz ein Konkurs wird, sagt Rolf Langhammer im Gespräch mit der DW. "Hanjin hat ja die Insolvenz auch nach dem amerikanischen Insolvenzrecht juristisch eingebracht. Das heißt, es geht natürlich darum, letztlich den Verkehr nachher wieder aufzunehmen." Ob das passiert, hänge in erster Linie daran, ob nach einer Insolvenzerklärung der Insolvenzverwalter noch genügend Masse sieht, um das Geschäft weiterzuführen und ob die Finanziers bereit seien, weiter auf diese Reederei zu setzen.
Allerdings weißt Langhammer darauf hin, dass in der Containerschifffahrt sehr viel Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Liniendienste da sein müsse. Und wenn eine Reederei einmal in eine solche Schieflage geraten sei, dann sei dieses Vertrauen weg. "Von daher kann es natürlich sein, dass Hanjin eben nicht wieder in den Markt kommt. Aber das kann man zur Zeit noch nicht abschätzen."
Nachdem ein Gericht in Seoul in der vergangenen Woche dem Antrag Hanjins auf Insolvenzverwaltung zugestimmt hatte, haben Hanjin-Manager bis zum 25. November Zeit, einen neuen Rettungsplan vorzulegen.