DR Kongo: Tshisekedis erstes Jahr im Amt
23. Januar 2020Als Félix Tshisekedi Anfang 2019 an die Macht kommt, sind die Voraussetzungen für den Präsidentenneuling nicht die besten. Schon seine Wahl am 30. Dezember 2018 ist umstritten. Als die Wahlkommission ihn Anfang Januar zum Sieger erklärt, sprechen viele Beobachter von Betrug.
Trotzdem ist es ein historischer Moment: Sein Wahlsieg markiert den ersten friedlichen Machtwechsel in dem rohstoffreichen Land seit Ende der belgischen Kolonialherrschaft 1960. Sein Handlungsspielraum ist aber von Anfang an eingeschränkt - im Parlament stellt Tshisekedis Koalition "Kurs auf den Wandel" (CACH) nur etwa ein Zehntel der Abgeordneten. Die große Mehrheit hier und auch im Senat hat das Parteienbündnis "Gemeinsame Front für den Kongo" (FCC) des ehemaligen Präsidenten Joseph Kabila.
Tshisekedi ist also zwangsläufig auf die Gunst seines Vorgängers angewiesen. Im März 2019 kündigen Joseph Kabila und Félix Tshisekedi offiziell ihre Zusammenarbeit an. Deswegen wird ihm vorgeworfen, eine Marionnette des ehemaligen Machthabers zu sein.
Enttäuschte Hoffnungen
Dabei wünscht sich die kongolesische Bevölkerung nichts mehr als einen politischen Wandel. Der Osten des Landes ist seit Jahren instabil: Dutzende Milizen, Rebellengruppen und die Armee bekämpfen sich. Seit etwa eineinhalb Jahren wütet in der Region eine Ebola-Epidemie, die über 2000 Menschenleben gefordert hat. Korruption gehört in der Demokratischen Republik Kongo weiterhin zum Alltag.
"Nach der Wahl gab es große Hoffnungen auf Veränderung - und eine ebenso große Enttäuschung" sagt der Politikwissenschaftler Jean-Claude Mputu im DW-Interview. Zwar habe Tshisekedi ein anderes Auftreten als sein Vorgänger. Er sei viel präsenter und spreche zum Volk. Dass er bis heute keine einzige Verbesserung für das Land vorweisen könne, liege an "seiner Erbsünde, diese unheilige Allianz mit Joseph Kabila eingegangen worden zu sein, die dazu geführt hat, was wir heute sehen."
Tauziehen zwischen beiden Regierungslagern
Ex-Präsident Kabila hat nach wie vor viel Einfluss: Er ist Senator auf Lebenszeit und steht dem Parteienbündnis FCC vor. Das hat in den meisten Provinzen die Mehrheit inne. So hat es sieben lange Monate gedauert bis Ministerpräsident Sylvestre Ilunga Ilunkamba endlich eine Regierung vorstellen konnte.
Das Tauziehen zwischen beiden Lagern trat vergangenen Montag erneut deutlich zutage. Präsident Tshisekedi drohte damit, die Nationalversammlung aufzulösen, wenn der Koalitionspartner weiterhin die Regierungsarbeit blockiere. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Parlamentspräsidentin Jeanine Mabunda - eine Kabila-Anhängerin - verwies auf die Verfassung: "Deren Artikel sollten nicht aufgrund von Missverständnissen oder Unverständnis über Bord geworfen werden", so Mabunda. Sie warnte vor der Gefahr des "Hochverrats".
Was nach einer ausgemachten Krise klingt, interpretiert der Rechtsanwalt Sylvain Lumu Mbaya im DW-Interview allerdings als Fortschritt. "Dass die Parlamentspräsidentin den Präsidenten unmittelbar nach einer Aussage zurechtweisen kann, zeigt welch großen Fortschritt es in der Redefreiheit gibt."
Kostenlose Grundschulbildung und relative Stabilität
Benno Müchler, Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in der DR Kongo verweist auf einen weiteren wichtigen Fortschritt: das Projekt, die kostenlose Grundschulbildung einzuführen. "Das hat der Präsident gegen den Koalitionspartner durchgesetzt", so Mücher zur DW. Damit habe er einen deutlichen Akzent gesetzt.
Sonst könne die Regierung aber noch nicht sehr viele konkrete Verbesserungen vorzeigen, sagt Müchler. Auch seien Tshisekedis Ankündigung, gegen die Korruption vorzugehen, bislang noch keine Taten gefolgt.
'Kongo wieder auf der Landkarte'
Das soll sich ändern. "2020 wird das Jahr des Handelns", kündigte der 56-jährige Präsident im Dezember vollmundig in seiner Rede zur Lage der Nation an. Die Prognosen für das kommende Regierungsjahr könnten allerdings nicht unterschiedlicher ausfallen. Der Politologe Mputu glaubt, dass sich die wirtschaftliche Lage weiter verschlimmern und der Unmut in der Gesellschaft wachsen wird. Außerdem wirft er dem Präsidenten vor, die krisengeschüttelten Provinzen des Landes komplett zu vernachlässigen. Anstatt sich um sein eigenes Volk zu kümmern, reise er durch die Welt.
Genau dies bewertet Benno Müchler von der Konrad-Adenauer-Stiftung allerdings positiv. Tshisekedi wisse, dass er zu Hause innenpolitisch keine eigene Hausmacht habe. Daher brauche er die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft für seine Reformen. Beispielsweise durch Kredite des Internationalen Währungsfonds, um die der neue Präsident sich wieder bemüht. "Er kann es als Erfolg vorzeigen, dass er den Kongo wieder zurück auf die internationale Landkarte gebracht hat", so Müchler.